Wie wir den Lebensfallen entkommen

Es gibt Verhaltensmuster, die wir uns bereits in unserer Kindheit eingeprägt haben. Das kann später zu Unzufriedenheit und psychischen Problemen führen. Psychologin Sabine Viktoria Schneider erklärt, warum das passiert und wie wir mit diesen Lebensfallen umgehen sollten.

von Psychologie - Wie wir den Lebensfallen entkommen © Bild: Getty Images/Phil Leo/Michael Denora

Die Unzufriedenheit ist groß und die Gedanken kreisen unaufhörlich um Fragen wie "Warum passiert das ausgerechnet immer mir?" oder "Was stimmt mit mir nicht?". Trifft das auf Sie zu, sind Sie möglicherweise in einer Lebensfalle gefangen.

Sabine Viktoria Schneider, Psychologin und Schemacoach, ist überzeugt: "Jeder von uns hat mindestens eine Lebensfalle in sich. Denn selbst, wenn wir die großartigsten Eltern haben, unser gesamtes Umfeld von Familie, Freunden, Lehrern und Mitschülern prägt uns."

Im Laufe seines Leben erlebt man immer wieder unangenehme Momente. Schon eine unbedachte Äußerung kann ausreichen, um deutliche Spuren zu hinterlassen. Wird etwa jemand wegen seines Übergewichts gehänselt oder wegen einer falschen Aussprache beim Referat ausgelacht, hat das möglicherweise langfristige Folgen. Denn, erklärt Schneider: "Wir tauchen dann in Muster ab, um uns künftig vor diesen Situationen zu schützen."

Rückzug oder Überkompensation

Jede Person hat ihren Grundcharakter. Doch durch diese Lebensfallen passiert es, dass wir uns davon wegbewegen. Die Reaktionen darauf sind unterschiedlich. So zieht sich der eine zurück und versucht damit, diese Situationen künftig zu vermeiden, während ein anderer seine Unsicherheit durch Überkompensation überspielt. Eine weitere Möglichkeit ist es, diese Umstände einfach zu erdulden.

Durch diese in solchen Situationen entstandenen Muster und den damit einhergehenden emotionalen Stress ist die Gefahr für psychische Probleme groß. "Das Ziel ist es, ein gesunder Erwachsener zu sein, der weiß, was ihm guttut und was schlecht für ihn ist. Ein gesunder Erwachsener bekommt daher beispielsweise auch kein Burnout", sagt die Psychologin. Schließlich wisse er genau, wo seine persönlichen Grenzen liegen.

Zwölf Lebensfallen

Nicht jedem Menschen bereiten die Lebensfallen Probleme. Viele können sogar gut damit leben. "Aber man verzichtet doch auf viel Schönes, wenn man etwa keine Emotionalität zulässt", so Schneider.

Meist ist es die eigene Unzufriedenheit, durch die sich die Lebensfallen bemerkbar machen. "Weiß ich zum Beispiel, ich könnte mehr aus mir machen, aber traue mich nicht, oder ordne ich mich bei einem Streit immer unter", erklärt Schneider, dann sei es Zeit, nach der Ursache zu forschen. Und dabei stelle sich oft heraus, dass es sich eben um eine Lebensfalle handelt, in der man emotional gefangen ist.

In ihrem Buch, das eine "Inspiration zur Selbstreflexion" sein soll, beschreibt Sabine Schneider die zwölf wichtigsten Lebensfallen von Verletzbarkeit über Misstrauen und Manipulation bis hin zu Versagen. Es werden die Ursachen dafür erklärt, die meist in der Kindheit zu suchen sind. Mittels Fragen ist es möglich, sich selbst zu überlegen und sich darüber klar zu werden, ob die jeweils beschriebene Lebensfalle auf einen selbst zutrifft. Denn laut Schneider gibt es zwei Möglichkeiten: "Entweder leben wir so weiter wie bisher und tapsen in die Fallen oder wir erkennen diese, arbeiten an uns und sind offen dafür, einen neuen Weg zu gehen."

Die eigene Unzufriedenheit bekämpfen: Psychologin Sabine Viktoria Schneider beleuchtet in "Raus aus dem emotionalen Kindergarten"* zwölf Lebensfallen und zeigt auf, wie man aus diesen wieder herauskommt.

Die eigenen Stärken fördern

Da die Ursachen der meisten Lebensfallen in der Kindheit liegen: Was sollten Eltern beachten, damit der eigene Nachwuchs nicht ebenfalls in diese gerät?

Wichtig sei es, ein Kind basierend auf dessen eigenen Stärken zu erziehen, es nicht zu verunsichern und nicht in Schubladen hineinzuzwängen, so Schneider. Ein Kind mit seinen eigenen, persönlichen Lebensträumen müsse so akzeptiert werden, wie es ist. Ein Fehler wäre es hingegen, den eigenen Lebenstraum, den ich mir nicht erfüllt habe, durch das Kind verwirklichen zu wollen, erklärt die Psychologin.

So sind es oft gut gemeinte Dinge, die sich später negativ auswirken können: "Ich fördere zum Beispiel das Spielen eines Instruments, weil das Kind gut darin ist. Aber ich frage nie, ob es ihm auch Spaß macht." Die Folge: Es wird zwar gut darin, aber nicht zufrieden damit.

»Ein Kind muss das Terrain zur Verfügung gestellt bekommen, um auszuprobieren, was ihm Spaß macht«

"Ein Kind kann nur ein gesunder Erwachsener werden, wenn es das Terrain zur Verfügung gestellt bekommt, ausprobieren zu können, was ihm Spaß macht und was nicht", weiß die Psychologin.

Dazu gibt es Sätze, die es zu vermeiden gilt: "'Du bist so wie deine Mutter oder dein Vater' zu einem Kind zu sagen, ist nicht gut", stellt die Psychologin klar. "Ebenso wenig sollte man Erwartungen aussprechen wie: 'Du wirst bestimmt einmal ein Arzt wie dein Vater.'"

In vier Schritten heraus aus der Falle

Kommt das Bewusstsein für die Lebensfalle und ist klar, in welcher man feststeckt, so ist das ein erster Schritt, um wieder herauszukommen. Das ist natürlich nicht immer ganz einfach und wird nicht von heute auf morgen gelingen. Sabine Schneider beschreibt dazu nach der "Vier-Schritte-Regel", wie man sich wieder aus der Falle befreien kann - um so die eigene psychische Gesundheit zu verbessern und ein zufriedenerer Mensch zu werden.

Der Beitrag erschien ursprünglich im News 19/2022.

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