Verkehrter Wahlkampf

Es gibt derzeit nur ein Thema: die Ausländer. Oder: wie man den Leuten am besten Angst einjagt.

Es ist schon seltsam. Da gibt es einen Wahlkampf, der nur das Thema Ausländer und Mittelmeerroute zu kennen scheint. Und die Kandidaten, egal welcher Partei, überdribbeln einander im Wettlauf um Abgrenzung gegen die Ausländer. Jörg Haider hätte seine Freude. Alles was er vor 30 Jahren verlautbarte, wird plötzlich auch von den anderen Parteien übernommen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ist aus seiner Sicht zu Recht frustriert, dass ihn Sebastian Kurz und Christian Kern rechts zu überholen scheinen.

von Leitartikel - Verkehrter Wahlkampf © Bild: Matt Observe

Seit dem Sommer 2015 sind viele geflüchtete Menschen in unser Land gekommen. Es ist ein Fakt, dass wir uns schwer miteinander tun. Integration ist leider nicht so einfach, wie sich die Befürworter von Multikulti das immer noch schönzureden versuchen. Menschen, die in ein anderes Land gehen und dort leben wollen, müssen die Sprache beherrschen und sich der Kultur vor Ort anpassen. Das ist überall auf der Welt so. Warum sollte es in Österreich anders sein?

Es ist richtig und wichtig, dass auch wir all jenen Gastrecht gewähren, die integrationswillig sind. Die Unwilligen sollten dagegen schnell wieder abgeschoben werden können. Dafür kann man Gesetze ändern, aber einen Wahlkampf bräuchte man nicht, meine Herren! Schließlich sollte sich der Kampf um Wählerstimmen, nicht nur um Tausende Ausländer drehen. Insgesamt leben 1,6 Millionen Ausländer in Österreich, davon wiederum kommen rund 90.000 aus Afghanistan und Syrien.

Der Wahlkampf sollte sich doch auf die sieben Millionen Österreicherinnen und Österreicher beziehen, möchte man meinen. Das vergessen die Parteien derzeit nur zu leichtfertig. Mit Parolen Angst vor dem Fremden zu schüren, bringt niemandem etwas außer vielleicht ein paar Punkte in den Umfragewerten. Für das Zusammenleben aber ist es Gift.

Egal, wie die Wahl am 15. Oktober ausgeht und wer Regierungschef wird: Wer das Land weiterbringen will, muss ganz andere innenpolitisch seit Jahren bekannte Themen angehen. Davon wird unsere Zukunft abhängen: Also fordern wir die Herren auf, konkret zu sagen, was sie bei den Themen Gesundheit, Pensionen, Bildung, Wirtschaftsstandort planen, wie sie das genau finanzieren wollen und was die Bürger erwartet.

Im Übrigen könnte man auch einmal aufhören, dauernd zu jammern und darauf verweisen, dass es sich fast nirgendwo so gut lebt wie hierzulande. Bei einem Ranking der Boston Consulting Group landete Österreich hinter Norwegen, der Schweiz und den Niederlanden auf Rang vier in Sachen Lebensqualität. Aber wir registrieren positive News irgendwie gar nicht.

Bedenklich muss leider auch stimmen, dass Journalisten in dieser heiklen Lage nur zu oft außer Acht lassen, was ihre ureigenste Aufgabe ist: Recherche, Analyse und Kommentar, unterfüttert von Argumenten. Manche Kollegen tun ihre politische Meinung in den sozialen Medien derart penetrant kund, dass man nur den Kopf schütteln kann.

Das war nicht mit der vierten Macht im Staat gemeint: sich gemein machen mit jenen, die dieselbe politische Meinung vertreten. Das kann gefährlich werden. Für den Journalismus. Für die Demokratie. Mitlaufen bei den Themen, die Politiker vorgeben, gehört nicht zu unserem Job. Also lasst uns konkrete Fragen stellen und Antworten einfordern, wo Politiker herumschwafeln wollen. Das ist unser Job.

Esther Mitterstieler, Chefredakteurin

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: mitterstieler.esther@news.at