Lästern über Sex

Angela und Bettina sind beste Freundinnen. Gern lästern sie über Männer im Allgemeinen und im Speziellen. Als Angelas Mann Harald nach einem Telefonat mit seiner Frau zufällig eins der Gespräche mithört, fällt er aus allen Wolken

von Dr. Monika Wogrolly © Bild: Matt Observe/News

Versehentlich hat Angela ihr Smartphone nach seinem Anruf nicht ausgeschaltet; Harald ist noch in der Leitung und hört mit, wie seine Frau kichernd zu ihrer Freundin sagt: "Ganz einfach Augen zu und durch." Und Bettina erwidert: "Ja, dann ist wieder eine Zeit lang Ruhe . .." Sie verstummen, dann setzt sich der Dialog fort.

Angela: "Ich habe seit den Kindern keine Lust mehr." Bettina: "Ach, ich schon lange nicht." Brüllendes Gelächter setzt ein. "Aber es ist die eheliche Pflicht." Wieder Gelächter. "Wenn er gereizt und unrund ist, weiß ich, jetzt ist's wieder fällig." Bettina und Angela sprechen dann darüber, den Höhepunkt vorzuspielen, "um das Ganze abzukürzen".

Und Harald? Fühlt sich leer und betrogen. In ihrer Paartherapie versucht Angela ihrem Mann klarzumachen, dass das nur "dummes Gerede unter Mädels" gewesen sei. Im Einzelgespräch gibt sie hingegen zu, dass Männer nun mal die Wahrheit nicht vertragen würden. Wieder lacht sie los, als würde sie auch mich als Komplizin betrachten. Was passiert hier?

Es gibt tatsächlich Frauen, die ihre Männer grundsätzlich nicht für voll nehmen und sich selbst als willfährige Erfüllungsgehilfinnen von sexuellen Bedürfnissen anstatt als gleichwertige Partnerinnen verstehen. Sie kommen offenbar gar nicht auf die Idee, Sexualität zu genießen, sondern betrachten sie als lästige Pflicht oder Mittel, um schlichtweg ihre Ruhe zu haben. Meist stecken ein negatives Selbstbild und Männerbild dahinter.

Menschen wie Angela und Bettina nehmen nicht nur ihre Partner, sondern sich selbst nicht ernst; sie entziehen sich emotional und denken beim Sex an die Einkaufsliste; lassen "diese Pflichtübung über sich ergehen", wie Angela es nennt. Was aber die unerwünschten Nebeneffekte sind, unter denen die Betroffenen selbst leiden, ist den wenigsten bewusst. So rollt auch Angela die Augen, als ich sie mit der Frage konfrontiere, warum sie sich um ein glückliches Liebesleben bringe. Aus welchem Grund übt sie sich in Verzicht?

Die Verhöhnung der sexuellen Lust ihres Mannes deutet auf ein niedriges Selbstwertgefühl hin. Denn wer ist schon von sich überzeugt und will dann mit einer "Witzfigur" zusammen sein -zu einer solchen macht Angela Harald schließlich, wenn sie nur eine Orgasmus-Show abzieht. Lästern über das sexuelle Bedürfnis des Partners heißt, zu ihm emotional auf Abstand zu gehen, Beziehung und echte Nähe zu vermeiden. Und kann bedeuten, mit der eigenen Sexualität nicht zurechtzukommen, diese abzuspalten oder zu entwerten, nach dem Motto: "Das interessiert mich nicht mehr."

Männer wie Harald spielen mit, solange sie nicht erkennen, weshalb ihre Frauen so wenig Lust auf Sex haben. Häufig kann solch ein Verhalten einreißen, wenn sich bei Frauen wie Angela und Bettina durch die Mutterschaft die Wertigkeiten verschieben.

Und nun? Wichtig ist, Sexualität nicht als Laster, sondern Lust zu definieren - sich darauf zu freuen und sich Mühe zu geben, die gegenseitige erotische Anziehungskraft im Alltag und auch nach der Geburt von Kindern kreativ am Flackern zu halten. Probate Tipps sind, die romantische Zeit als Paar zur geliebten Routine zu machen, das Sex-und Liebesleben als Möglichkeit zu betrachten, ganz natürlich Glückshormone zu produzieren und gemeinsam zu entspannen. Wie das geht? Bleiben Sie mit Ihrem Partner im Gespräch, anstatt hinterrücks über ihn zu lästern. Die Lästerschwestern Bettina und Angela sind auf der Zielgeraden in eine "Einsamkeit trotz Zweisamkeit", wenn ihr Liebesleben durch Achtlosigkeit verloren geht. Geknüpft ist das Liebesband immer aus bedingungslosem Vertrauen, Respekt und Wertschätzung.

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