Viele Fragen, (noch) wenige Antworten

Verantwortungslos erscheint das Handeln der Beteiligten in der Causa Wien Energie. Wie verantwortungslos, wird sich erst noch zeigen.

von Leitartikel - Viele Fragen, (noch) wenige Antworten © Bild: News/ Matt Observe

Sind es 1,75 Milliarden, sechs Milliarden oder zehn Milliarden? Braucht man das Geld gleich und sofort - oder vielleicht gar nicht? Ist das, was seit Sonntagabend rund um die Causa Wien Energie publik geworden ist, ein Irrsinn? Sind es einfach nur "verrückte Zeiten" mit ebenso verrückt spielenden Märkten, oder ist der plötzliche Liquiditätsbedarf in Milliardenhöhe gar nur ein "Schlamassel", wie der Vizebürgermeister von Wien meint? Wurde beim größten Energieversorger des Landes spekuliert, und hat man sich am Ende verspekuliert? Zumindest der Finanzminister, der Wien Energie die geforderten Sicherheitsleistungen für ihre getätigten Handelsgeschäfte in Milliardenhöhe bereitstellen soll, hat es so prompt formuliert -und steht mit dieser Meinung nicht alleine da.

Viele Experten sind angesichts der Größenordnung zumindest irritiert. Andere sagen nach 24 Stunden Nachdenkpause: "Alles ein ganz normales Vorgehen." Tut sich im sozialdemokratisch dominierten Wien beim stadteigenen Energieversorger ein Abgrund an Misswirtschaft auf, bei dem am Ende die Verantwortlichen in Management und Politik ihre Konsequenzen ziehen müssten? Sechs Milliarden Euro an Sicherheitsleistungen sind immerhin mehr als ein Drittel des gesamten Wiener Stadtbudgets. Wäre die Wien Energie kein systemrelevantes Unternehmen, wäre das Unternehmen jetzt pleite. Für die Antwort braucht es Geduld. Und ja, keine voreiligen Schlüsse. Rechnungshof, Stadtrechnungshof und E-Control nehmen jetzt die Arbeit auf und durchleuchten das Geschäftsgebaren, die Rolle des Managements und des Eigentümers, Finanzbedarf und Finanzgebaren. Der Grat zwischen "alles rechtens" und "Spekulation", zwischen "pleite" und "gesundes Unternehmen", zwischen "den anderen Energieversorgern geht es nicht besser" und "Wien ist ein Opfer der Umstände" ist schmal. Ein Super-GAU nicht ausgeschlossen.

»Für die Antworten braucht es Geduld. Und keine voreiligen Schlüsse«

Die Zeit bis zu den Antworten kann genutzt werden -um etwa das Krisenmanagement und das Transparenzgebaren im roten Wien zu beleuchten. Nicht normal ist nämlich, dass SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig am Gemeinderat vorbei in Summe 1,4 Milliarden Euro mittels seiner "Notkompetenz" lockergemacht hat. Das erste Mal im Juli. Still und heimlich. Dabei hatte die Ratingagentur Fitch schon im Juni auf Probleme bei der Wien Energie aufmerksam gemacht. "Wenn mein Bürgermeister auch nur einen Bruchteil von seinem Jahresbudget 'einfach so' überweist, fliegen die Fetzen", bemerkt ein Insider aus einem westlichen Bundesland. Zu Recht.

Das Bild, das die handelnden Personen auf der politischen Bühne abgeben, ist desaströs. Einmal mehr. Jetzt liegt der Scheinwerfer auf der SPÖ. Auswege aus der Krise erfolgen in bekannter, aber nicht bewährter Manier: Parteipolitik geht vor. Im Zweifel ist immer der andere Schuld, die EU sowieso. Weil selbst wüsste man ja, wie es geht. Die Kritik seitens der SPÖ an der Regierung wäre jedenfalls glaubwürdiger, hätte man einen Schutzschirm schon vor Eintreten der Wien-Energie-Causa gefordert und nicht erst jetzt. Gewinner sind am Ende jene, die noch weniger Ideen und Lösungen für die auf dem Tisch liegenden Probleme haben. Und vor allem noch kürzere Antworten.

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