"Hexenjagd"

"Ich weiß, wer siebenmal die Tour gewonnen hat" - Ex-Rad-Star gibt den Kampf auf

von

Dem 40-jährigen Tour-de-France-Seriensieger droht die Aberkennung seiner sieben Tour-Siege von 1999 bis 2005. Die US-Anti-Doping-Agentur (USADA) fordert die Streichung aller Resultate Armstrongs seit 1998 und eine lebenslange Sperre.

In der Radsport- und der Anti-Doping-Szene rief die Erklärung unterschiedliche Reaktionen hervor. Der Chef der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), Jahn Fahey, nannte Armstrong einen "Dopingbetrüger". Dessen Erfolge seien nichts mehr wert, betonte Fahey und verlangte weitere Schritte. "Wenn die Beweise auf einer Karriere gründen, die sieben Tour-de-France-Siege beinhaltet, wird all dies ausgelöscht."

"Top Ten alle gedopt"
Wenn Armstrong nun aus den Siegerlisten gestrichen würde, "werden sie auch nicht glaubwürdiger", meinte Ex-Radprofi Steven de Jongh, mittlerweile Direktor des britischen Teams Sky um Tour-Sieger und Zeitfahr-Olympiasieger Bradley Wiggins. Noch drastischer formulierte es angesichts der im Radsport scheinbar nie endenden Negativ-Schlagzeilen der deutsche Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel. "Das wäre lächerlich. Die Top Ten dürften alle gedopt gewesen sein", gab der Professor zu Protokoll. Sein Vorschlag: "Ist doch nichts dabei, in den Annalen zu schreiben: 'Kein Sieger'."

Hat Armstrong gedopt oder hat er nicht? Diese alles entscheidende Frage bleibt auch nach seinem Statement vom Donnerstag ungeklärt. Ein Dopinggeständnis legte er nicht ab. Ganz im Gegenteil: "Ich weiß, wer siebenmal die Tour gewonnen hat, meine Teamkollegen und alle, gegen die ich gefahren bin, wissen, wer die Tour siebenmal gewonnen hat", betonte der Texaner. "Es gab keine Abkürzungen, es gab keine speziellen Behandlungen. Dieselben Strecken, dieselben Regeln."

Der Profiradsport wankt
Mit dem Fall der einstigen Galionsfigur kommt der gesamte Profiradsport ins Wanken und der Dachverband UCI wieder in den Fokus. Der Radweltverband stärkte dem Texaner seit Jahren den Rücken. In den USADA-Anklagepunkten gegen Armstrong finden sich auch klare Verweise auf die UCI. Deren Präsident Pat McQuaid hat noch in London vehement gefordert, den Fall in seine Obhut zu bekommen und eigene Verstrickungen abgestritten. Unter McQuaid-Vorgänger Hein Verbruggen war die UCI sogar unter Verdacht geraten, eine positive Doping-Analyse Armstrongs aus der Tour de Suisse 2001 nicht veröffentlicht zu haben.

Danach erfolgten mysteriöse Spenden von Armstrong an die UCI in Gesamthöhe von 125.000 US-Dollar (99.944 Euro). Den Grund für die noble Gabe konnte die UCI bis heute nicht schlüssig erklären. Darüber hinaus blieb der Weltverband untätig, als Armstrong 2005 in nachträglichen Analysen EPO-Gebrauch bei seinem ersten Toursieg 1999 nachgewiesen worden war. "Die UCI hat positive Analysen niemals zurückgehalten", verteidigte sich McQuaid zuletzt bei den Olympischen Spielen in London. Nun will der Dachverband erstmal die Erklärung der USADA bekommen, solange werde es keinen Kommentar geben.

"Trauriger Tag für alle von uns"
Armstrongs Gegenspieler ließ sich indes nicht lange bitten. "Das ist ein trauriger Tag für alle von uns, die den Sport und unsere Athleten-Helden lieben", teilte Travis Tygart in einem Schreiben der USADA in einer ersten Reaktion mit. Der USADA-Chef legte auch noch einmal nach: "Das ist ein Herzen brechendes Beispiel, wie diese Gewinnen-um-jeden-Preis-Kultur im Sport, wenn sie nicht mehr kontrolliert wird, von fairem, sicherem und ehrlichem Wettkampf Besitz ergreift."

Armstrong konterte. An seinen Tour-Erfolgen könne sowieso niemand etwas ändern. "Schon gar nicht Travis Tygart", hatte er betont. Am meisten dürfte den Ex-Profi, der auch schon Ambitionen hatte, in die Politik zu wechseln, der immense Imageverlust zu schaffen machen. Was bliebe, wäre nicht mehr der erfolgreichste Tour-Teilnehmer aller Zeiten, ein geheilter Krebspatient mit einer ebenso unglaublichen wie filmreifen Erfolgsstory. Was bliebe, wäre die Hauptrolle im größtmöglichen Skandal des Radsports.

Armstrong muss als Zeuge aussagen
Die USADA hatte ihm keine Wahl gelassen: Entweder akzeptiert er die Anklage oder er stellt sich einem Prozess. Das wollte Armstrong auf keinen Fall, obwohl ihm Öffentlichkeit in dieser Causa weiter sicher ist. Denn sein mitangeklagter ehemaliger Teamchef und Mentor Johan Bruyneel hatte den USADA-Vorwürfen widersprochen. In der bevorstehenden Verhandlung gegen ihn wird es sich die US-Behörde nicht nehmen lassen, Armstrong selbstverständlich als Zeugen zu berufen.
Sein Denkmal bröckelte schon seit langem. Bereits im Juli 2004 erhoben zwei Journalisten schwere Dopingvorwürfe. Armstrongs einstige Teamkollegen und Edelhelfer Floyd Landis und Tyler Hamilton, beide wegen Dopings gesperrt, schlossen sich den Anschuldigungen 2010 und 2011 an. "Ich sah EPO in seinem Kühlschrank. Ich sah mehr als einmal, wie er es sich gespritzt hat", sagte Hamilton dem TV-Sender CBS.

Auch Handel wird Armstrong vorgeworfen
Die Doping-Jäger werfen Armstrong jahrelanges Doping und Handel mit illegalen Substanzen vor. Er soll Teil einer regelrechten "Doping-Verschwörung" gewesen sein. Armstrong jedenfalls erklärte seinen Schritt damit, dass das gesamte Verfahren einen "zu hohen Preis" von ihm und seiner Familie gefordert habe. Wenn er eine Möglichkeit gesehen hätte, in einer fairen Umgebung die Vorwürfe widerlegen zu können, hätte er die Chance wahrgenommen: "Aber ich weigere mich, in einem einseitigen und unfairen Prozess mitzumachen."

Kommentare

erstaunlich wie wir wieder jedes jahr zum start der TDF der faszination radsport erliegen und doch immer wieder die helden der strasse ein wenig anhimmeln - paralleluniversum tourtross - glaube es gibt dort mehr medizinische präperate als wasserflaschen in den betreuerdepots - mich wunderts echt wie mann das vor der öffentlichkeit jahr für jahr immer wieder vertuschen kann generell .. den armstrong jetzt als unmensch abzustempeln find ich auch falsch .. glaube wenn du in dem system drinnensteckst, dann ist es dein alltag - du tust niemandem weh und jeder macht es .. du belügst dich, deine familie, freunde, schadest deiner gesundheit .. aber der rubel rollt bix zum tag x - radprofis müssten eigentlich nach ihrer karriere vermehrt schauspieler werden - das talent dazu lernt man sich sicher an im laufe der zeit in dem zirkus ..

Seite 1 von 1