Wo geht's hier zur Zukunft?

Die Verunsicherung ist so groß wie schon lange nicht. Doch die Politik geht recht kurzsichtig mit der Zukunft um. Vielleicht hilft ein Perspektivenwechsel.

von Renate Kromp © Bild: Ian Ehm/News

Die aktuelle Sonderausstellung im Weltmuseum Wien ist aus vielen Gründen sehenswert. George Nuku, ein Maori schottischer und deutscher Abstammung, bezieht die Kultur seiner neuseeländischen Vorfahren in seine Werke ein. Dabei lädt er uns unter anderem ein, unser Verständnis von Zeit zu überdenken. Die Maori gehen rückwärts in die Zukunft. Man bewegt sich also mit dem Rücken zu ihr hin, sieht sie nicht, weiß nicht, was sie bringen wird. Dafür haben die Maori die Vergangenheit, ihre Traditionen und Fehler, die sie vielleicht gemacht haben, fest im Blick.

Selten hat ein Bild so gut für unsere eigene Lage gepasst. Wir, die es gelernt haben, nach vorne zu blicken, Fortschritt, Entwicklung, stetiges Wachstum zu erwarten, Pläne für uns und unsere Kinder zu schmieden, sind zunehmend verunsichert, wenn es um die Zukunft geht. Wer hätte am Anfang dieses Jahres gedacht, dass wir uns vor einem Krieg in Europa fürchten werden und unseren auf gigantischem Energieverbrauch fußenden Wohlstand schwinden sehen? Wer hätte gedacht, dass immer mehr Menschen Rechnungen nicht mehr werden bezahlen können? Oder dass wir -nicht aus Klimagründen, sondern weil uns die Gas- Abhängigkeit von Russland dazu bringt -darüber nachdenken, im Winter warme Pullover anzuziehen und die Heizung spürbar zurückzudrehen?

"Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen", lautet ein alter Kalauer, der abwechselnd Karl Valentin, Mark Twain und dem Naturwissenschaftler Niels Bohr zugeschrieben wird. Das Zitat könnte auch von einem dänischen Politiker stammen, informiert Wikipedia. In der Politik wird dieser Satz bisweilen als halblustige Rechtfertigung fürs Nichtstun gebraucht. Natürlich gibt es Prognosen, die wissenschaftlich abgesichert sind. Sie verheißen für die Zukunft nichts Gutes und wurden ebenso ignoriert wie die Fehler der Vergangenheit. Stichwort: Klimakrise. Die Liste jener in Politik und Interessenvertretungen, die in den letzten 30 Jahren nichts bis wenig getan - oder gegen Nötiges intrigiert -haben ist lang.

»Die Liste jener, die in den letzten 30 Jahren nichts getan haben, ist lang«

Politik und Zukunft -eine schwierige Beziehung. Meist ist der Zeithorizont sehr eng gefasst. Bis zum nächsten Wahltag. Irgendwo ist fast immer einer. Und dann passiert -nichts, wenn man mit seinem Handeln Wählerinnen und Wähler vergraulen könnte. Oder zu viel - wenn man sich mit dem Füllhorn Stimmen sichern möchte. Manchmal bemüht die Politik die lange Perspektive: Aus für Vollspaltenböden in der Schweinemast bis 2039 oder für Verbrennungsmotoren in Neuwagen bis 2035 (mit gefällig eingebauter Hintertür). Oder die ganz, ganz lange: eine echte Bildungsreform? Viel zu kompliziert ...

Anfang der Woche hat der Klimarat seine Forderungen vorgelegt. Knapp hundert repräsentativ ausgewählte Bürgerinnen und Bürger haben 93 Ideen zusammengetragen. Sie reichen vom früheren Ende für Verbrenner bis zu autofreien Tagen, von einem höheren CO2-Preis bis zum Aus für die Pendlerpauschale, vom Werbeverbot für klimaschädliche Produkte bis zu Treibhauszöllen. "Da ist ja fast nichts Neues dabei", wurde von manchen bemängelt. Hätte man also längst tun können, Politiker. Viele Menschen sind bereit, weiter zu gehen, als es die Politik ist. Ein ganz neuer Blick in die Zukunft.

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