Reif für Veränderungen

Reden wir über die Schule. Aber bitte schön nicht immer nur über jenen kleinen Teil, über den wir immer gern und viel (zu viel) reden - die Maturanten.

von Leitartikel - Reif für Veränderungen © Bild: News/ Matt Observe

Masterpläne sind eine feine, aber meist auch keine nachhaltige Sache. Sie verkünden Großes und enden ziemlich oft im Kleinen. Die Schule von heute wettbewerbsfähiger und besser zu machen, war jedenfalls das Ziel des im Herbst 2018 mit viel Tamtam vom damaligen Kanzler Sebastian Kurz verkündeten Masterplans für das Bildungswesen. Also Tablets für fast jedermann, aufbereitete digitale Lerninhalte, Aus-und Weiterbildung der Lehrkräfte, ein verpflichtendes Schulfach "Digitale Grundbildung".

Die für hiesige Bildungssystemverhältnisse üppigen Vorhaben wurden nicht einfach am Schreibtisch entworfen. Nein, Kanzler und Bildungsminister waren seinerzeit eigens dafür zu einer "Lernreise" aufgebrochen. Die führte nach Singapur und Hongkong und dort direkt in eine kanadische Vorzeigeschule. So viel Zeit für unsere Kinder muss sein. Natürlich wurde das große Vorhaben auch mit einem großzügigen Zeitplan versehen. Bis zum Ende der Legislaturperiode wollte man fertig sein. Nun: Das Ende der Regierung, die einst große Bildungstöne spuckte, kam früher. Kanzler und Bildungsminister von damals sind Geschichte. Auch eine Pandemie hat sich dazwischengeschoben.

Aber immerhin reden wir noch über die Schule. Jedenfalls über jenen kleinen, feinen Teil, über den wir immer gerne und viel reden, wenn wir von der Schule reden: die Maturanten. Sie haben es nämlich schwer. In Pandemiezeiten sowieso. Jedenfalls schwerer als alle anderen der insgesamt 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler, die hierzulande die Schulbank drücken. Also kein Interview mit dem zuständigen Minister ohne die heilige Maturafrage. Schließlich treten rund 40.000 Maturanten Jahr für Jahr zum Abschluss aller Abschlüsse an.

»In der Bildung wird viel versprochen und wenig gehalten«

Aber wie erging und ergeht es eigentlich all den anderen im System Schule, die ebenfalls unter Pandemiebedingungen lernen und jetzt oder demnächst liefern müssen? Jenen, die "nur" eine Abschlussprüfung an einer Fach-oder Berufsschule ablegen? Jenen, die sich beispielsweise wochenlang akribisch auf eine Kochprüfung am Ende der Ausbildung vorbereitet hatten, doch dann interessierte sich im Pandemiejahr eins keiner für ihre Kochkünste, weil Kochprüfungen vor versammelter Prüfungskommission gerade nicht machbar waren? Keine zwei Halbsätze hatte man für sie und all die anderen übrig.

Jetzt übrigens auch nicht.

Die einen bekommen die volle Aufmerksamkeit. Andere ein paar Förderstunden, mit denen aufgestaute Wissenslücken kompensiert werden sollen. Wir erinnern uns: Ein Link zu einem YouTube-Video und die Aufforderung, die Aufgaben auf den Seiten 55 bis 58 zu lösen, waren wochenlang im Digital-Entwicklungsland Österreich der einzige Zugang, um in den Genuss von Bildung in Homeschooling-Zeiten zu kommen. Deswegen macht das Ministerium noch mal 109 Millionen Euro für Förderstunden locker. Das Wollen ist löblich. Über das Wie hätte man sich freilich auch Gedanken machen sollen. Gibt es genug Lehrkräfte, die bereit sind, die Stunden abzuhalten? Nein, in der Vergangenheit gab es sie jedenfalls nicht. Gibt es Zeitfenster für den Zusatzunterricht? Vielleicht. Vielleicht auch nicht, nach sechs bis acht Unterrichtsstunden.

In kaum einem Ministerium wird so viel versprochen und so wenig gehalten wie in der Bildung. Für die Symbol-, Klientel-und Ankündigungspolitik gibt es einen glatten Einser. Für den großen Rest ist Nachhilfe dringend angesagt.

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