Caféhaus Landtmann: Steht das
Traditions-Café vor dem Aus?

Die Familie Querfeld soll ihr legendäres Café Landtmann räumen. Astronomische Mietschulden, lautet der Vorwurf der Hausherren. Nun bahnt sich vor Gericht ein hochemotionaler Machtkampf zwischen alten Traditionen und neuem Geld an.

von Streitfall - Caféhaus Landtmann: Steht das
Traditions-Café vor dem Aus?
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Dezentes Make-up, elegant zurückfrisiertes Haar und eine betont aufrechte Haltung: Anita Querfeld ist mit ihren 80 Jahren die Contenance in Person. Doch nun, befindet sie, zwingen sie die Zeiten, sich auch öffentlich einmal ein paar Emotionen zu leisten: "Das Landtmann nimmt meiner Familie und mir keiner weg!", sagt sie, und die freundliche Berufsmiene von Wiens bekanntester Kaffeesiederin verfinstert sich.

"Wann immer ihr vor Gericht gehen solltet, überlegt es euch gut, denn sobald es einmal zu einer Verhandlung kommt, gewinnt keiner daran", das sei eine der wesentlichsten Erkenntnisse gewesen, die ihr 2004 verstorbener Mann Herbert seiner Familie mitgegeben habe. Doch nun -genauer gesagt im März -kommt es dennoch zu einer Verhandlung. Ein Prozess, über den derzeit ganz Wien tuschelt -und der das Zeug zum dominierenden Kaffeeklatsch nach dem Lockdown hat!

Aber der Reihe nach: Am 1. März 1976, also vor annähernd 45 Jahren, haben die Querfelds das Landtmann übernommen. Eine bessere Bruchbude sei das legendäre Kaffeehaus am Wiener Universitätsring damals gewesen. Kein erkennbarer Stil, kein fester Kundenstock, nur die brüchige Patina einer mehr als hundertjährigen Geschichte. Doch heute, da das Landtmann, ihr Landtmann, längst so was wie der Trink-und Tratschplatz für hohe Politik, bessere Gesellschaft und pflichtbewusste Touristik ist, droht Anita Querfeld und ihrer Familie der hochkantige Rausschmiss!

Am 1. Oktober 1873 hatte, wie das Illustrierte Wiener "Extrablatt" schwärmerisch berichtete, der Cafetier Franz Landtmann "Wiens eleganteste und größte Café-Localität" eröffnet. Seither hatte das Landtmann unter wechselnder Ägide praktisch durchgehend geöffnet. Doch am 16. März 2020 kam der erste Lockdown. Und am 26. November 2020 ein Brief von der Anwaltskanzlei der Hausbesitzer an den Rechtsvertreter der Querfelds: "Ich habe Ihre Mandantin daher letztmalig aufzufordern, den ( ) aushaftenden Bestandszinsrückstand von Euro 221.318,55 bis spätestens 8.12.2020 () zu überweisen, widrigenfalls unsere Mandantin umgehend eine Bestandszins-und Räumungsklage einbringen wird." Mit Stichtag 13.01.2021 sind es laut News vorliegenden Mahnungen samt Spesen und Zinsen sogar schon 329.890,31 Euro, die aushaften. So sehen das zumindest die Vermieter. Doch die Querfelds sind sich keiner Schuld bewusst. Und daher auch keiner Schulden.

Wiens erweitertes Wohnzimmer

Aber gut eine Viertelmillion Mietrückstand, wie die Gegenseite moniert? Eine letzte Frist? Und dann die Räumungsklage? Der dramatischen Zuspitzung der Ereignisse war ein monatelanger Streit im Hintergrund vorausgegangen. Auf der einen Seite die Familie Querfeld, allen voran Anita und deren Sohn Berndt, der den Café-Clan nach außen hin repräsentiert, dessen Frau Irmgard, dessen Schwester Andrea und deren Tochter Karoline. Gemeinsam führen sie neben dem Landtmann, dem Café Mozart und dem Café Museum noch sieben weitere Wiener Lokale: Die Querfelds, so könnte man das vereinfacht sagen, bewirtschaften Wiens erweitertes Wohnzimmer. Und das machten sie, zumindest bis zum Lockdown, ziemlich gut: Laut Firmenbuch erarbeitete sich die Familie im Jahr 2019 einen Gewinn von gut 3,5 Millionen Euro, dem stehen Verbindlichkeiten von etwa drei Millionen gegenüber; in Summe also eine durchaus vorzeigbare Bilanz.

Die Gegnerin der Querfelds: die Karl-Wlaschek-Privatstiftung, ein hochkomplexes Konstrukt mit dem Zweck, das große Vermögen des legendären Billa- Gründers zu verwalten und zu vermehren -ihr gehört, neben zahlreichen weiteren hochattraktiven Liegenschaften, auch das historische Palais Lieben-Auspitz, in dessen Parterre das Landtmann residiert.

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Auf der einen Seite steht da also der Charme der alten Tradition, auf der anderen die diskrete Macht des neuen Geldes, und die Fronten sind unerbittlich verhärtet. "Die wollen uns aus dem Weg räumen", sagt Berndt Querfeld. Er sitzt im Wintergarten des geschlossenen Landtmann und leert mit einem einzigen, energischen Schluck sein Espressotässchen mit Kapselkaffee. Die echten, dampfenden, pfeifenden Kaffeemaschinen liegen seit Wochen im Corona- Koma, die Passanten, die sich an diesem warmen Jännertag draußen im eigentlich ebenfalls geschlossenen Schanigarten des Landtmann sonnen, trinken Take-away-Kaffee vom Mäci. Und drinnen schäumt Querfeld wie eine Melange. "Dass die so mit uns umgehen, lassen wir nicht zu."

Den rechtlichen Hintergrund des Wiener Kaffeekrieges bildet eine Regelung im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, die das Risiko für höhere Gewalt den Vermietern auferlegt: Im Paragraf 1104 heißt es, dass kein Miet-oder Pachtzins zu entrichten sei, wenn "die in Bestand genommene Sache" wegen eines außerordentlichen Zufalls wie Feuer, Krieg oder eben auch Seuche unbenutzbar ist. Deswegen beschlossen die Querfelds, für die Zeiträume des Lockdowns keine Miete zu zahlen und für die Zeiträume der beschränkten Öffnung die Zahlungen entsprechend anzupassen.

Die Querfelds per Mail an die Hausverwaltung der Vermieter: "Bezugnehmend auf oben genannten Paragrafen stellen wir unsere Mietzahlung mit 17.03.2020 auf unbestimmte Zeit ein." Die Hausverwaltung der Vermieter an die Querfelds: "Wir ersuchen Sie, den Mietzins -im Rahmen der Möglichkeiten - vorerst weiter zu den vereinbaren Zahlungsterminen und in gewohnter Höhe zu entrichten."

Damit sind die Positionen bezogen: Die Familie beruft sich auf den klaren Wortlaut der Gesetzesbestimmung und fühlt sich - wie derzeit viele Mieter mit weggebrochenen Umsätzen -im Recht. Vermieter wie die Wlaschek-Stiftung wiederum argumentieren, dass Corona-bedingte Ausfälle durchaus Teil des unternehmerischen Risikos seien. Zudem fordern sie als Ausgleich für eine etwaige Zinsminderung einen Anteil an den Hilfsgeldern, die der Staat an die Mieter auszahlt.

Ein Trauma namens Lockdown

"Unter Vorbehalt" weiter normal einzahlen und im Nachhinein, wenn sich die Situation wieder entspannt hat, etwaige Mietzinsminderungen geltend machen, so wünscht sich das die Stiftung. "Die Liquidität in Zeiten wie diesen möglichst im Hause behalten und nur das Geld ausgeben, das wirklich nötig ist", das habe, sagt Berndt Querfeld, der Familienrat im heurigen Frühjahr beschlossen. Rund 60.000 Euro pro Monat wären für das insgesamt 1.800 Quadratmeter umfassende Landtmann an Miete fällig - oder eben auch nicht.

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"Ich weiß nur zu gut, was es bedeutet, sich in Krisenzeiten ohne Geld an eine Bank wenden zu müssen", erinnert sich Anita Querfeld. "Und auch, was es bedeutet, plötzlich nicht mehr aufsperren zu können." Einen Elektrohandel mit sechs Filialen und 200 Mitarbeitern haben sie und ihr Mann bis in die Mitte der Siebzigerjahre betrieben. Doch dann etablierten sich die großen Ketten, die Rabattschlachten begannen, und der Familienbetrieb schlitterte unversehens in die Pleite. "Dieses Erlebnis hat mich fürs Leben geprägt."

Nur allzu gerne hätte sie mit ihren Vermietern im Rahmen einer Mediation über all das gesprochen, doch der Gesprächsgipfel scheiterte. "Wir erlauben uns die Bemerkung, dass Ihr Verhalten, bei durchaus gutem Geschäftsgang monatelang keine Mieten zu bezahlen und dadurch einen beträchtlichen Zahlungsrückstand aufzubauen und gleichzeitig mit dem Wunsch einer außergerichtlichen Einigung an uns als Vermieterin heranzutreten, für uns irritierend und nicht nachvollziehbar ist", schreiben die Vermieter. "Ihre Anspielung auf einen angeblich durchaus guten Geschäftsgang ist uns völlig unerklärlich", schreiben die Querfelds.

In gut einem Monat trifft man sich erstmals vor Gericht. Caféhaus oder Caféaus, darüber befindet dann die Justiz.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (04/2021) erschienen.