Kinderlos, na und?
Mein Bauch gehört mir!

Autorin Janina Lebiszczak schreibt, wieso sie keine Kinder hat - und glücklich ist

Wahrscheinlich fiel meine Entscheidung, keine Kinder zu bekommen, schon lange bevor ich überhaupt an eine eigene Familie denken konnte. "Mama-Papa-Kind", so hieß das beliebteste Spiel in der Krabbelgruppe. Ich war drei Jahre alt und schon damals ziemlich renitent. Denn ich wollte der Hund sein. Oder vielleicht auch die Katze. Die Kindergartentante reagierte jedenfalls einigermaßen verblüfft auf meine Vorstellung von Familie.

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Leben - Kinderlos, na und?
Mein Bauch gehört mir!

Heute, fast vier Jahrzehnte nach besagtem Vorfall, hat sich an meiner Einstellung nicht viel geändert. Gut, ich möchte kein Haustier mehr sein. Wenn mir jedoch auf der Straße eine Familie mit Kinderwagen und Hund begegnet, stürze ich mich wie eine Besessene auf das Viech ("so ein Schöner, ja isser brav, brav isser!"), während die restlichen Adoranten das Wunder Mensch bestaunen. Im Büro bleibe ich teilnahmslos sitzen, wenn eine karenzierte Mum mit ihrem Nachwuchs anrückt. Der gesellschaftliche Druck ist groß. Ich habe versucht, mich den verzückten "Ahguzziguzzis" anzuschließen, die Babys auslösen. Aber ich kam mir dabei dann stets wie eine Heuchlerin vor.

Klar, ich mag die Kinder meiner Freundinnen - wahrscheinlich deswegen, weil sie nun eben die Kinder meiner Freundinnen sind. Und ich mag kleine Mädchen lieber als kleine Buben. Das war's auch schon mit mir und der Fortpflanzung.

Daher komme ich auch nicht in die Verlegenheit, sagen zu müssen: "Meine Familienplanung ist abgeschlossen." Denn Familienplanung war nie ein Thema. Zu keinem Zeitpunkt, nicht einmal als ich eine kurze, chaotische Ehe führte. Ich bin kein Baby-Grinch, kein Kinderhasser, keine champagnersaufende Egomanin. Ich bin auch nicht frustriert, weil sich mein wertvolles Erbgut im Sand der Geschichte verlieren wird. Ich habe ein autonomes Urteil getroffen. Es steht im Widerspruch zu dem, wie sich die Mehrheit verhält und was sie für richtig hält. Die Entscheidung, keine Kinder zu bekommen, macht mich allerdings nicht weniger zur Frau. Klar, wir wurden fast alle mit der biologischen Voraussetzung geboren, zu gebären. Aber nicht alle sind dazu bestimmt, Mütter zu sein. Ich definiere mich nicht darüber, ob ich Familie habe, und ich beurteile auch andere Frauen nicht danach. So simpel ist das. Von mir bleiben bloß meine Worte und meine Taten und meine zu Lebzeiten vermittelten Werte. Ein paar Katzenhaare in meiner Asche vielleicht. Das reicht völlig, finde ich.

Leider können sich nicht alle mit dieser Entscheidung anfreunden. Leider ist es immer noch kein gesellschaftliches No-Go, Frauen in ihre Gebärmutterschaft hineinzureden. "Jetzt hast du dich ja wohl ausgelebt","Du wärst eine tolle Mama" und das allseits beliebte "Es ist noch nicht zu spät!": solche Killerphrasen kommen in schöner Regelmäßigkeit, von Freunden, aber auch von Fremden. Eigenartig. Wie viel intimer kann ein Thema eigentlich noch sein? Allerdings, liegt es an meiner Beharrlichkeit oder an meinem fortschreitenden Alter, verstummen die Stimmen langsam.

Jennifer Aniston hat es da nicht so einfach. Als Hollywood-Star steht sie im Zentrum der Aufmerksamkeit und sogar ihre Fortpflanzungsorgane scheinen Allgemeingut zu sein. Sobald die 47-Jährige (!) ihre täglichen Fitnessübungen vernachlässigt und mit einem kleinen Bäuchlein abgelichtet wird, eskaliert die Klatschpresse. "ENDLICH SCHWANGER! ENDLICH GLÜCKLICH! IHR GRÖSSTER TRAUM GEHT IN ERFÜLLUNG!" Was für ein Bullshit. Die Schauspielerin tat also das, was viele tun: Sie ließ ihrem Ärger online freien Lauf. "Für das Protokoll, ich bin nicht schwanger. Ich habe die Nase voll", schrieb Aniston in einem viel beachteten Blog-Beitrag, der in der "Huffington Post" veröffentlicht wurde. In den vergangenen Monaten sei ihr klar geworden, wie sehr wir "den Wert einer Frau" darüber definierten, ob sie verheiratet sei und Kinder habe.

Haben Frauen einen Wert? Will uns die Menschheit nicht nur ins Maul schauen wie einem Gaul bei der Pferdeauktion, sondern zusätzlich in die Vagina? Ist da unten alles okay? Kommen da eh noch Kinder raus? Ihr habt das ja nicht nur zum Spaß! Irgendwie klingt das alles nach einer Sultansfantasie, nach längst vergessenen, dunklen Tagen. Doch wie dünn die Schicht Zivilisation ist, die unsere viel gerühmten Werte ummantelt, wird immer offensichtlicher. Ohne Scham wird in sozialen Netzwerken in einschlägigen Foren darüber diskutiert, ob es nicht gefälliger wäre, wenn ein Inländer, kein Ausländer eine Frau vergewaltigt. Immerhin: Unsere Frauen gehören uns! Und ihre Gebärmütter erst recht.

Unberührte Gebärmutter

Fernab von Hollywood, fernab von Österreich und seinen Untiefen geriet eine weitere Frau in Erklärungsnot, und zwar ausgerechnet eine, die nie ein Geheimnis daraus machte, dass sie mit ihrem Mann keine Kinder zeugen konnte. Ich betone: KONN-TE. Trotzdem wurde Theresa May, 59 und mittlerweile Großbritanniens Premierministerin, angegriffen. Noch dazu von einer Frau, ihrer Konkurrentin Andrea Leadsom, dreifache Mutter. In einem Interview mit der "Times" sagte Leadsom über die damalige Innenministerin May: "Sie hat Nichten und Neffen und sicherlich viele Verwandte, aber ich habe Kinder, und die werden Kinder haben." Sie selbst sei also gewissermaßen eine Teilnehmerin an der Zukunft des Landes, während "Theresa sicherlich traurig ist über ihre Kinderlosigkeit".

Ein paar Tage lang brodelte die gelbe und auch die seriöse Presse, dann zog sich Leadsom freiwillig zurück. An der Spitze der gebeutelten britischen Nation steht jetzt May, mit ihrer unberührten Gebärmutter, und kann nicht wie ihr Vorgänger David Cameron bei jeder Gelegenheit Frau und Nachwuchs in die Kameras halten, um dem Volk zu gefallen: Sehet her, die Frucht meiner Lenden. Was für ein Bullshit.

Weder einsam noch elend

"Es ist die Gesellschaft, die entscheidet, dass Frauen Kinder wollen, wollen sollen", sagte Orna Donath, Autorin der israelischen Studie über bereuende Mütter, die eine Welle der Empörung, aber auch der Zustimmung auslöste. Mit dem Hashtag "#RegrettingMotherhood" versehen, toben auf sozialen Netzwerken seitdem heftige Debatten. Doch der Druck kommt von allen Seiten: Denn jenen Müttern, die sich alleine der Hege und Pflege des Nachwuchs widmen, wird vorgeworfen, zur Kampfmama zu mutieren, zur Glucke, die keine anderen Interessen pflegt.

Will eine Mutter zurück in den Job, erlebt sie oft ein Downgrading, viele bekommen keine interessanten Projekte mehr, wenn sie Teilzeit arbeiten. "Frauen sind dann finanziell stark abhängig von ihrem Partner", schreibt die Autorin Annika Joeres in ihrem Buch über das Familienglück der Franzosen "Vive la famille". Dazu käme noch der Anspruch, dass eine Mutter letztlich 24 Stunden am Tag um ihre Kinder kreisen müsse.

Dann wären da noch die unartigen freiwillig Kinderlosen, zu denen ich mich zähle. Wie man's macht, macht man's falsch - dabei sollte das Mutter-Kind- oder das Mutter-kein-Kind-Verhältnis doch eigentlich Privatsache sein. "Meine Frau bleibt als Mutter zu Hause", dröhnte die singende Lederhose Andreas Gabalier im Vorjahr. Und Politiker Andreas Khol prognostizierte wenig später: "Wo schicke Selbstverwirklichung versprochen wird, bleiben Einsamkeit und Elend im Alter." Bitte - give me a break.

"Mein Bauch gehört mir", diese Parole wurde von der Frauenbewegung einst benützt, um das Recht auf Abtreibung in der öffentlichen Debatte einzufordern. Vielleicht sollten wir sie wieder in unseren Sprachgebrauch inkludieren; samt neuer Bedeutung.

Mein Bauch jedenfalls gehört mir. Ich bin weder einsam noch elend, ich bin froh darüber, nicht die Frau von Andreas Gabalier sein zu müssen, und ich wäre für ein politisches Amt ebenso geeignet oder ungeeignet wie die medienbekannte US-amerikanische Achtlingsmutter "Octomom".

Ich bin keine Sensation. Und ich bin auch kein öffentliches Gut. Ich bin einfach eine Frau. Ohne Kinder. Eine glückliche Frau.

© Stefan Joham

Zur Person: Die freie Journalistin, Autorin und Kolumnistin wurde 1975 in Wien geboren. Sie war Leute-Redakteurin bei News, stellvertretende Chefredakteurin der "Wienerin", arbeitete für ATV und RTL und schreibt jetzt für "Maxima" und "Seitenblicke Magazin". Als "Pandora" schrieb sie in News über Sex. Ihre Kolumnen sind in zwei Büchern erschienen.

Kommentare

Liebe Frauen, auch Männer werden gefragt, wann sie endlich eine Frau finden und eine Familie gründen. Sich einfach ein bisschen weniger wichtig nehmen, die meißt gutgemeinten und harmlosen Fragen Anderer weniger persönlich und der ganze Artikel wäre uns erspart geblieben. Wenn man sich wegen einer (Kinder)frage gestört fühlt, soll man halt auf eine einsame Alm

Ivoir
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Es ist ein seit ewiger zeit der Druck der Evolution, verantwortlich zu sein für den Fortbestand der menschlichen Rasse sowie seiner eigenen hoch gerühmten Ahnentafel. Nicht wenige endeten auf dem Scheiterhaufen, lenkten ihre Schritte in die Wellen, sprangen von hohen Klippen oder öffneten ihre Venen um diesem Druck zu entfliehen.

Ivoir
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Habt keine Angst Euer Leben so zu gestalten wie es Euer Wunsch ist. Keine Angst der Fingerzeiger, die Welt würde aussterben. Also wie ist es? Ein glückliches frohes Leben für ungewolltes Leben eintauschen oder sich dem Druck bzw. Verlangen seines Äußeren Umfeldes und seines Inneren beugen.

Wind80 melden

Amen!
Und zum Thema Fingerzeiger / Aussterben der Menschheit: Es kommt mir schon vor dass man die Weltbevölkerung mit den Kurs einer Aktiengesellschaft vergleicht -> "Wachstum! Wachstum! Es müssen immer mehr werden!" ..mann.. dass die Erde nicht unendlich groß ist und dass es bereits jetzt schon knapp mit den Ressourcen wird ist wohl sekundär...

Susanne Wiegele

Was ich an der Kolumnistin so mag: Sie ist witzig, unterhaltend - UND, wenn sie sich mit ernsthaften Themen beschäftigt, ist sie noch um ein Stück besser.
Ich kenne beide Seiten - als ewig Kinderlose und dann als Spätgebärende (ein größerer Zufall). Ah ja, die Reinkarnation: Gibt eh genug Viechzeug...die meisten Menschen haben ja gar keine Reinkarnation als Mensch verdient :-)

Iris Machtinger
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Volltreffer! Ich kann die mitleidigen Blicke und das zwangsläufige "naja, du bist ja noch jung, das kann ja noch werden" auch nicht mehr hören! Ich will doch gar nicht, dass es wird! Warum unterstellt man kinderlosen Frauen immer, sie wären unglücklich (Männer hingegen sind nur freiheitsliebend oder "noch nicht soweit"...?)

Janina Lebiszczak
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man unterstellt ihnen entweder unglücklich oder fies zu sein. kaum jemand kann sich vorstellen, dass der dienst an der gesellschaft, das vermitteln von werten ausserhalb der eigens gegründeten familie passieren kann. aber genau da wird es tricky, denn zu menschen gütig und offen zu sein, die nicht blutverwandt sind, ist eine grosse challenge.

Roland Mösl
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Wenn jeder so dächte, gäbe es für das nächste Leben bald zuwenig Körper für die Reinkarnation. Es verletzt daher den Generationenvertrag der Reinkarnation genügend neue Körper bereit zu stellen.

Gabe Hcuod
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Jedes zusätzliche Gramm Mensch verdrängt ein Gramm tierischen Lebens auf dem Planeten.

gleichistgleich melden

Diesem Artikel kann bzw. muss man zustimmen. Allerdings: Wo bleiben die verpflichtenden Sozialmonate (als Ersatz für den Präsenzdienst) ?? Aus dem 'ich könnte ja .....' darf man nämlich auch keinen Vorteil gegenüber einem Mann ziehen !! Und Gott sei Dank fällt die Authorin nicht mehr in die 'ich gehe früher in Pension weil wir Kinder bekommen könnten'-Generation !!

Janina Lebiszczak
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berechtigte frage! ich leiste meine sozialmonate quasi freiwillig ab :) weil ich menschen ja liebe ... und der gesellschaft etwas zurück geben möchte.

Elgar M. Zeisel
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Obwohl ein Mann mittleren Alters, habe ich Ihren Artikel mit Freude und großer Zustimmung gelesen. Männern geht es im Prinzip genauso, wie Ihnen. Ich ernte oft Kopfschütteln, wenn ich erwähne, daß ein Gutteil meiner nahezu immer perfekten Laune meiner Kinderlosigkeit zu verdanken ist.

Wind80 melden

Auch von mir volle Zustimmung.
Als glücklich verheirateter Mann, mit einer wundervollen Frau aber ohne Kinder bekommt man auch oft Fragen zum Thema "wann's endlich soweit ist" - Viele können es einfach nicht fassen dass es uns in unserer Zweisamkeit einfach gut geht, dass wir beide keinen Wunsch nach mehr verspüren, und dass wir unser Leben nicht unbedingt ändern oder komplizierter mache wollen.

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