Alles neu in
der Chefetage

Historische Veränderungen stehen an. Das Rauchverbot kommt, eine Frau soll das Zepter in der EU übernehmen - und Altkanzler Kurz entdeckt die Farbe Grün

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der Chefetage © Bild: News/ Matt Observe

Weißer Rauch, wohin man schaut: In der heimischen Gastronomie wird er sich ab November verziehen. Endlich. Auch in Brüssel ist er gestern nach tagelangem Taktieren und Diskutieren (man könnte es auch Hinterzimmerpolitik nennen) aufgestiegen: Die Nicht-Kandidatin Ursula von der Leyen soll Chefin der EU-Kommission werden. Zum ersten Mal seit den 50er-Jahren käme damit Deutschland in Brüssel zum Zug. Zum ersten Mal eine Frau. Letzteres ist erfreulich -und bedenklich. Eine historische Entscheidung, heißt es -und dabei schreiben wir das Jahr 2019 Die siebenfache Mutter wurde schon für viele Posten gehandelt: Nato-Generalsekretärin oder Bundespräsidentin. Auch als Merkel-Nachfolgerin war sie im Gespräch. Sie war Familienministerin, Arbeitsministerin, zuletzt Verteidigungsministerin -kompetent, anpackend, hemdsärmelig und gefühlt dauerlächelnd. Jetzt winkt der Topjob in Europa, sollte sie auch das Europaparlament von sich überzeugen -und darum wird sie in der übernächsten Woche hart kämpfen müssen. Von der Leyen ist eine zweite Wahl, eine Notlösung, ein Kompromiss mit Beigeschmack. Aber sie ist eine gute, eine richtige Wahl. Eine überzeugte Europäerin an der Spitze einer taumelnden, uneinigen EU-Staatengemeinschaft. Das ist keine schlechte Voraussetzung für diesen Job. Auch in Österreich wird gewählt - jetzt fix am 29. September. Davor zieht noch ein heißer Sommer ins Land, der im Wahlkampf endet und für den der eine oder andere jetzt nochmal rasch seine Kleiderwahl, genauer gesagt, die Kleiderfarbe überdenkt: Statt türkiser Socken ist das grüne (Deck-)Mäntelchen angesagt. Denn Klimaschutz ist plötzlich Chefsache für Altkanzler und Bald-wieder-Kanzler Sebastian Kurz. Und da er bekanntlich nicht an den kleinen, sondern Arme schwingend an den großen Rädern dreht, soll Österreich "Wasserstoffnation Nummer eins" werden. Für meinen Geschmack trägt er ein bisschen dick auf (im Mai waren 32 Wasserstoffautos zugelassen), aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Unternehmen, die an dieser Technologie forschen, winken 500 Millionen Euro an Förderungen - Verbund und OMV haben gleich mal angekündigt, den Bau einer elektrolytischen Wasserstoffproduktion zu prüfen.

Kurz muss Vorreiter spielen. Die Klimafrage (und die Antworten darauf) wird wahlentscheidend sein. Der Umstieg auf Wasserstoff allein wird uns nicht retten. Ein bisschen hier und ein bisschen dort auch nicht. Es braucht Ernsthaftigkeit, statt nur verbal auf "supergrün" zu machen. Es braucht Handlungen statt Ankündigungen: CO2-Steuer, Fahrverbote, Reform der Steuersubventionen. Andere Autos, weniger Autos. Und nicht: Klimaschutz ist prima, aber bitte nicht vor meiner Haustür. Eine Klimapolitik ohne Verbote oder Zwang, wie sie Kurz vorschwebt, wird nicht funktionieren. Eine, die immer nur dann an die "sozial Schwächeren" und "Menschen im ländlichen Raum" denkt, wenn es ums Autofahren geht, auch nicht. "Die Möglichkeit, nichts zu tun, ist uns genommen, weil der Wandel uns überrollen wird", sagt der deutsche Grünen-Politiker Robert Habeck. Und: "Wer uns wählt, weiß, dass sich damit Gravierendes ändert." In der "Sonntagsfrage" hat seine Partei die Nase vorn; in der Kanzlerfrage auch.

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