Bussi, Bussi - oder baba

Man kennt einander, man hilft einander. So läuft es oft. Geht die Sache schief, kommt der Superjoker zum Einsatz: "Das Land ist klein. Kann man nichts machen".

von Kathrin Gulnerits © Bild: News/Matt Observe

Die einen haben es schon immer gewusst. Für sie ist René Benko ein Hasardeur, ein Trickser, ein Immobilienjongleur mit Verkaufstalent. Die anderen ließen sich einfach beeindrucken. Von einer märchenhaften Karriere. Vom Wunderkind war die Rede, vom Wunderwuzzi sowieso. Ein Wort, das es nur in Österreich gibt. Der Durchbruch im Sprachschatz des Landes gelang 2013. Damals wurde Sebastian Kurz österreichischer Außenminister. Nicht immer gehen die Karrieren von gehypten Wunderwuzzis glorreich in die Geschichtsbücher des Landes ein. "Wunderwuzzi" ist ohnehin eine Zuschreibung, bei der man nie genau weiß, wie viel Bewunderung und Respekt oder eben auch Verachtung mitschwingt. Daher ganz ohne Häme: Die Sehnsucht nach Menschen, die groß zu denken wagen, ist verständlich. Noch dazu, wenn es "einer von uns" ist. Lange Zeit sorgte Benko mit spektakulären Deals für Aufsehen. Er kaufte das Chrysler Building und das Luxuskaufhaus KaDeWe. Eine Warenkette hier, einen Möbelhandel dort. Das macht etwas mit einem (kleinen) Land - und mit den Menschen, die sich in diesen Kreisen bewegen. Auch wie die Motten im Licht. Die Geschichte der Signa ist nicht nur eine Erzählung von Ruhm und Stolz, sondern auch von Neid, Missgunst und Schadenfreude. Genauso wie von Scheinmoral und Klüngelei. Von Täuschung. Von Gier und der scheinbar gänzlichen Abwesenheit von Vernunft - jetzt, da Benko entmachtet wurde. Und wo sich viele Fragen auftun. Gescheitert ist er an simplen Marktmechanismen. Zu viel Risiko. Zu viel Größenwahn. Ob er nur "zu riskant" war oder doch ein wirtschaftlicher Grenzgänger, wird sich weisen. Warum Investoren und Kontrolleure des Unternehmens das alles nicht genau hinterfragt haben, auch darauf wird es Antworten geben müssen. Dass die Signa-Gruppe jetzt in Existenznot ist, trifft übrigens nicht nur vermögende Investoren, die sich bewusst für das Geschäft "Rendite gegen Risiko" entschieden haben. Der größte Gläubiger von Kika/Leiner etwa war am Ende die Republik selbst. Jenes Unternehmens also, für das die damalige Regierung das zuständige Bezirksgericht aufsperren ließ und einen leitenden Beamten aus dem Urlaub zurückholte, um das Warenhaus zu retten und Benko den Kauf des ersten Kika/Leiner-Flagshipstores in Wien zu ermöglichen. "Serviceorientierte Verwaltung zur Rettung heimischer Arbeitsplätze" wurde das genannt. Eine "Serviceorientierung", die nicht von ungefähr kommt.

»Es braucht eine klare Vorstellung, wie Distanz in diesem Land funktionieren kann«

Wenn nämlich Benko zum Törggelen rief, kamen alle. Vom Bundespräsidenten abwärts. Benkos Geschichte ist folglich auch eine Erzählung über zu viel Nähe zwischen Wirtschaft und Politik. Ein Fotoschnappschuss vor der Wand mit dem Signa-Logo? Kein Problem. Für keinen Minister, keinen Unternehmer, keinen Chefredakteur. Professionelle Distanz beim Buhlen um die Gunst von einem, der es geschafft hat? Fehlanzeige. Dafür viel zur Schau gestellte unprofessionelle Vertraulichkeit. Ohne Genierer. Weil das macht man ja so. Und nicht erst seit Benko. Man kennt einander. Man hilft einander bei Bedarf. Gastgeber Benko brachte es 2019 freimütig auf den Punkt: "Das Schöne ist, dass alle - oder viele - was wollen. Früher war das umgekehrt." Geht die Sache schief, kommt hierzulande der Superjoker zum Einsatz: Das Land ist klein, da kann man eben nichts machen. Nun, die Größe des Landes ist gesetzt. Also braucht es endlich zumindest ein Gespür, wenn nicht gleich eine klare Vorstellung davon, wie Distanz funktionieren könnte. Wie Grenzen gezogen werden müssen. Wann genug genug ist. Die einen brauchen davon mehr, andere weniger.

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