Die Merkel-Macher

Deutschlands Kanzlerin ist angezählt. Doch ihre Gegner bleiben beste Garanten für ihr politisches Überleben

von Christoph Lehermayr © Bild: News/Ian Ehm

Die Methode Merkel scheint ihr Ablaufdatum erreicht zu haben. Erst hatte Deutschlands präsidiale Kanzlerin einen inhaltsleeren Wahlkampf zum Abgewöhnen geführt und ihrer CDU das schlechteste Ergebnis seit 1949 beschert. Danach wollte sie den Beweis antreten, dass ihr Stil, sich nirgends und bei nichts festzulegen, auch auf eine ganze Koalition übertragbar sei. Zwei einander so fremde Parteien wie die neoliberal angehauchte FPD und die Basisgrünen sollten unter Obhut der "deutschen Queen", wie sie "Spiegel"-Journalist Alexander Osang einmal taufte, zusammenfinden. Das ist grandios gescheitert. Und jetzt? Kommt die Merkel-Dämmerung, meinen manche. Als schiene die Zeit reif, politische Nachrufe auf die "letzte Führerin der freien Welt", wie sie das "Time Magazine" nach der Trump-Wahl voreilig nannte, vorzubereiten. Doch das ist verfrüht. Merkel ist angezählt, aber nicht abgewählt.

Dafür sorgen allein schon ihre Gegner. Der glücklose SPD-Chef Martin Schulz wurde vom abrupten Ende der Jamaika-Sondierung kalt erwischt. Noch in der Wahlnacht hatte der 20-Prozent-Mann der Kanzlerin brüsk ausgerichtet, sicher nicht in ihr großes Koalitionsboot zu steigen. Dabei bleibt er vorerst, gibt aber zu, dies nach Neuwahlen durchaus anders zu sehen. Klammer auf, wenn das Ergebnis passt, Klammer zu. Was für eine Unverschämtheit gegenüber den Wählern, die gefälligst so lange zu den Urnen gehen sollen, bis der SPD das Resultat behagt. "Erst das Land, dann die Partei" war wohl gestern. Und so wird Schulz zum Mann der Vergangenheit, ohne es selbst noch zu wissen. Doch die Personaldecke der Sozialdemokraten ist derart dünn, dass Merkel gefährliche Herausforderer nur bedingt fürchten muss. Ihr wahres Problem besteht vielmehr darin, dass auch Neuwahlen die vertrackte Lage kaum lösen. So mag zwar Sondierungssprengmeister Christian Lindner von der FDP gestärkt daraus hervorgehen, weil seine Wähler Prinzipientreue noch schätzen. Für eine Zweierkoalition ist es allemal zu wenig. Die Grünen müssen derweil ihrer Basis erklären, ob das Schnuppern von Regierungsluft die eigenen Realos so benebelt hat, dass ihnen nichts anderes einfiel, als über Lindner herzufallen, der rote Linien zog, die Grünen längst fremd sind. Derweil erfährt CSU-Chef Seehofer wohl erst nach intensiver Rücksprache in München, ob er etwaige Neuwahlen politisch überhaupt erleben wird.

Und so wirkt Angela Merkel - wieder einmal - alternativlos. Was mehr über den Zustand ihrer Gegner als die eigene Stärke aussagt. Gelingt es ihr nicht, die Sozialdemokraten doch noch in eine Koalition zu locken, führt an Neuwahlen kaum ein Weg vorbei. Um sie zu gewinnen, wird es aber weit mehr brauchen als Merkels Politik situationselastischer Beliebigkeit, die nur noch lähmend wirkt. Das daraus entstehende Deutschland im Herbst nutzt derzeit allein der rechten AfD. Sie wird zur Heimat derer, die sich von dem ganzen Schauspiel angewidert abwenden. Was für den Rest von Europa eine fatale Nachricht ist, denn zu viel steht auf dem Spiel, als dass der wichtigste Staat so lange ohne wahre Führung bleiben könnte. Fehlt Merkel für den nötigen Wandel aber die Kraft, wird sie wohl samt ihrer unfreiwilligen Macher spätestens nach einer weiteren Wahl selbst Geschichte sein.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: lehermayr.christoph@news.at