Hört endlich auf zu zündeln!

Wer braucht zwei Reisepässe? Die Südtiroler, glaubt die FPÖ. Warum die Idee ein Humbug ist

von Leitartikel - Hört endlich auf zu zündeln! © Bild: Matt Observe

Als ob es nicht noch schlimmer ginge. Da fährt eine Außenministerin, Karin Kneissl, zugegebenermaßen eine ausgewiesene Arabistin und wohl in Sachen Südtirol nicht unbedingt bewandert, nach Rom und spricht mit ihrem Amtskollegen Angelino Alfano über eine Doppelpass-Notwendigkeit für die Südtiroler. Fährt nach Hause und will das medienwirksam verkaufen. Alfano wird ihr eins pfeifen. Und hat es indirekt, indem er sich auf das Gruber-De-Gasperi-Abkommen berief, das diese doppelte Möglichkeit nicht vorsieht. Aber das verrät die Neopolitikerin den österreichischen Wählern lieber nicht. Ich greife das Thema auf Wunsch einiger Leser auf. Als Betroffene kann ich bloß den Kopf schütteln und die involvierten Politiker bitten, von diesem Unsinn abzulassen. Umfragen belegen, dass die Südtiroler -außer einer kleinen Minderheit - nicht daran denken, nach Österreich zurück zu wollen und auch keinen zweiten, österreichischen, Pass brauchen. Sagte man ihnen, dass der Spaß mindestens 1.500 Euro kosten würde, dann wären wohl nur eingefleischte Auswanderer in Österreich (wie ich) dazu bereit, das Geld zu zahlen, um in Österreich wählen zu dürfen. Das wäre es dann gewesen. Ich sehe keinen anderen Vorteil darin, den österreichischen Pass zu bekommen. Hallo, wir leben in Europa und sind Mitglied der Europäischen Union!

Die Regierung will sich an ihren Taten messen lassen, das ist mehr als legitim. Wenn das die Taten sind, dann habe die Ehre! Egal, wo Menschen leben und welche Gesinnung sie haben: Im Frieden zusammenzuleben, sollte unser aller Grundbedürfnis sein. Landeshauptmann Arno Kompatscher und sein SVP-Parteiobmann Philipp Achammer wissen schon nicht mehr, wie sie sich winden sollen. Einen Europapass fordern sie, zuletzt auch zumindest die Ausweitung der österreichischen Passwürdigkeit auf italienischsprachige Südtiroler. Allein: Das ist eine zu weiche Position. Mehr Rückgrat können und wollen sie anscheinend nicht beweisen. Und lassen sich unnötig von "Südtiroler Freiheit" und Konsorten treiben. Wo steht eigentlich geschrieben, dass ein Volk nicht eigenständig über seine Zukunft entscheiden kann? Alte Leute geben sich im Gespräch verärgert über die neue Zündelei. Grundtenor: "Wir wollen keinen zweiten Pass. Wir wollen endlich unsere Ruhe." Und sie wollen nicht von außen aufoktroyiert bekommen, was am besten für sie ist.

Österreich ist die Schutzmacht der Südtiroler und sollte diese Funktion ernst nehmen und nicht anfangen, innerhalb der Volksgruppen vor Ort zu zündeln. Ein besonders schlechter Witz ist in diesem Zusammenhang der eigene Umgang mit Minderheiten. Was die Kärntner mit ihrer slowenischen Minderheit über die Jahrzehnte an Diskriminierung geboten haben - unter FPÖ-Regierungen -, wäre in Südtirol nicht möglich gewesen. Südtirol ist dem alten Heimatland Österreich zu Dank verpflichtet, umgekehrt gilt aber für Österreich, seine Verantwortung als Schutzmacht in erwachsener und ausgewogener Weise wahrzunehmen. Populismus war noch nie ein guter Ratgeber. Lasst die Menschen in Frieden leben, auch in diesem wunderschönen Flecken Land!

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