Kommt die Klimakrise
erst übermorgen?

Keine Verbote, keine Beschränkungen. Statt dessen: freie Fahrt für alle. So lange Österreich besser als Deutschland ist, ist die Klimakrise abgesagt

von Leitartikel - Kommt die Klimakrise
erst übermorgen? © Bild: Matt Observe/Auftrag News

Aufatmen ist angesagt. Denn passieren wird (vorerst) nichts. Dabei hatte das Bundesumweltamt (im Auftrag des Verkehrsministeriums) gleich 50 Maßnahmen erarbeitet, um kurz-, mittel-und langfristig den Verkehr CO2-frei zu machen. Ungeheuerliche, ach was, bis dato unaussprechliche Vorschläge wie etwa Tempolimit, kilometerabhängige Maut auf allen (!) Straßen, Citymaut, Steuererhöhungen wurden auf den Tisch gelegt und ließen prompt die Wogen an den Stammtischen und in den Internetforen hochgehen: "Es reicht. Keine noch höheren Steuern und Beschränkungen unter dem Deckmäntelchen des Klimaschutzes." Keine Sorge, dieses Deckmäntelchen ist ohnehin nur ein Hauch von Stoff. Folglich war zwei Tage später der Pulsschlag vieler schon wieder im Ruhemodus. Denn Tempo 100 kommt nicht; viel lieber denkt der Verkehrsminister über drei neue Teststrecken für Tempo 140 nach. Es kommen keine Fahrverbote und auch keine Zulassungsverbote. Keine Frage, jede vernünftige Klimastrategie muss am Verkehr ansetzen. Hierzulande will man es u. a. mit der Nahverkehrsmilliarde, also dem Ausbau von Straßenbahnen und Bussen und das über die Stadtgrenze hinaus, richten. Und überhaupt: Unser Hauptproblem sei der Transit, sagt der Minister. Und bei der E-Mobilität habe man bessere Zahlen als Deutschland. Na bitte. Problem gelöst. Besser als der große Bruder. Das muss reichen. So geht kurzatmige Politik, die nur auf die Schlagzeile von morgen schielt. Das beruhigt natürlich auch viele, keine Frage. Wenngleich nicht alle.

Nur so ein Gedankenspiel: Was wäre, wenn man, statt nach Deutschland zu schauen, sich ganz mutig nach der Decke streckt und sich Norwegen als Beispiel nimmt? Der Anteil der E-Autos bei Neuzulassungen liegt hier aktuell bei 57 Prozent. Zum Vergleich: Österreich kratzt an der Drei-Prozent-Marke; Deutschland dümpelt bei 1,9 Prozent vor sich hin. Mit E-Autos aus der Klimakrise? Das allein wird nicht reichen. Aber Klimaschutz, ohne dass jemand davon betroffen ist, funktioniert auch nicht. Es ist ein Schritt. Genauso wie das Zulassungsverbot von Diesel-und Benzinfahrzeugen. Norwegen will das ab 2025 einführen; Irland, Slowenien , die Niederlande ab 2030. Ja, aber ich weiß schon.

Andererseits: Verbote kommen derzeit jenseits von Österreich ziemlich in Mode, und der eine oder andere hat seinen Urlaub in Bibione deswegen sicher schon längst storniert. Schließlich ist hier jetzt das Rauchen am Strand untersagt. Bozen und Neapel müssen auch gestrichen werden: Qualmverbot auf großen Plätzen. Strafen für das Wegwerfen von Tschicks gibt es natürlich auch bei uns -auf dem Papier zumindest. 868 Millionen Kippen landen jährlich allein in Wien auf dem Boden. Pardon: werden unsachgemäß entsorgt. Die Liste Jetzt sorgt sich um die Umwelt und fordert eine Infokampagne rund um die Umweltschädlichkeit von Zigarettenfiltern. Nein, die brauchen wir wahrlich nicht. Gesunder Menschenverstand sollte reichen. Und überhaupt - warum die ganze Aufregung? Der Obmann der heimischen Trafikanten stellt den rauchenden Wienern in Hinblick auf ihre Wegwerfmentalität ein gutes Zeugnis aus. Dass es so ist, wie es ist, liege vielmehr an fehlenden Raucherplätzen mit Aschenbechern - vor Lokalen. Und Schulen. Tu Felix Austria

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: gulnerits.kathrin@news.at

Kommentare