Kurz muss weg?
Opposition im Eck!

Zwei klassische Selbstfaller: Just in der Zeit einer veritablen Regierungskrise bekämpfen Blau und Rot nicht den Außenfeind, sondern nur eigene Parteifreunde.

von Leitartikel - Kurz muss weg?
Opposition im Eck! © Bild: News

Die Weltpresse vergleicht unseren strauchelnden Kinderstar längst mit Viktor Orbán. Und auch für die heimische Justiz ist Sebastian Kurz nur noch ein Fall für die Unschuldsvermutung. Vor dem Ibiza-Ausschuss soll er falsch ausgesagt haben, ein Verfahren mit einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Haft droht ihm nun. Dass er angeklagt oder gar verurteilt wird, ist zwar unwahrscheinlich, denn die Staatsanwaltschaft müsste ihm nicht nur eine Falschaussage nachweisen, sondern auch deren Vorsatz. Dennoch aber haben der Regierungschef und seine engsten Angehörigen von Blümel bis Schmid gefühlt abgewirtschaftet. Ja mehr noch, seit Kurz per WhatsApp „Vollgas“ gegen die katholische Kirche anordnete, steht er zwar noch nicht ganz alleine da, aber doch ziemlich gottverlassen.

Kurz und gut: In einer schlüssigen Demokratie wäre der einstige Mister Perfect wohl nur noch im Imperfekt Kanzler. Doch hierzulande liegen er und seine Partei in Umfragen immer noch in einer Größenordnung von 35 Prozent vorne. Warum? Weil die Frage einer Abwahl stets auch eine Frage der wählbaren Alternativen ist. Und weder Blau noch Rot die Antwort. Denn dort kämpft man just auf dem Höhepunkt einer veritablen Regierungskrise nicht gegen den gemeinsamen Außenfeind, sondern nur gegen die eigenen Parteifreunde.

»In einer schlüssigen Demokratie wäre der einstige Mister Perfect wohl nur noch im Imperfekt Kanzler«

„Kurz muss weg“, krakeelen zwar Herbert Kickl und die Seinen, und bei jeder Demo krakeelen Tausende Demaskierte mit. Doch eigentlich, das weiß man jetzt, meinte der lauteste Blaue aller Zeiten gar nicht Kurz, als sich seine Stimme immer und immer wieder überschlug. Denn was sollte ihm dessen Abgang schon groß bringen? Wenn Kurz weg wäre, gäbe es ganz grundsätzlich zwar völlig neue Regierungsoptionen. Aber in keiner würde er, Kickl – da allseits als innenpolitischer Paria anerkannt –, eine Rolle spielen. Einer wie er kann nur in der Opposition wachsen. Und damit synchron dazu auch die eigene Macht wächst, muss nicht Kurz weg – sondern in erster Linie musste das Hofer. Nun ist die FPÖ nach ihrem öffentlichen Psychokrieg um die Macht damit beschäftigt, ihren internen Scherbenhaufen zu kitten, die Mannen, die bisher hinter Hofer standen, zu befrieden und die Partei vor einer Spaltung zu bewahren.

Und in ähnlichen Selbststudien, wenn auch nicht in derart dramatischer Dimension, befindet sich nun auch die SPÖ.

Eine halbe Million Arbeitslose, wenn man die Menschen in Kurzarbeit miteinbezieht. Pleiten, Pech und Wirtschaftspannen, soziale Kälte im Frühsommer. Eigentlich wären die äußeren Rahmenbedingungen wie geschaffen für eine stark gewerkschaftsgetriebene Sozialdemokratie. Für ein Deficit Spending, das das Budgetloch zwar nicht kleiner, aber den coronagebeutelten Teil der Bevölkerung sicherlich glücklicher macht. Doch auch hier versucht ein gnadenloser Populist, eine Art pannonischer Links- Kickl namens Hans Peter Doskozil, der amtierenden Parteichefin am Kostüm zu flicken. Auch er meint eigentlich nicht Kurz, wenn er sich neue politische Verhältnisse wünscht, sondern Rendi-Wagner.

Kurz muss – müsste – weg? Im Grunde weiß er das vielleicht sogar selber. Doch was er noch besser weiß: Wenn es hart auf hart kommt, kann er sich nicht auf Blümel verlassen oder auf Schmid. Sehr wohl aber auf Männer vom Schlage eines Kickl oder Doskozil.