Die Leiden der jungen Gurgler

Die Durchseuchung findet statt, und in Österreichs Klassenzimmern fließen derzeit viele Tränen. Wie revanchieren wir uns bei den Corona-Kindern?

von Anna Gasteiger © Bild: News/Ricardo Herrgott

Eine kleine Vorbemerkung: Ich weiß, man sollte sich als Frau mit Kindern nicht öffentlich über Kinder äußern. Es gilt als unprofessionell und irgendwie anrüchig. Frauen mit Kindern sollten öffentlich nur zu außenpolitischen oder wirtschaftlichen Themen Stellung nehmen -hoher Abstraktionsgrad, wenig Emotion -, sonst geraten sie rasch in den Verdacht genereller Inkompetenz. Mütterlicher Gehirnschwund oder so. Es gibt sicher Studien dazu. Es gibt zu allem Studien. Es ist auch verpönt, Frauen mit Kindern öffentlich auf ebendiese anzusprechen. Man reduziert sie damit angeblich auf ihre Mutterrolle, die man sich offenbar als etwas sehr Kleines vorstellen muss. Es ist also, legen diese Bewertungen nahe, peinlich, Mutter zu sein. Zumindest für jene Frauen, die mehr vom Leben wollen, als Jausenboxen zu befüllen und Socken zu waschen.

Aber vielleicht ist diese Trennung von beruflicher und privater Sphäre auch einfach ein Anachronismus aus vergangenen Zeiten, in denen der Erfolg eines Mannes sich daran maß, wie selten er seine Kinder sah? Vielleicht qualifiziert es eine Person gerade zu höheren Aufgaben, wenn er oder sie die Verantwortung für einen oder mehrere kleine Menschen übernommen hat? Nur so als Denkanstoß.

Danke für die Aufmerksamkeit. Es kann losgehen. Reden wir also über Kinder. Diese Zeilen entstehen im unfreiwilligen Homeoffice -unfreiwillig, weil jetzt auch die Klasse des zweiten Volksschulkindes wegen mehrerer Coronafälle gesperrt wurde. Diese viel zitierte Durchseuchung findet also statt, soweit ich das beurteilen kann, und ist wahrscheinlich alternativlos. Man sollte aber auch über die vielen kleinen Dramen sprechen, die sich dieser Tage in und außerhalb der Klassenzimmer abspielen. Kinder, die weinen, weil sie den getrennt lebenden Corona-positiven Papa nicht mehr treffen dürfen. Oder weil sie nicht mehr in die Schule gehen dürfen. Oder weil sie selbst positiv getestet wurden und Angst haben oder sich schämen oder ein schlechtes Gewissen haben, weil wegen ihnen alle zu Hause bleiben müssen. Es fließen derzeit viele Tränen in Österreichs Klassenzimmern. Sie werden an dieser Stelle kein Patentrezept finden, wie das zu verhindern wäre. Alle Kinder zu Hause einsperren, um sie vor Ansteckung zu schützen? Nein.

»Kinder sind nicht einfach kleine Erwachsene. «

Aber es gehört zu den Errungenschaften unserer modernen Gesellschaft, Kindheit als einen besonders schützenswerten Lebensabschnitt anzuerkennen. Kinder sind nicht einfach kleine Erwachsene. Sie haben weniger Rechte, aber auch weniger Pflichten, und sie sollten möglichst unbeschwert leben dürfen. Verrückte Sachen wie maskenlos Schokolade kaufen oder zum Fußballtraining gehen zum Beispiel, nicht jeden Morgen schlaftrunken Salzwasser in ein Röhrl spucken.

Wie können wir uns als Gesellschaft also bei den Corona-Kindern für all das Durchhalten und Mitmachen bedanken? Finanzielle Unterstützung kann bei ärmeren Familien viel Druck rausnehmen. Generell gilt: nachsichtig sein und die richtigen Prioritäten setzen. Der Leistungsdruck kann warten. Diese Generation hat in zwei Coronajahren mehr übers Leben gelernt als viele Erwachsene in Jahrzehnten. Wer sind wir, sie mit kleinlichen Details und pingeligen Anforderungen zu quälen?

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: gasteiger.anna@news.at