Eine Maut für Ausländer

Deutschland will Maut auf seinen Autobahnen einheben. Wir regen uns auf, weil wir als Ausländer diskriminiert werden

von Esther Mitterstieler © Bild: News/Ian Ehm

Kennen Sie den Spruch schon? "Das Ausland ist dort, wo du Ausländer bist." Deutschland ist ab 2019 für österreichische Autofahrer ein besonders teures Ausland. Was sich in den vergangenen Monaten im Namen der Maut, des Lieblingsprojekts der bayerischen CSU, abspielt, ist eine Niederlage der besonderen Art. Europa feiert seinen 60. Geburtstag, und den Deutschen fällt nichts Besseres ein, als eine Maut einzuführen, die sich gegen Ausländer richtet. Auf gut Deutsch: Es zahlen zwar alle Maut für die Nutzung deutscher Autobahnen, aber die deutschen Autofahrer werden über die Hintertür einer Steuererleichterung bevorzugt. Was Deutschlands Verkehrsminister Alexander Dobrindt da geritten hat, kann man bloß vermuten. Es kann wohl nur der populistische Drang gewesen sein, der ihn antrieb, weil "mir san mir", und die Ausländer sollen für die Durchfahrt mit ihren Karossen gefälligst blechen.


Das richtet enormen Schaden an. Besonders in den grenznahen Regionen wird die Ausländermaut Tourismus und Unternehmen empfindlich treffen. Anstatt Grenzen abzubauen, werden neue errichtet. Das schadet dem europäischen Gedanken ebenso wie den deutschen Steuerzahlern. Was hat die Stadt Trier davon, wenn sie damit rechnen muss, durch die Maut-Entscheidung etwa zehn Millionen Euro an Einnahmen von ausländischen Grenzbesuchern zu verlieren? Werden alle deutschen Autofahrer entlastet, bleiben die zusätzlich erwarteten Mauteinnahmen Makulatur. Das ist den Bayern herzlich wurscht. Es ist richtig und wichtig, dass Infrastruktur wie Straßen erhalten wird und dabei das Prinzip der Verursacher nicht vergessen wird. Wer fährt, soll zahlen. Das setzt Österreich mit seiner Vignette um.

Dass ein Ausländer mehr Maut zahlt, das widerspricht dem europäischen Gleichheitsrecht. Und darauf beruft sich der österreichische Verkehrsminister Jörg Leichtfried zu Recht. Die Klage möge gelingen! Zu wünschen ist freilich, dass Politiker aller Couleur in Sachen Maut grundlegend umdenken. Eine Vignette macht noch keinen Sommer. Die Diskussion um das Verursacherprinzip ist eine tiefschichtige: Wer fährt, soll bezahlen, und zwar kilometerabhängig. Das hat sich schon anderswo als gutes Vehikel zur Erhaltung der Autobahnen bewährt. In Italien gibt es sogar private Abschnitte, die wie ein Goldesel gehalten werden. Da könnte der Staat echtes Geld verdienen. Aber wir streiten miteinander über eine Ausländermaut.

Da wir schon beim Austausch nationaler Befindlichkeiten sind, könnten die Österreicher auch sagen: Es gibt rund 30.000 deutsche Studenten, die hierzulande studieren. Viele, weil sie im eigenen Land keinen Studienplatz bekommen haben. Die meisten schließen ihr Studium nicht in Österreich ab und sind in Warteposition, um so schnell wie möglich nach Hause zurückzukehren. Besonders krass ist der Fall bei Medizinstudenten. In Deutschland gibt es den Numerus clausus, in Österreich nicht. Kein Wunder, dass viele deutsche Mediziner hierzulande ausgebildet werden. Auf Kosten der österreichischen Steuerzahler. Sollen wir jetzt Studiengebühren einführen und sie per Bildungsscheck nur an österreichische Staatsbürger zurückzahlen? Das wäre dieselbe Diskriminierung, die jetzt österreichischen Autofahrern zuteil wird.

Europa, was ist bloß aus dir geworden? 60 Jahre ist doch kein Alter, um in Pension geschickt zu werden.