Nette Worte und hässliche Bilder

Nein, von Mauern und Stacheldraht kann keine Rede sein. "Robuster Außengrenzschutz" klingt viel netter. Und ein bisschen nett wollen wir ja sein

von Leitartikel - Nette Worte und hässliche Bilder © Bild: News/ Matt Observe

Und plötzlich sind sie wieder da. Oder immer noch da. Denn eigentlich waren sie nie weg. Schade eigentlich. Schließlich haben wir wahrlich Besseres zu tun. Aber jetzt müssen wir schon wieder über sie reden. Die Flüchtlinge. Die, die wir mehrheitlich nicht in Europa haben wollen, die aber nicht aus unserem Blickwinkel verschwinden wollen. Eben weil auch Kriege, politische Verfolgung, Klimakrise, Hungersnot und die Sehnsucht nach einem besseren Leben nicht aus deren Blickwinkel verschwunden sind. Jetzt kommen diese Flüchtlinge nicht mehr nur über die Balkanroute und über das Mittelmeer, sondern tauchen auch an den EU-Außengrenzen im Baltikum und in Polen auf. Das hat uns gerade noch gefehlt. Denn wir in der EU sind noch nicht so weit. Wir diskutieren nämlich noch. Über effizientere Grenzverfahren und Rückführungen. Über "verbindliche" und "flexible" Solidarität. Über Resettlementprogramme, Anlandeplattformen in nordafrikanischen Ländern und Asylzentren in Staaten des Westbalkans. Über verpflichtende Flüchtlingsquoten und Abschiebepatenschaften. Und natürlich reden wir auch über Hilfe vor Ort. Unser Problem dabei: Wir reden nur viel. Beim Handeln lassen wir uns seit 2015 reichlich Luft nach oben. Doch jetzt kommt Bewegung in die Sache. Zwölf EU-Staaten, darunter Österreich, pochen auf mehr Zäune an den europäischen Außengrenzen. Am Bau solcher Grenzmauern sollte sich die gesamte Europäische Union finanziell beteiligen, findet Neobundeskanzler Alexander Schallenberg, der zugleich betont, dass es beim dazugehörigen EU-Gipfel "bewusst keine Diskussion über Zäune, Mauern und Stacheldraht" gegeben hat. Natürlich nicht. Die EU ist schließlich kein Wunschkonzert. Wäre sie das, würden einige Player diesbezüglich ganz groß aufgeigen: Mauern hoch, Schotten dicht. Vielleicht geht es auch ohne "hässliche Bilder". Träumen darf man ja. An das Aufwachen sollte man allerdings auch denken. Sich nämlich einen gerade irgendwo frisch hochgezogenen Stacheldrahtzaun anzuschauen - und das tun gelegentlich Außen-und Innenminister mit dem Kalkül der "Wir tun etwas"-Bilder sehr gerne -ist das eine. Sich vor eben so einen Zaun zu stellen, wenn dahinter die dazugehörigen Menschen warten, hat eine andere Dimension. Und die sollte man ehrlicherweise in die aktuelle Diskussion gleich mit einpreisen, statt diplomatisch - und entbehrlich - rumzueiern, weil man nicht offen aussprechen will, was man eigentlich will.

Jetzt reden wir also erst mal von einem "robusten Außengrenzschutz". Das kommt so beiläufig daher, dass es fast nicht wehtut. Aber am Ende ist es genauso zynisch wie das "Türl mit Seitenteilen", das seinerzeit Werner Faymann errichten wollte, nachdem er sich zuvor noch mit dem EU-Kommissionschef darauf geeinigt hatte, "dass Zäune selbstverständlich keinen Platz in Europa haben". Auch dem gelernten Diplomaten Schallenberg kommt das Wort "Mauerbau" nicht über die Lippen. Das sei schließlich etwas, was ihm "sprachlich widerspricht", sagt er. So viel Geschichtsbewusstsein muss sein. Ich verstehe das -und empfehle einen Ausflug in das (Museums-)Dorf Mödlareuth, wo jahrzehntelang die innerdeutsche Grenze mitten durch das Dorf lief. Nicht gerade ums Eck, aber sehenswert, etwa wenn man sich dafür interessiert, wie ein "robuster" Grenzschutz geht, damit am Ende für die Menschen jenseits der Grenze nicht mehr viel geht.

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