Kurz-Start zur Ösi-Connection

Während "Die Zeit" für Österreich mutiert und die "Süddeutsche" uns einen Newsletter widmet, packelt der "Spiegel" mit dem "Standard" für "Inside Austria". Ein unfreiwilliger Geburtshelfer dieses Projekts ist der junge Altkanzler.

von Medien & Menschen - Kurz-Start zur Ösi-Connection © Bild: Gleissfoto

Sebastian Kurz' Aufstieg und Fall: Exakt eine Woche nach dem Sidestep alias Rücktritt des Kanzlers ist erstmals ein Podcast unter diesem Titel erschienen. Seitdem hält er Rang eins der Apple-Austro-Charts zu diesem boomenden Medium. Für alle, die es noch nicht erproben: Pod kommt von "Play on Demand" (Spielen auf Abruf), Cast von "Broadcast" (Rundfunk). Diese meist im Abo bezogene, terminunabhängig verfügbare Audio-Information und -Unterhaltung ist eine Art Radio für Fortgeschrittene. Vom Sebastian-Pod bzw. Kurz-Cast erscheint jeden Samstag um acht Uhr eine neue Episode. Der Blitzstarter ist das erste gemeinsame Produkt einer deutsch-österreichischen Medienkooperation. "Spiegel" und "Standard" stehen hinter diesem "Inside Austria". Ein gemeinsamer Newsletter begleitet es. Das Hamburger Magazin lieferte unterdessen allein im Oktober drei für Österreich mutierte Titel. Die Alpen im Visier der Waterkant. Dafür sorgen im Kurz-Podcast Zsolt Wilhelm von hier und Sandra Sperber von dort. Hinter den Kulissen ziehen "Standard"-Chefredakteur Martin Kotynek und Mathieu von Rohr die Fäden, der aus der Schweiz stammende Außenpolitik-Ressortleiter des "Spiegel". Die personifizierte Schnittstelle des Projekts ist aber Oliver Das Gupta. Nach 24 Jahren bei der "Süddeutschen Zeitung"(SZ), wo ihn Kotynek in seinen fünf "SZ"-Jahren kennengelernt hat, ist er seit Oktober der freie Diener zweier Herren. Neben zahlreichen Österreich-Artikeln wurde er hierzulande vor allem als Mitglied des Reporterteams von "SZ" und "Spiegel" zur Ibiza-Affäre bekannt.

Der potenzielle Publikumsmarkt der neuen Kooperation geht weit über das Produktduo von Podcast und Newsletter hinaus. Er entspringt der digitalen Stärke des Wochenmagazin und der Tageszeitung. "Der Spiegel" hat 25 Millionen Unique User in Deutschland, "Der Standard" 2,5 Millionen in Österreich. Der Unterschied zu anderen Medien-Begehrlichkeiten aus München und Hamburg liegt aber weniger an größerer Reichweite, sondern am Partnerkonzept. "Die Zeit", bei der Kotynek zuvor gearbeitet hat, erreicht mit mutierten Österreich-Seiten allwöchentlich sechsstellige Leserzahlen. Die "Süddeutsche", wo Ex-"Standard"-Macherin Alexandra Föderl-Schmid stellvertretende Chefredakteurin ist, punktet durch zahlreiche Austro-Artikel und einen Newsletter. Die "Neue Zürcher Zeitung" hingegen tritt nach dem inhaltlich hervorragenden, aber unrentablen Projekt NZZ.at nun stärker in Berlin auf.

Dort wurde für Deutschland groß gemacht, wer nun jedes mediale Österreich-Projekt erleichtert: Der Axel Springer Verlag hat mit "Bild" und "Welt" Sebastian Kurz hochgeputscht. Die ewigen Rivalen vom "Spiegel" brauchten nur noch den Trittbrettfahrer mit seit jeher umgekehrter Einschätzung zu spielen. Dadurch lassen sich die langfristigen Erfolgschancen der aktuellen Piefkösi-Joint-Ventures so schwer abschätzen. Die Gretchenfrage lautet: Wie läuft das Ganze ohne die Polarisierungskraft von Kurz? In Verbindung mit journalistischer Relevanz kann diese Liaison eine nachhaltige Verbesserung der Berichterstattung über den jeweiligen Nachbarn bewirken. Das Gupta spielt in dieser Vernetzung den gleichermaßen investigativen wie flexiblen Pendler neben den herkömmlichen Korrespondenten. Eine Rolle, die auch für den "Bild"-Vize und Kurz-Biografen Paul Ronzheimer vorstellbar wäre.

Geht es nur um den gegenseitigen Imagetransfer von national starken Medienmarken, sind "Spiegel" und "Standard" schon im Vorteil. Soll damit auch ein betriebswirtschaftlicher Erfolg erzielt werden, ist Skepsis angebracht. Aber solange niemand ein überzeugendes journalistisches Geschäftsmodell für die digitale Transformation von Printmedien hat, steht diese Frage auch weniger im Vordergrund. Vorerst ergründen alle, die es sich leisten können, was uns wie gefällt. Diese aus Unsicherheit entstehende Experimentierfreude ist ein Geschenk fürs Publikum. Vorerst zumindest.