Bewegung heißt Überleben

Ob Partei oder Bewegung ist egal. Es muss etwas weitergehen, und es muss bei den Menschen ankommen

Kennen Sie den schon? Sitzen ist das neue Rauchen. Oder: Bewegung ist Leben. Diese scheinbar neuen Erkenntnisse sind nichts als alte Hüte. Dass Bewegung gut ist, scheinen derzeit besonders die Parteien zu verinnerlichen. Und sie bewegen sich. Wohin, ist noch nicht so ganz klar.

von Leitartikel - Bewegung heißt Überleben © Bild: Matt Observe

Grundsätzlich tut dem Land Bewegung gut. Mehr Parteien heißt mehr Vielfalt. Das, was in Österreich nicht Tradition ist, kann ja noch werden. Und so fragmentiert wie etwa Italiens Parteienlandschaft wird die österreichische in 100 Jahren nicht sein, dafür bürgt allein das altbekannte Beharrungsvermögen der Traditionsparteien oder nunmehr Bewegungen -man möge sie nennen, wie sie wollen. Schauen wir uns doch das Phänomen quer durch Europa an: Peter Pilz ist nicht der Einzige, der sich im Windschatten anderer Bewegungsgründer aufhält. Sebastian Kurz möchte gerne Emmanuel Macron sein und hat mit dem genauso viel zu tun wie Wiener Schnitzel mit Quiche Lorraine. Pilz könnte dagegen als selbsternannter "Rechtslinker" in die Fußstapfen von Beppe Grillo treten. Bis heute kann man nicht erkennen, in welche politische Stoßrichtung der Gründer der Fünf-Sterne-Bewegung geht - links oder rechts ist eigentlich eh egal, Hauptsache, er ist gegen alles. Letzteres kann man Pilz auf keinen Fall unterstellen, er steht vor allem fürs Aufdecken politischer Klüngeleien und Schweinereien. Ob das mit Konsumentenschutz und Frauenthemen als Programm ausreicht, muss sich weisen. Auch der Jungbewegungsgründer muss erst beweisen, dass er Verantwortung übernehmen kann. Warum fällt einem beim Namen Peter Pilz nur immer wieder der Name Hans-Peter Martin ein?

Viel bewegen will natürlich auch Matthias Strolz. Wer, wenn nicht er, steht schon körpersprachlich für Bewegung? Irmgard Griss in seinen Reihen zu haben, darf ihn vermutlich beruhigen. Namhafte Berater wie Karl Sevelda oder Facebook-Jäger Maximilian Schrems zeigen, dass Strolz ein gutes Gespür hat. In solchen Momenten scheint er sogar mehr Ruhe als Sebastian Kurz in sich zu haben. Vielleicht ist es auch nur die berühmte Ruhe vor dem Sturm. Denn die Politwelt dreht sich in einer Affengeschwindigkeit.

Das zeigen auch die immer ärgeren Aussagen österreichischer Politiker, die sich zu den Themen Brenner und Mittelmeerroute wilde Überholmanöver liefern. Besonnenes Agieren ist das nicht. Das Volk so vor sich herzutreiben, ist mutwilliges Schüren von Xenophobie. Etwas mehr staatstragende Ausgewogenheit wäre gefragt, sprich: hart in der Sache, herzlich im Ton. Davon sind wir derzeit weit entfernt.

Dass Geflüchtete nicht wahllos aufgenommen werden können, darüber herrscht wohl Einigkeit. Aber die Art, darüber politisches Kleingeld zu machen, ist beschämend. Ja, da haben wir sie wieder: die Angst vor dem Fremden, dem Anderen, dem Nicht-Österreicher. Und der Rechtsaußen-Rülpser des FPÖ-Mannes Johannes Hübner fügt sich dabei leider passend dazu. Sein Nichtantreten bei der Wahl macht die halbherzige Distanzierung der Partei nicht wett.

Beliebt ist es auch, Stimmung gegen die EU zu machen. Ohne EU und Globalisierung wäre dieses Land ärmer. Dieselben Kritiker dieser Einbettung Österreichs in der Welt schreien gerne: Die anderen sind schuld. Eh. Immer die anderen. Nur wir selber sind gut. Da würde uns ein wenig Bewegung im Kopf auch nicht schaden.

Esther Mitterstieler, Chefredakteurin

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