Erster! Schnellster! Bester!

Österreich ist noch nicht über den Berg. Aber in der Krisenmeisterung sind wir Europas Klassenbester. Dem Virus freilich sind Ländermatches egal

von Leitartikel - Erster! Schnellster! Bester! © Bild: News/ Matt Observe

Baumärkte sind toll. Hier gibt es alles, was man in Zeiten wie diesen so braucht: Fuchsienbäume und Duschköpfe, Fließen und Tausenderpackungen mit kleinen Nägeln. Verkäufer sind meist nicht zu sehen. Das macht aber nichts, sie müssen jetzt ohnehin Abstand halten. Die Kassiererin sitzt hinter einer Plexiglasscheibe, draußen warten im gebotenen Ein-Meter-Abstand Menschen in Endlosschlangen darauf, irgendwann bei ihr die Bankomatkarte zücken zu können. Diese Baumärkte werden -nachdem wir das Projekt "Wiederauferstehung" nach Ostern als erstes Land in Europa erfolgreich in Angriff genommen haben - unser erstes klitzekleines Fenster zur Normalität sein. Zu einer Normalität, von der wir heute gar nicht mehr wissen, wie sie sich anfühlt. Vor allem aber, wie es so ausschauen soll, dieses normale Leben in Social-Distancing-Zeiten. Und jetzt, da wir auch wissen, dass Adria und Mallorca flachfallen oder wahlweise einem staatlich verordneten "Urlaub daheim" vorgezogen werden sollen, können wir die Baumärkte auch gleich in unsere Urlaubsplanung einbeziehen -Baumarkt-Tourismus als neue Freizeitbeschäftigung. Wie der funktioniert, zeigen gerade einige Bundesländer in Deutschland. Demnächst wohl auch bei uns. Abschauen eher nicht zu empfehlen. Aber diese Gefahr besteht ja ohnehin nicht. Schließlich schauen alle anderen derzeit neidvoll zu uns. Ein Satz des Kanzlers kann folglich in diesen Tagen nicht oft genug wiederholt werden: "Österreich ist bisher besser durch die Krise gekommen als andere Länder." Jetzt soll schrittweise die Wirtschaft (ein deutsches Boulevardmedium spricht ebenso neidvoll von einem "Knallhart- Fahrplan") wieder auf Betriebstemperatur gebracht werden. Vor allen anderen. Wie? Dänemark verkündete auch Lockerungen? Die Tschechen dürfen wieder Tennis und Golf spielen? Und den Norwegern erlaubt man wieder, in ihren geliebten Hütten zu übernachten? Fein. Wir waren trotzdem schneller. Und früher dran mit Ausgangsbeschränkungen und runtergelassenen Rollbalken - vor allem getrieben durch die aus dem Ruder gelaufene Coronavirus-Schleuder Ischgl. Das könnte man der guten Ordnung halber dazu sagen, muss man aber nicht. Wohl wissend, dass alles, was in Richtung "Erster! Schnellster! Bester!" geht, auf fruchtbaren Boden fällt. Demnächst sind wir die Ersten, die Ampeln vor den Supermärkten aufstellen. Und die erste Corona-App werden wir auch an den Start bringen. Versprochen. Wer braucht schon eine gesamteuropäische Warn-App? Die soll dem Vernehmen nach in zehn Tagen an den Start gehen. Jetzt also flott

Keine Frage, in Krisenzeiten schlägt immer auch die Stunde der Nationalstaaten. Eine Krisennabelschau ist es obendrein. Das Große und Ganze rückt da gerne aus dem Blickfeld, auch wenn wir natürlich wissen, dass sich ein Virus nicht an Landesgrenzen hält. Wir sind von einem intakten europäischen Binnenmarkt abhängig. Es sollte durchaus in unserem Interesse liegen, dass alle Staaten diese Krise gut und schnell meistern. Wer macht es falsch, wer besser? Wer hat auf das klügere Konzept gesetzt, und wer hat es von vornherein versemmelt? Und überhaupt: Wann kapieren es endlich die Schweden? Diese Fragen können wir stellen. Irgendwann. Abgerechnet wird bekanntlich immer am Schluss. Und Überheblichkeit war noch nie ein guter Ratgeber.

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