Die Law&Order-Politik
von Sebastian Kurz

Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache wollen die Strafen für Sexual- und Gewaltdelikte erhöhen. Sie fordern eine Verschärfung des erst im Vorjahr in Kraft getretenen Strafrechts. Was es mit der Law-and-Order-Politik der neuen Regierung auf sich hat und warum es um die gefühlte Sicherheit oft schlechter bestellt ist als um die echte.

von
Strafrecht - Die Law&Order-Politik
von Sebastian Kurz

Die Regierung hat eine spezielle Task Force angekündigt, die sich um die Umsetzung der angekündigten Strafrechtsreform kümmern soll. Wir erinnern uns zurück an den Wahlkampf: Im August 2017 forderte Sebastian Kurz eine Verschärfung des Strafrechts. Das wäre an sich nichts Ungewöhnliches, wenn nicht bereits 2016 eine umfassende Strafrechtsreform in Kraft getreten wäre, die genau diesem Anliegen Rechnung getragen hat.

Reform 2016: Strengere Strafen

Im Zuge dieser Reform wurden mehr als 200 Tatbestände überarbeitet, um ein ausgewogeneres Verhältnis der Strafen von Gewalt- und Vermögensdelikten zu schaffen. Vermögensdelikte werden seit 1. Jänner 2016 somit deutlich milder bestraft während die Strafdrohungen für Gewalttaten stark erhöht wurden. So hat sich etwa die Strafdrohung für Körperverletzung auf bis zu zehn Jahre verdoppelt. Dennoch ist eine weitere Strafverschärfung bei Gewalt- und Sexualdelikten das vordringlichste Ziel der neuen Regierung im Justizbereich. Die Reform von 2016 reiche nicht aus und weitere Maßnahmen seien notwendig. Die geplanten Änderungen sollen noch höhere Mindeststrafen bei Sexualdelikten und Gewalt gegen Frauen und Kinder bringen.

»Mehr Sicherheit für alle Menschen in unserem Land«

Von „effektiver Verbrechensbekämpfung“, „neuen Gefahren“ und „Bedrohungen“ ist im Regierungsprogramm zu lesen. Gefordert wird „mehr Sicherheit für alle Menschen in unserem Land“. Dasselbe Land wird im ersten Satz des Kapitels „Innere Sicherheit“ übrigens als „besonders sicher“ bezeichnet. Belegt werden kann dies auch durch die neue Kriminalitätsstatistik, die besagt, dass die Kriminalität in Österreich im Jahr 2017 deutlich gesunken ist.

Opposition skeptisch zu weiterer Verschärfung

Demensprechend skeptisch fallen auch die Reaktionen bei der Opposition aus. SPÖ wie auch NEOS plädieren dafür, dass zunächst die Auswirkungen der letzten Reform evaluiert werden sollten bevor nächste Schritte gesetzt werden. Rückendeckung bekommen sie von dem Strafrechtswissenschaftler Alois Birklbauer von der Uni Linz. Er meint, für eine umfassende Evaluierung, würde es einen Zeitraum von drei Jahren brauchen. Jänner 2018 sei daher noch zu früh für weitere Verschärfungen.

»Nach der großen Strafrechtsreform gleich wieder Änderungen vorzunehmen ist nicht sinnvoll.«

Ähnlich sieht das auch Richter-Präsidentin Sabine Matejka. Nach der großen Strafrechtsreform gleich wieder Änderungen vorzunehmen – ohne diese jedoch vorher evaluiert zu haben – erachtet sie als nicht sinnvoll. Und die Liste Pilz ortet im Koalitionsvorhanden lediglich den „Versuch eines Imagegewinns“.

Neben der geplanten Strafrechtsreform umfasst das Kapitel „Inneres und Justiz“ zahlreiche Verschärfungen im Asylrecht sowie ein eigenes Sicherheitspaket. So soll die Polizei künftig mehr Personal bekommen und bis 2019 2.100 zusätzliche Planstellen geschaffen werden.

„Gefühlte Sicherheit“: Überschätzung der Gefahr von Gewalt

Von „Law and Order“, zu Deutsch „Gesetz und Ordnung“ ist dann die Rede, wenn Parteien mehr Härte bei der Bekämpfung von Kriminalität fordern. Oft wird dabei ein Szenario der „permanenten Bedrohung“ erschaffen. Bei den Bürgern und Bürgerinnen entstehen so diffuse Ängste vor überbordender Kriminalität, die durch Medien, welche in ihrer Berichterstattung den Themen Terrorismus und Gewalt exzessive Aufmerksamkeit erteilen, noch zusätzlich verstärkt werden. Nicht ohne Grund weist der Begriff des „Sicherheitsgefühls“ eine semantische Nähe zu „Kriminalitätsfurcht“ auf.

Es entsteht das Gefühl, dass die öffentliche Sicherheit massiv gefährdet sei und Kriminalität immer stärker steige. All das führt zu einer Überschätzung der Gefahr von Gewalt und kann dazu beitragen, dass die Forderungen nach drastischeren Gesetzen und harten polizeilichen Maßnahmen zur Bekämpfung von Kriminalität zunehmen. Aufstockung von Sicherheitspersonal zählt hier ebenso dazu wie die Überwachung von Bürgerinnen und Bürgern.

Ursachen werden ausgeblendet

Zu beachten gilt hier allerdings, dass sich die „Law-and-order-Maßnahmen“ immer nur gegen öffentlich wahrnehmbare Symptome von Gewaltkriminalität richten. Besonders harte Strafen werden daher etwa bei Sexualdelikten verlangt, also bei Taten, die in der Öffentlichkeit starke negative Emotionen auslösen. Die der Kriminalität zugrundeliegenden Ursachen werden dabei oft ausgeblendet und lediglich „sichtbare“ Symptome bekämpft. Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die einseitige Betonung von Sicherheit, durch die Grundrechte wie etwa Datenschutz eingeschränkt werden können.