Sorry, dafür haben
wir keine Zeit mehr

Die Jugend gibt beim Klimawandel einfach keine Ruhe. Und die Großen? Die üben sich weiter in Stehsätzen und Alibihandlungen

von Leitartikel - Sorry, dafür haben
wir keine Zeit mehr © Bild: Matt Observe/Auftrag News

Und sie demonstrieren noch immer. Vielleicht nicht mehr ewig. Vielleicht nur bis zu den nächsten Ferien, um dann -ja, auch mit dem Flieger -in den Urlaub zu entschwinden. Die hochgezogenen Augenbrauen jener Kritiker, die die Fridays-for-Future-Proteste der Jugendlichen seit Beginn begleiten, werden ihnen auch diesmal sicher sein. Erst wird gemeckert, weil sie unbedingt in der Schulzeit demonstrieren müssen. Apropos: wie viele Unterrichtsstunden sind heuer schon ausgefallen, weil Lehrer krank und kein Ersatz parat? Und wo war da nochmal der Aufschrei? Und jetzt, wo sie weiter Freitag für Freitag ihre Schilder hochhalten, versucht man, sie persönlich in die Verantwortung zu nehmen: Na, was ist eigentlich dein Beitrag? Keine Sorge, den wird der ein oder andere schon leisten. Vielleicht sogar mehr, als so mancher "Großer". Das Thema Klimakrise bleibt so oder so, auch wenn die Leute, die sich gegen den Klimawandel einsetzen, dann doch nicht 100-prozentig konsequent in ihrem Verhalten sind. Und ja, sie verletzen die Schulpflicht. Aber was ist mit denen, die ebenso ihre Pflichten nicht wahrnehmen? Jenen, die politisch und wirtschaftlich an den Schalthebeln sitzen und irgendwie den Knopf in den "Tun-Modus" nicht finden? Für schöne, beschwichtigende Worte und "Ja-neinvielleicht"-Taten fehlt den jungen Leuten jedenfalls die Geduld. Und das ist gut so. "Sorry, dafür haben wir keine Zeit mehr", formuliert es cool und nüchtern die 22-jährige Luisa Neubauer, die Kopf der deutschen Bewegung ist. Und: "Der Klimawandel wartet nicht auf unseren Schulabschluss." VW-Boss Herbert Diess hat verstanden: "Die Leute haben jedes Recht, uns anzuzählen. Und sie haben die Autorität, uns anzuklagen." Na bitte, geht doch -und es geht noch ein bisschen mehr. Herzeigbare Ergebnisse müssen her. Doch da hält sich das Engagement in Grenzen. Okay, der VW-Chef (und Österreicher) mausert sich in diesen Tagen zum Umweltschützer. 100 Millionen seiner Autos fahren auf der Welt herum und sind für ein Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Bis 2050 soll der Prozentsatz runter auf null. Versprochen. Auf dem Genfer Autosalon.

Für viele anderen gilt eher die Devise "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?". Heißt: Österreich wird - genauso wie Deutschland -seine Klimaziele wieder mal verfehlen. Hierzulande ist der Treibhausgasausstoß zum vierten Mal in Folge gestiegen. Die Verfehlung der Pariser Klimaziele könnte Österreich Milliarden kosten. CO2-Zertifikate müssten beim Nichteinhalten zugekauft werden; Kosten in der Höhe von fünf bis zehn Milliarden Euro bis 2030 stehen im Raum. Hinzu kommt: Bereits jetzt kosten klimabedingte Schäden rund eine Milliarde Euro pro Jahr - Tendenz stark steigend.

Und was tun wir? Wir überlegen, Autos mit 140 km/h über die Straße zu schicken, setzen auf Anreize statt Verbote (also ein bisschen streicheln statt ordentlich schimpfen) und träumen davon -zumindest die Umweltministerin -, dass Häuser in kleine Kraftwerke umgebaut werden, die die Energie, die gebraucht wird, selbst produzieren. Ach ja, und wir protestieren, wenn mal wieder (und eh viel zu selten) eine Straße zu einer Fußgängerzone umgewandelt wird. Wo kommen wir auch hin, wenn etwa die (in Wien bestens ausgebaute) U-Bahn genutzt werden muss, statt bequem mit dem Auto von A nach B zu fahren?

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