Grün ist die Hoffnung, schwarz das Kamel

Gelingt es Alma Zadić, das Strafrecht aus den Fängen der Politik zu befreien, so wird sie zur wichtigsten Justizministerin seit Broda - ein erster Schritt ist getan

von / Leitartikel - Grün ist die Hoffnung, schwarz das Kamel © Bild: News

Und wieder einmal war er übergangen worden. Zumindest muss es sich für ihn so angefühlt haben: Christian Pilnacek -bürgerlich-konservativ, juristisch hochversiert, von stattlicher Erscheinung und als Super-Sektionschef mit den Machtmechanismen des Ressorts bestens vertraut -ist Österreichs erfahrenster Leider-nein-Justizminister: Sobald es in Koalitionsverhandlungen um Personalfragen ging, wurde er erst als ministrabel gehandelt und dann von der Kandidatenliste gestrichen. Zunächst wurde ihm der gemütliche Wolfgang Brandstetter vorgezogen; dann der smarte Josef Moser; selbst während Brigitte Bierleins rein auf Pragmatik ausgerichteten Interregnums überließ man nicht ihm, Pilnacek, sondern dem honorigen Clemens Jabloner den Chefjob. Tja, und letztendlich setzte man ihm, dem erfahrenen Mittfünfziger, der unter Türkis-Blau zwischenzeitlich sogar zum Generalsekretär des Ministeriums avanciert war, dann auch noch die grüne Mittdreißigerin Alma Zadić vor die Nase. Und die wiederum setzt ihn nun nach nur fünf Monaten im Amt ohne viel Federlesens vor die Türe. Pilnaceks omnipotente Sektion Strafrecht wird aufgelöst und neu konfiguriert, er selbst könne sich gerne um die Leitung einer der abgeschlankten Nachfolgeabteilungen bewerben -de facto eine Totalentmachtung, auf den Lockdown folgt nun der justizielle Showdown.

Doch was da derzeit im Namen von Recht und Gerechtigkeit abgeht, ist weit mehr als ein Karrierekampf zwischen Alt und Jung, zwischen routiniertem Platzhirschen und forschem Rookie. Es ist nichts weniger als ein öffentlicher Kampf um das Ansehen der Justiz. Von 2008 bis zum Ibiza-Crash stellte die ÖVP ohne Unterbrechung den Ressortchef. (Dass bis auf einen formal alle "parteilos" waren, tut kaum was zur Sache.) Entsprechend politisch gefärbt waren und sind auch Justitias Machtzirkel. Und: Entsprechend empfänglich waren und sind diese Machtzirkel folglich für politische Einflussnahmen. Und da wiederum kommt der talentierte Mr. Pilnacek ins Spiel: Denn der empfing in seinem Büro zwei in der sogenannten "Casinos-Affäre" Beschuldigte, nämlich den Raiffeisen-Generalanwalt Walter Rothensteiner und den Ex-VP-Vizekanzler Josef Pröll, wie -oder eher als - gute alte Freunde in seinem Büro. Ein anderes Mal traf Sektionschef Pilnacek im "Schwarzen Kameel", seinem feinen Stammlokal in der Wiener City, den Vizechef des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT)."Rein zufällig", sagt Gourmet Pilnacek. Rein zufällig kursierte in genau diesen Tagen auch ein umfängliches, juristisch höchstrelevantes Dossier über mutmaßliche Verfehlungen des hochrangigen BVT-Mannes und seiner Gefolgschaft...

Und auch wenn das bissel Klüngeln, zumal in Österreich, nicht explizit verboten ist -moralisch vertretbar ist es deswegen noch lange nicht. Und hier wiederum kommt die talentierte Mrs. Zadić ins Spiel: Wenn sie ihren Job gut macht, kann sie sich zur wichtigsten Justizministerin seit Christian Broda aufschwingen. Broda ist es in den Siebzigerjahren gelungen, das Strafrecht ein gutes Stück menschlicher zu machen. Ein halbes Jahrhundert später will Zadić die Sektion Strafrecht ein gutes Stück unpolitischer machen. Schwarz sind die alten Kamele, doch grün ist vorerst die Hoffnung.

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