Hinter den Kulissen:
Angelina Jolies Scheidungsanwältin

Mel Gibsons Exfrau wurde mit ihrer Hilfe 425 Millionen Dollar reicher. Im Moment vertritt Hollywoods Scheidungsprofi Laura Wasser Angelina Jolie bei der Trennung von Brad Pitt. In der Branche nennt man sie "Pit Bull". Im Gespräch ist sie herzlich und pragmatisch.

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Laura Wasser - Hinter den Kulissen:
Angelina Jolies Scheidungsanwältin

In der Nacht vor meinem Treffen mit Laura Wasser war ich nur einen Klick von meiner Scheidung entfernt. Irrtümlich. Hollywoods "Scheidungs-Queen" hatte nämlich die raffinierte Idee zur Scheidungs-App "It 's Over Easy", die den ebenso schmerzhaften wie mühsamen Prozess auf fünf einfache Schritte reduziert. Sind keine Kinder betroffen, sind es sogar nur vier Schritte. Die Online-Scheidung gibt es zum Schnäppchenpreis ab 750 US-Dollar. Das entspricht etwa Laura Wassers üblichem Stundenhonorar. Die Liste von Wassers Klienten liest sich wie das Who's who von Hollywoods Red-Carpet-Events. Der Scheidungsprofi vertrat Angelina Jolie, als sie sich von Billy Bob Thornton trennte, und steht ihr nun bei der Scheidung von Brad Pitt bei. Für Mel Gibsons Exfrau holte sie einst 425 Millionen Dollar Abfindung. Zweimal vertrat Wasser Stevie Wonder. Auch Maria Shriver, Britney Spears, Melanie Griffith, Mariah Carey, Kiefer Sutherland, Johnny Depp und Heidi Klum zählen zu ihren Klienten. Als derart verschwiegen gilt die 49-Jährige, dass oft nicht einmal die Partner ihrer Kanzlei wissen, wessen Ehe sie gerade einem Ende zuführt. Selten vertritt sie Klienten, deren Vermögen unter zehn Millionen US-Dollar liegt. Immerhin verlangt Wasser als Vorschuss 25.000 Dollar.

»Solange Menschen Geld haben, über etwas zu streiten, tun sie es auch«

Das Online-Scheidungswerkzeug, das ich zu Recherchezwecken ausprobiere, ist hingegen so günstig und einfach zu bedienen, dass ich mich nach einigen wenigen Fragen schon am Ziel befinde. "Möchten Sie nun die Scheidung einreichen?", fragt die App lapidar. Wasser lacht, als ich ihr erzähle, wie sie beinahe meine Ehe zum Absturz gebracht hätte. "Als ich die Idee zur Onlinescheidung hatte, sagten viele, eine Scheidung dürfe einem nicht so einfach gemacht werden. Aber was Menschen bei einer Scheidung durchmachen, ist ohnehin schwierig. Da möchten sie nicht auch noch viel Geld für Anwälte ausgeben und als surreale Erfahrung mit wildfremden Menschen das Scheitern ihrer Ehe diskutieren müssen. Man kauft online ein, findet online Dates, also warum nicht auch in der Unterwäsche auf der Couch sitzen und sich scheiden lassen?"

Große Egos als Problem

Laura Wasser in ihrem Büro der Kanzlei Wasser, Cooperman & Carter in Beverly Hills, Kalifornien, zu treffen, ist dennoch eine deutlich ansprechendere Erfahrung als das Bedienen einer App. Die dunkelhaarige zweifache Mutter ist hinreißend glamourös. Ihre fitnessgestählten Beine wirken hinter dem riesigen Glasschreibtisch noch länger, als sie ohnehin sind. Die langen Haare sind perfekt gestylt wie die ihrer Kundinnen auf dem roten Teppich. Nur das ironische Lächeln, das ihren Mund umspielt, und die Herzlichkeit im Auftreten sind selten in dieser Stadt und diesem Umfeld. Beides beruhigt vermutlich die Stars, die hierherkommen, um einen langwierigen öffentlichen Rechtsstreit gegen eine Person anzufangen, die sie wenige Wochen zuvor noch auf irgendeiner Bühne "mein Alles" genannt haben.

Den gängigen Star-Klischees entspringt vor allem eine Frage: Sind Berühmtheiten pathologisch unfähig eine glückliche Ehe zu führen? "Ich denke ganz ehrlich, dass wir das verzerrt wahrnehmen, weil wir uns mehr für die Scheidungen von Stars interessieren als für die Trennung von Herrn und Frau Müller. Immerhin beträgt die Scheidungsrate in Kalifornien generell 50 Prozent", sagt Wasser über ihre prominenten Kunden. "Am Ende des Tages sind Stars Menschen wie wir mit ein paar Nullen mehr hinter den Zahlen auf ihrem Bankkonto." Dann muss sie aufgrund ihrer Beobachtungen die Aussage doch relativieren. "In der Entertainmentbranche gibt es natürlich auch große Egos. Dazu kommt, dass diese Menschen keine Jobs haben, von denen sie um 17 Uhr heimkommen und gemeinsam Abendessen kochen. Sie sind entweder irgendwo in der Welt unterwegs, um einen Film zu drehen, oder auf Tour. Dort lebt man in einer anderen Welt, einer Scheinwelt, die sich nur um dich dreht. Wenn dann noch beide, Mann und Frau, solche Terminkalender haben, ist es schwierig, eine Ehe aufrechtzuerhalten."

Scheidungen der Marke Hollywood sind klarerweise alles andere als normal. In Wassers Buch "It Doesn't Have To Be That Way: How to Divorce Without Destroying Your Family or Bankrupting Yourself" erzählt sie die einprägsamsten Episoden aus ihrer 25-jährigen Karriere. Da war etwa die Verzweiflung der Frau, die ihren Mann so unbedingt loswerden wollte, dass sie sich vor dem gemeinsamen Kind mit einem Telefon schlug, um häusliche Gewalt vorzutäuschen. Oder der schwarze Humor des Mannes, der seiner Frau zum Valentinstag einen Strauß rote Rosen samt den Gerichtspapieren schickte. Und die Erleichterung der Frau, die ihre Nanny beim Sex mit dem Gatten überraschte, während die vierjährigen Zwillinge nebenan schliefen, und sofort ihr mit Millionen gespicktes Ticket aus dem Gefängnis ihrer Ehe darin erkannte.

Oft wird versucht, ein öffentliches Scheidungsverfahren zu verhindern. Dann kommt ein pensionierter Richter in die Kanzlei, dazu beide Parteien mit ihren Anwälten, und es wird im Rahmen einer simulierten Verhandlung versucht, eine Einigung zu erzielen. Dass dies aus dem Ruder laufen kann, bezeugt das Loch in der Holztür des Besprechungsraums. Dort war der Stöckelschuh einer Dame stecken geblieben, den sie während eines Treffens wütend gegen den Noch-Gatten geschleudert hatte.

»Die Ehe ist ein Vertrag, bei dem beide wissen, was sie bekommen«

Garstig findet Wasser auch den neuen Trend, den Partner zu beschuldigen, für eine Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit gesorgt zu haben. Der Scheidungsklage helfe dies zwar nichts, da die Schuldfrage laut kalifornischem Recht irrelevant ist, aber in einer Extraklage können so zusätzlich Zahlungen herausgeschlagen werden. Schwierig wird es oft bei Haustieren. Wasser seufzt. "Es gibt kein Sorgerecht für Haustiere, aber sie können sich nicht vorstellen, was Menschen tun, um ihre Tiere zu behalten." Diskussionen über Katze, Hund und Papagei werden auf dem emotionalen Barometer nur von jenen übertroffen, in denen es um Kunst und geschenkten Schmuck geht. "Sehr oft verschwindet ein Ring dann einfach", erzählt Wasser. "Aber solange Menschen Geld haben, über den Ring trotzdem zu streiten, tun sie es auch."

Recht ist ihr Name

Auf die Frage, ob das Klischee der Frau, die dem Mann bei der Scheidung "das Weiße aus den Augen nimmt", wie das Sprichwort sagt, in Zeiten zunehmend gutverdienender Frauen aus der Mode kommt, schüttelt Wasser den Kopf. "Nein. Die Ehe ist nun einmal ein Vertrag, bei dem beide wissen, was sie bekommen. Die junge, heiße Trophäen-Frau, die den älteren, reichen Mann heiratet, kennt den Vertrag. Sie gibt ihm - was auch immer es ist - hinter verschlossenen Türen, dafür soll sie in der Öffentlichkeit an seinem Arm glänzen, und er bezahlt das alles."

Obwohl Wasser tagtäglich mit einem Meer von Gefühlen wie Wut, Traurigkeit und Hass in hoher Dosis konfrontiert ist, pflegt sie einen unbeugsamen Optimismus. Sie kennt Danny DeVitos Statement zum Thema Scheidung: "Es gibt dabei keinen Sieg, nur verschiedene Grade des Verlierens." Darauf antwortet sie mit der Maxime von Kinderbuchautor Theodor Seuss Geisel: "Weine nicht, weil es vorbei ist, lächle, weil es geschah." Sie habe diesen Beruf -"ganz ehrlich!" - aus der Motivation heraus begonnen, Menschen zu helfen, sagt Wasser.

Ihr Vater Dennis gründete die Kanzlei im Jahr 1976. Er ist ebenso Scheidungsanwalt und vertrat Größen wie Clint Eastwood oder Mia Farrow. Die Eltern - Wassers Mutter ist auch Anwältin -gaben der Tochter den zweiten Vornamen Allison, so dass sich aus ihren Initialen das Wort L. A. W. ergibt, das im Englischen "Recht" bedeutet. Wassers Eltern ließen sich scheiden, als die Tochter 16 Jahre alt war, verstehen sich aber gut.

Eine Ehe reicht für immer

Laura Wassers persönliche Erfahrung mit Ehe und Scheidung datiert aus den Jahren 1992-1993. Damals war sie für 14 Monate verheiratet -das erste und letzte Mal. Danach bekam sie zwei Söhne - Luke, 12, und Jack, 8 - von zwei Männern, mit denen sie nicht mehr zusammen ist. Heute hat sie eine Partnerschaft mit einem Mann, den sie "aus ganzem Herzen" liebt. Es ist Drehbuchautor Matt Johnson, Vater zweier Töchter, mit dem sie nicht zusammenlebt, sich aber "total zugehörig fühlt". Heiraten wird sie nie, sagt sie. "Ich finde keinen Grund, zu heiraten! Ich liebe die Väter meiner Kinder noch immer. Wir sind eine Familie. Wir verbringen das Passahfest zusammen im Haus meiner Mutter in Malibu", erzählt Wasser aus ihrem Alltag. "Scheidung trägt nicht mehr dieses Stigma wie einst. Heute geht es darum, einen neuen Weg zum Lieben zu finden und gemeinsam die Kinder zu erziehen. Der neue Partner des Ex sollte als neues Mitglied der Sippe gesehen werden." Es sei an der Zeit, unser Denken über die Ehe zu ändern. "Wenn wir im Leben zwei oder drei große Lieben haben möchten, sollten wir uns diese Erfahrungen erlauben." Vielleicht hat sie recht. Wie hoch war doch gleich ihr Vorschuss?

Dieser Artikel erschien ursprünglich in News Nr.18/18

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