Landtagswahl Niederösterreich 2023: ÖVP und FPÖ arbeiten zusammen

Der niederösterreichische Landtag lenkt die Geschicke des Bundeslandes, indem er für Gesetzgebung des Landes und den Beschluss des Landesbudgets zuständig ist sowie die Arbeit der Landesregierung kontrolliert. Am 29. Jänner 2023 wählte Niederösterreich einen neuen Landtag. Die ÖVP verlor die Regierungsmehrheit, die FPÖ konnte die SPÖ überholen. Mitte März einigten sich die Wahlsieger auf eine ÖVP-FPÖ-Koalition.

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Landtag Niederösterreich NÖ - Landtagswahl. Wappen von NÖ © Bild: Martin Czwiertnia

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Landtagswahl Niederösterreich 2023

Niederösterreich wählte am Sonntag, den 29. Jänner 2023 einen neuen Landtag.

Landtagswahl Niederösterreich 2023: Endergebnis
© News.at Das Endergebnis der Landtagswahl in Niederösterreich 2023

Dabei kam die ÖVP auf 39,9 Prozent (nach 49,63 Prozent im Jahr 2018) und verlor die Regierungsmehrheit. Die FPÖ überholte mit 24,2 Prozent klar die SPÖ, die nur 20,6 Prozent erreichte. Die Grünen erreichten 7,6 Prozent, die NEOS 6,7 Prozent, womit beide etwas zulegen konnten.

Mit den Einbußen verlor die ÖVP nicht nur die bisher gehaltene Mandatsmehrheit im Landtag klar, sondern die Partei büßte auch die Mehrheit in der Landesregierung ein: Sie kommt auf vier der neun Landesregierungssitze (davor sechs). Die 39,9 Prozent bedeuteten auch den historischen Tiefststand der ÖVP, der bisher bei 44,23 Prozent lag (bei der Landtagswahl 1993). Ebenfalls war es für die SPÖ das historisch schlechteste Wahlergebnis.

Bei den Landtagssitzen büßte die ÖVP die bisher (mit 29 der 56 Landtagssitze) gehaltene absolute Mandatsmehrheit klar ein. Sie hält nun mehr 23 Mandate. Die FPÖ kommt auf 14 Sitze (2018: 8), die SPÖ auf nur mehr 12 (2018: 13). Die Grünen halten bei 4 Sitzen (2018: 3) und haben damit Klubstärke, die NEOS haben nun 3 Mandate (3).

Die Wahlbeteiligung betrug 71,52 Prozent. Sie war damit um 4,96 Prozentpunkte höher als vor fünf Jahren.

ÖVP-FPÖ-Koalition

Eineinhalb Monate nach der Wahl, am 17. März 2023 wurde ein Arbeitsübereinkommen zwischen ÖVP und FPÖ verkündet, Johanna Mikl-Leitner bleibt Landeshauptfrau, der FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer ist nun Vize-Landeshauptmann. Das Bündnis, das Mikl-Leitner als "tragfähige Brücke" bezeichnete, ist stark umstritten. Protestkundgebungen sind bereits angekündigt, auch aus Reihen der ÖVP selbst kam Kritik. "Als Niederösterreicher bedauere ich, dass es zu einer Einigung mit der FPÖ gekommen ist. Landbauer und Waldhäusl übertrumpfen einander mit Gedankengut, das mit dem Menschenbild der ÖVP unvereinbar ist", teilte Othmar Karas, Erster Vizepräsident des Europaparlaments, via Twitter mit. Einen Schritt weiter in ihrer Kritik ging die ehemalige VP-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky. Sie teilte am Freitag via Facebook mit, dass sie "wohl überlegt und mit Wehmut" wegen des "zunehmenden Rechtsrucks der Partei" und der nunmehrigen "Kooperation der ÖVP NÖ und der FPÖ NÖ" ihre Mitgliedschaft zurücklegen werde.

Analyse: Interpretation des Ergebnisses

Die Schuld an dem historisch schlechtesten Ergebnis der ÖVP NÖ ist für Meinungsforscher Peter Hajek laut APA zum Teil hausgemacht, vieles liege aber auch "außerhalb ihrer Hemisphäre".

Der niederösterreichischen Volkspartei sei es nicht gelungen, die Vertrauensverluste "nach dem Sturz des türkisen Projekts" wieder wett zu machen, so Hajek. Größter eigener Fehler sei ein strategischer gewesen: Hätte man wie die Tiroler Volkspartei die Wahl nach vorne legen lassen, wäre die Niederlage deutlich niedriger ausgefallen, ist sich Hajek sicher. "Im September war die Teuerung nicht so stark, das Thema Asyl fast gar nicht am Parkett und die Affäre um den ORF Niederösterreich gab es auch nicht".

Aber auch bei der Themenlage habe man sich vergriffen. Die ÖVP setzte auf "Law & Order" und Asyl, Themen die mittlerweile von der FPÖ besetzt seien. Dieser spielte im Wahlkampf die Themenlage um Migration und Teuerung in die Karten, man habe die Situation bestens ausgenutzt. Ihr sei es endgültig gelungen, von einer "fast monothematischen, zu einer Partei zu werden, die viele Themen abdeckt". Ein "Treppenwitz der Geschichte" ist für Hofer, dass die FPÖ auch trotz Ibiza und der Grazer-Affäre mit dem Thema Korruption punkten konnte.

Trotz drastischer Niederlage der Volkspartei und einer Themenlage, die mit der massiven Teuerungswelle im vergangenen Jahr "ein Urthema der SPÖ" abdeckt, Stimmenverluste einzufahren, werde auch der Parteispitze zu denken geben, sind sich die Experten einig. "Die Wahlmotive haben gezeigt, dass selbst die Teuerungsbekämpfung eher mit der FPÖ als mit den Sozialdemokraten in Verbindung gebracht wird", so Hajek.

Für die Grünen und die NEOS war Niederösterreich immer ein schwieriges Kampagnenumfeld, sagte Hofer. Dass man Klubstatus erreicht und leichte Zugewinne einfährt, wird für "leichtes Durchatmen im grünen Vizekanzleramt" sorgen, "grüne oder pinke Bäume werden aber auch in Niederösterreich nicht in den Himmel wachsen".

Das waren die Spitzenkandidaten

Johanna Mikl-Leitner

Die ÖVP ging mit der amtierenden Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner als Spitzenkandidatin ins Rennen.

Johanna Mikl-Leitner (ÖVP)
© IMAGO images/SEPA.Media Johanna Mikl-Leitner (ÖVP, Landeshauptfrau)

Franz Schnabl

Die SPÖ ging mit Franz Schnabl als Spitzenkandidat in die Landtagswahl. Dieser zog Konsequenzen aus dem Wahldebakel für die Sozialdemokraten und übergab direkt nach der Wahl sein Amt als Landesparteivorsitzender an AMS-Chef Sven Hergovich.

Franz Schnabl (SPÖ)
© IMAGO images/SEPA.Media Franz Schnabl (SPÖ)

Udo Landbauer

Der Spitzenkandidat der FPÖ war Udo Landbauer. Landbauer war mit 36 Jahren der Jüngste in der Riege der Spitzenkandidaten. Er wurde nach der Wahl zum LH-Stellvertreter und übernimmt nun auch einen Teil der EU-Agenden.

Udo Landbauer (FPÖ)
© IMAGO images/SEPA.Media Udo Landbauer (FPÖ)

Helga Krismer

Die Grünen gingen mit Helga Krismer als Spitzenkandidatin ins Rennen.

Helga Krismer (Die Grünen)
© IMAGO images/SEPA.Media Helga Krismer (Die Grünen)

Helga Krismer ist seit 2015 Landessprecherin der Grünen in Niederösterreich. Sie ist seit 2010 Vizebürgermeisterin der Stadt Baden. 2003 zog sie in den Landtag ein. Im Wahlkampf setzte sie auf Politik "für morgen" mit Themen wie mehr Öffis, Bodenschutz und Ausbau von erneuerbarer Energie.

Indra Collini

Die Spitzenkandidatin der NEOS war Indra Collini.

Indra Collini (NEOS)
© IMAGO images/SEPA.Media Indra Collini (NEOS)

Indra Collini ist seit November 2016 Landessprecherin der NEOS in Niederösterreich. Die Pinken sind für sie "eine moderne Alternative zu alteingesessenen Parteien". Vor dem Einstieg in die Politik war sie viele Jahre in leitender Funktion in der Markenartikelbranche beschäftigt.

Landtagswahl 2018

Bei der vergangenen Wahl im Jänner 2018 verfehlte die ÖVP mit 49,63 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit nur knapp (2008: 50,79 Prozent). Die SPÖ kam auf 23,92 Prozent (2008: 21,57 Prozent), die FPÖ wurde mit 14,76 Prozent drittstärkste Kraft (2008: 8,21 Prozent). Die Grünen erreichten 6,43 Prozent der Stimmen (2008: 8,06 Prozent) und mit 5,15 Prozent schafften die NEOS erstmals den Einzug in den niederösterreichischen Landtag. Die genauen Wahlergebnisse der Landtagswahl NÖ 2018 finden Sie hier.

Der NÖ Landtag

Seit 6. April 1861 kommen die Volksvertreter:innen Niederösterreichs im Landhaus in St. Pölten zusammen, um über die Geschicke ihres Bundeslandes zu bestimmen. Der Niederösterreichische Landtag setzt sich derzeit aus 56 Abgeordneten zusammen und wird alle fünf Jahre neu gewählt – das nächste Mal 2028.

Regierungsviertel in NÖ - der Landtag
© imago images / Volker Preußer Der niederösterreichische Landtag sitzt im Landhaus St. Pölten im Regierungsviertel

Welche Parteien sind im Landtag vertreten?

Seit Beginn der 2. Republik ist die ÖVP stärkste Kraft in Österreichs flächenmäßig größtem Bundesland und stellt seither ununterbrochen den Landeshauptmann bzw. mit Johanna Mikl-Leitner eine Landeshauptfrau. Die ÖVP hält seit der Wahl 2023 23 der 56 Sitze, die FPÖ 14 Sitze und SPÖ 12 Sitze. Die Grünen haben 4 Sitze, die NEOS 3 Sitze.

Aufgaben und Kompetenzen des niederösterreichischen Landtags

Der Landtag Niederösterreich tagt im Schnitt alle drei bis fünf Wochen. Die 56 Abgeordneten des Landtags wählen die Landeshauptfrau bzw. den Landeshauptmann sowie die restlichen Regierungsmitglieder. Zentrale Aufgaben des Landtags sind die Gesetzgebung des Landes, der Beschluss des Landesbudgets sowie die Kontrolle der Arbeit der Landesregierung. Außerdem wirken sie an Vereinbarungen zwischen Niederösterreich und dem Bund mit und sind auch in europäische Gesetzesvorhaben miteingebunden. Zur Behandlung spezifischer Fachthemen wählt der Landtag Ausschüsse, in denen die Parteien anteilsmäßig vertreten sind. Solche Ausschüsse behandeln beispielsweise Kultur-, Verfassungs- oder Wirtschaftsangelegenheiten.

Die Sitzungen des Landtags sind öffentlich und können auch im Internet live (via ORF NÖ) mitverfolgt werden. Die Sitzungsprotokolle vergangener Sitzungen können Sie hier einsehen.

Der Landtagspräsident Karl Wilfing

Nach den Wahlen im Jänner 2018 übernahm ÖVP-Politiker Karl Wilfing von seinem Vorgänger am 22. März 2018 das Amt des Landtagspräsidenten. Seine Aufgabe ist es unter anderem das Land nach außen zu vertreten und er ist befugt, im Namen des Landtages Erklärungen abzugeben. Er legt die Tagesordnung von Sitzungen fest und leitet die Verhandlungen.

Zweiter Landtagspräsident ist mit Karl Moser seit 9. Dezember 2021 ebenfalls ein ÖVP-Abgeordneter, dritte Präsidentin ist Karin Renner (SPÖ). Der Landtagspräsident und dessen Stellvertreter:innen werden in der konstituierenden Sitzung zu Beginn der Legislaturperiode von den Abgeordneten gewählt.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner

Johanna Mikl-Leitner ist seit 19. April 2017 Landeshauptfrau von Niederösterreich. Sie folgte auf Erwin Pröll, der von 1992 bis 2017 regierte, und ist die erste Frau an der Spitze Niederösterreichs. Mikl-Leitner zog erstmals 1999 als Abgeordnete in den Nationalrat ein und war von 2003 bis 2011 niederösterreichische Landesrätin für Soziales, EU-Regionalpolitik, Arbeit und Familie. Daraufhin fungierte sie in zwei SPÖ-geführten Koalitionen bis 2016 als Bundesministerin für Inneres. 2016 übernahm sie – quasi in Vorbereitung auf das Amt der Landeshauptfrau – den Posten der Landeshauptmann-Stellvertreterin.

Johanna Mikl-Leitner wurde am 9. Februar 1964 in Hollabrunn (Bezirk Hollabrunn) geboren und in Großharras (Bezirk Mistelbach) aufgewachsen. Nach der Volksschule besuchte sie das Realgymnasium und die Handelsakademie in Laa an der Thaya (Bezirk Mistelbach) und absolvierte das Studium der Wirtschaftspädagogik an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Landeshauptfrau-Stellvertreter werden Stephan Pernkopf (ÖVP) und Udo Landbauer (FPÖ) (beide nominiert)

Liste der niederösterreichischen Landeshauptleute

Leopold Figl ÖVP 25. Mai 1945 - 15. Okt. 1945
Josef Reither ÖVP 15. Okt. 1945 - 4. Mai 1949
Johann Steinböck ÖVP 4. Mai 1949 - 14. Jan. 1962
Leopold Figl ÖVP 14. Jan. 1962 - 9. Mai 1965
Eduard Hartmann ÖVP 16. Juni 1965 - 14. Okt. 1966
Andreas Maurer ÖVP 24. Nov. 1966 - 22. Jan. 1981
Siegfried Ludwig ÖVP 22. Jan. 1981 - 20. Okt. 1992
Erwin Pröll ÖVP 20. Okt. 1992 - 19. April 2017
Johanna Mikl-Leitner ÖVP seit 19. April 2017

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