"Weg vom Erfolg des Einzelnen und hin zum Erfolg des Teams"

Das ist der Ansatz von kollaborativer Führung. Zwei Expertinnen erklären das Konzept

Welche Führung braucht ein Unternehmen heute, um erfolgreich arbeiten zu können? Eine, die auf Zusammenarbeit setzt und die MitarbeiterInnen und deren Fähigkeiten ernst nimmt, finden die Beraterinnen Katrin Glatzel und Tania Lieckweg und erklären ihren Ansatz des "Collaborative Leadership" - und warum Frauen dafür besser geeignet sind.

von Führungsteam © Bild: iStockphoto

News.at: Was ist Collaborative Leadership?
Katrin Glatzel und Tania Lieckweg: Die Veränderung von Führung, die wir aktuell beobachten, lässt sich als eine Veränderung in Richtung von mehr Kooperation, mehr Verständigung, mehr Abstimmung, mehr Einbeziehung, mehr Vermittlung verstehen. Ein Verständnis von Führung, das auf „Collaboration“ setzt, geht weg vom Erfolg des Einzelnen und hin zum Erfolg des Teams oder der Community. Unter Bedingungen von Komplexität ist Führung nur als Mannschaftsleitung und als Systemfunktion zu verstehen. Denn ein einzelner kann die vielen Perspektiven, die notwendig sind, um komplexe Situationen zu bearbeiten, nicht aufbringen.

Gibt es dabei ein Führungs-Team oder stehen alle MitarbeiterInnen auf gleicher Ebene?
Es gibt auf jeden Fall noch ein Führungs-Team. Uns geht es um die Ausgestaltung von Führung in Richtung Zusammenarbeit. Es geht also darum, wie Zusammenarbeit im Unternehmen ermöglicht wird.

Wieviele Mitglieder hat so ein Führungs-Team im Optimalfall?
Fünf ist eine gute Zahl. Es gibt engen Kontakt, Austausch und die Notwendigkeit zur Beziehungspflege.

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Welche Vorteile hat diese Art der Führung?
Collaborative Leadership ermöglicht Mitgestaltung, ist motivierend, nutzt das Wissen und die Ideen in der Organisation und nimmt möglichst viele Menschen mit.

»Das bedeutet konkret, dass die Perspektive eines jeden einzelnen im Team von Bedeutung ist. «

Wie wirkt sich dieser Führungsstil auf MitarbeiterInnen aus? Was verändert sich?
In unserem Verständnis geht es vor dem Hintergrund der Veränderungen, die sich zusammengefasst als Digital Age beschreiben lassen, heute darum, „collaborative leadership“ auf eine Weise auszugestalten, dass Experten, Kreative, Entscheider*innen, Manager*innen und Führungskräfte so wirksam werden können, dass sie die Chancen der Komplexität nutzen und einen Beitrag zur Entstehung eines neuen Ganzen leisten können. Das bedeutet konkret, dass die Perspektive eines jeden einzelnen im Team von Bedeutung ist. Die damit einhergehende Verantwortung kann für manche Mitarbeiter*innen eine große Herausforderung darstellen. Für Führung bedeutet es, die Mitarbeitenden und Teams dazu zu befähigen, diese Verantwortung zu übernehmen. Dabei geht es nicht um ein „Mehr“, sondern vielmehr um eine andere Form der Zusammenarbeit.

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Was sind vielleicht auch die Nachteile?
Man muss viel Zeit und Energie in diese Führung investieren – das empfinden manche Führungskräfte als Nachteil.

Durch Collaborative Leadership entsteht mehr Vielfalt und Austausch – könnte das auch zu einer gewissen Schwerfälligkeit führen?
Ein agiles Set-up für die Zusammenarbeit hilft, hier die Geschwindigkeit zu halten.

»Die Zukunft gehört einer Führungskultur, die sich nicht auf einzelne Meinungen und einzelne Stärken verlässt. «

Warum sind Frauen für diese Form der Führung besser geeignet? Was können sich Männer hier abschauen?
Die Zukunft gehört einer Führungskultur, die sich nicht auf einzelne Meinungen und einzelne Stärken verlässt. Auch weil das schlichtweg zu riskant ist. Möglichst viele Kolleginnen und Kollegen in einem Unternehmen sollten daran arbeiten, Dinge zu verbessern und Verantwortung zu übernehmen – und zwar im Team, als Teil eines Netzwerks. Und dies fällt Frauen ganz offensichtlich leichter. Sie sind es gewohnt, sich abzustimmen.

Sind Frauen durch Skills wie Zuhören, für Konsens zu sorgen,… generell die besseren Führungspersonen?
Frauen sind anders sozialisiert als Männer. Sie sind es gewohnt, sich auf andere einzustellen und sie müssen nicht immer im Mittelpunkt oder gar vorne stehen. Frauen sind vielleicht nicht die besseren Führungskräfte in allen Kontexten und allen Situationen, aber es fällt ihnen leichter, einen kollaborative Führung aufzubauen.

Wie aufgeschlossen stehen Unternehmen diesem Modell gegenüber? Auf welche Schwierigkeiten/Herausforderungen treffen Sie bei der Umsetzung?
Viele Unternehmen sind auf der Suche nach neuen Ansätzen, da die Mitarbeiter erwarten, dass sie einbezogen werden.

Gibt es bekannte „best practice“-Beispiele?
Wir sehen eine Reihe bekannter Persönlichkeiten, die sich explizit zu einem Collaborative Leadership bekennen. Da ist beispielsweise Lorna Davis, früher Top-Managerin bei Danone. Heute ist sie Board-Member bei B Lab, einer Unternehmer*innen-Vereinigung, die Unternehmen zertifiziert, die sich für ein nachhaltiges Wirtschaften einsetzen. Der TED-Talk von Lorna Davis zum Thema Collaborative Leadership erreichte ein Millionen-Publikum.

Ein anderes bekanntes Beispiel ist Antje von Dewitz, Chefin von Vaude. Von Dewitz ist ein beeindruckendes Beispiel einer Frau, die kollaborativ führt: Vertrauen in die Mitarbeiter*innen steht bei ihr ganz oben. Eine emotionale Vision in der Führungsarbeit zu nutzen, ist ihr sehr wichtig.

Ist der Führungsstil für jedes Unternehmen anwendbar?
Grundsätzlich: ja. Es ist eine Frage der Haltung.

»Für den Anfang braucht es nicht viel«

Welche Tipps würden Sie Unternehmen mit auf den Weg geben, die in diese Richtung umstrukturieren möchten?
Für den Anfang braucht es nicht viel: eine Reihe (oder noch besser: ein Team) von Führungskräften, die offen, neugierig und davon überzeugt sind, dass jetzt der richtige Zeitpunkt dafür ist, Führung neu zu denken. Diesen Personen würden wir dazu raten, sich mit den Inhalten der 4C auseinanderzusetzen und Ihre Herangehensweisen für die Themen „Contribution“, „Creativity“, „Consent“ und „Communication“ zu entwickeln.

»Es zeichnet sich deutlich ab, dass es ein komplettes Zurück aus dem Home-Office nicht geben wird.«

Besteht auch die Gefahr, dass, in Zeiten des Remote-Arbeitens, durch diese Art der Führung und eventuellen Zustängikeits-Unklarheiten alles noch chaotischer wird?
Eigentlich nicht. Die remote Zusammenarbeit in Teams entlang einer kollaborativen Führung ist sehr strukturtiert und basiert auf einem engen Austausch und Kontakt. Gegenwärtig finden in fast allen Organisationen Aushandlungsprozesse dazu statt, wie die Kombination aus Home-Office und Präsenz-Arbeit im Büro künftig gestaltet werden soll. Dabei zeichnet sich deutlich ab, dass es ein komplettes Zurück aus dem Home-Office nicht geben wird.

glatzel und lieckweg
© Jonas Friedrich 2020 Katrin Glatzel und Tania Lieckweg

Über Katrin Glatzel und Tania Lieckweg:
Dr. Katrin Glatzel und Dr. Tania Lieckweg sind seit über zehn Jahren in der Organisations- und Unternehmensberatung tätig. Gemeinsam haben Wirtschaftswissenschaftlerin Glatzel und Soziologin Lieckweg das 2020 im Haufe-Verlag erschienene Buch „Collaborative Leadership“ verfasst. Mit dem von ihnen entwickelten 4-C-Modell weisen sie Führungskräften den Weg zur Entwicklung einer teambasierten Zusammenarbeit und Führungskultur. Grundlage der Publikation sind neben der jahrelangen Erfahrung in der Organisationsentwicklung eine umfassende Analyse amerikanischer Erfolgs-Unternehmen wie Google und Spotify.