Die dunkle
Seite der Macht

Der Ibiza-U-Ausschuss soll nicht nur aufklären, mit welchen dubiosen Methoden Heinz-Christian Strache die halbe Republik verscherbeln wollte, sondern auch ob und wie sich ÖVP und FPÖ wichtige Jobs in Unternehmen mit staatlicher Beteiligung aufgeteilt haben. Und womöglich die Frage klären, welche Rolle Bundeskanzler Sebastian Kurz dabei gespielt haben könnte

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Was wusste Kurz? - Die dunkle
Seite der Macht

Seit 4. Juni tagt der parlamentarische Unterschuss zum siebenminütigen Ibiza-Video rund um Ex-FPÖ-C h e f Heinz-Christian Strache und seinen Ex-Klubobmann Johann Gudenus, das im Vorjahr die Republik auf den Kopf stellte. Die verstörenden Szenen, in denen die beiden blauen Ex-Spitzenpolitiker im Beisein einer vermeintlichen russischen Oligarchennichte alkoholgeschwängert in Allmachtsfantasien verfielen und halb Österreich verscherbeln wollten, zeichnen ein Sittenbild, das nicht nur mit den Freiheitlichen zu tun hat. Sondern mit der politischen Kultur im Land insgesamt. Stichwort: Straches Sager "Novomatic zahlt alle"(was von den Beteiligten umgehend dementiert wurde, Anm.).

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Der Ibiza-U-Ausschuss widmet sich laut offiziellem Auftrag folgerichtig der "mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung". Vieles liegt bereits auf dem Tisch: Indizien, aufgeflogene mutmaßliche Absprachen zu Postenbesetzungen etwa bei den Casinos Austria, fragwürdige Zahlungen an parteinahe Vereine, horrende Ablösezahlungen für abgelöste Vorstände und öffentlich gewordene Vernehmungsprotokolle sowie entlarvende Whatsapp-Nachrichten. Jetzt rückt immer mehr auch die ÖVP in den Fokus -und damit auch Parteichef und Bundeskanzler Sebastian Kurz. Der türkise Politstar, der die einst zerstrittene Partei geeint und mit Geschlossenheit und Message Control zu Wahlsiegen führte, hat sich zu den umstrittenen Vorkommnissen bisher kaum geäußert und stets den Eindruck vermittelt, davon weder etwas gewusst noch etwas damit zu tun gehabt zu haben.

Kriminelle Handlungen

Doch dieser Schein bröckelt zusehends: Es verdichten sich immer mehr die Hinweise, wonach der Bundeskanzler über wesentliche Postenbesetzungen zumindest informiert gewesen sein dürfte. Das ist deshalb brisant, weil in Zusammenhang mit den Jobrochaden bei der Casinos Austria auch mögliche nicht gesetzeskonforme Handlungen - wie mutmaßliche Korruption, Bestechung, Untreue und Amtsmissbrauch oder sogar versprochene Gesetzesänderungen bzw. Lizenzvergaben vermutet werden -und es dazu auch eine Reihe von Ermittlungsverfahren gibt.

Etwa gegen Peter Sidlo, der mithilfe des Novomatic-Konzerns zum Casinos-Finanzvorstand bestellt worden sein soll, Ex-Vizekanzler H.-C. Strache, Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), dessen ehemaliger Kabinettschef und nunmehrige ÖBAG-Chef Thomas Schmid, Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus, Ex-FPÖ-Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs sowie Novomatic-Eigentümer Johann Graf und Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann. Auch gegen Casinos-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner und dessen Stellvertreter, Ex-ÖVP-Chef Josef Pröll - beide Raiffeisen-Topmanager - wird ermittelt. Immerhin mussten bei den augenscheinlich politisch motivierten Jobrochaden, der in Ungnade gefallene Vorstandchef und Sazka-Mann Alexander Labak mit kolportierten 2,4 Millionen Euro und Vorstand Dietmar Hoscher (SPÖ) mit kolportierten vier Millionen Euro abgelöst werden. Dafür wurden die ehemalige Kurz-Stellvertreterin in der ÖVP und Casinos-Vorständin Bettina Glatz-Kremsner neue Chefin und FPÖ-Protegé Peter Sidlo Finanzchef. Alle Beschuldigten weisen die Vorwürfe zurück; es gilt die Unschuldsvermutung.

Strache-Handy als Fundus

Ins Rollen gebracht wurde die Causa durch eine anonyme -aber mit vielen internen Insiderdetails gespickte - Anzeige, die am 21. Mai 2019 bei der Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien (WKStA) einlangte. Dabei ging es um die Bestellung Sidlos zum Casinos-Finanzvorstand. Im Zuge der folgenden Ermittlungen wurde u. a. auch das Handy von H.-C. Strache beschlagnahmt und entpuppte sich bei der Auswertung als wahrer Informationsfundus für die Fahnder. Denn noch nie zuvor ist mutmaßlicher Postenschacher hierzulande so deutlich dokumentiert worden wie im Fall Casinos Austria, und noch nie zuvor ist so unverblümt über etwaige Absprachen samt vermuteter Gegenleistungen gesprochen worden.

Anzeige gegen Kanzler Kurz

Parallel und ebenfalls anonym angezeigt wurde damals auch Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz -laut Einlegeblatt der WKStA zum Akt wegen vermutetem Amtsmissbrauch. In dieser Sachverhaltsdarstellung heißt es jedenfalls, dass "es kurz vor der Bestellung des CASAG- Vorstandes an einem Sonntag ein persönliches Abstimmungsgespräch zwischen Bundeskanzler und Vizekanzler" gegeben habe. Und zwar in Zusammenhang mit Postenbesetzungen im staatsnahen Bereich (siehe Faksimile oben). Laut gut informierten Kreisen habe es zwischen Türkisen und Freiheitlichen ein Agreement gegeben, wonach in den jeweiligen ÖVPbzw. FPÖ-geführten Ministerien die Vorstands-und Aufsichtsratspositionen im Verhältnis 2:1 zu besetzen seien. Das sei auch wiederholt in kleinem Kreis besprochen worden (siehe Faksimile aus Straches Terminkalender rechts). Der Ex-FPÖ-Chef erklärte im U-Ausschuss bei seiner Aussage, er habe mit Kurz auch über Personalia in der Oesterreichischen Nationalbank gesprochen. "Sozusagen nach alter Proporz-Manier", wie Neos-Abgeordneter Helmut Brandstätter befindet.

Ermittelt wurde und wird gegen Kurz aber nicht. "Wir führen zurzeit kein Verfahren gegen Kanzler Kurz, mehr kann ich dazu nicht sagen", so Oberstaatsanwalt Matthias Purkart von der WKStA am Dienstag im U-Ausschuss. Sollte im Zuge von Ermittlungsergebnissen neue Tatverdachte entstehen, dann werde dem nachgegangen. Vom Büro des ÖVP-Chefs gab es zur Anzeige sowie zu Fragen über mögliche weiteren Treffen bzw. zur etwaigen Kenntnis von Absprachen bzw. versprochenen Gegenleistungen seitens der FPÖ in Sachen Glücksspiellizenzen für den Posten eines Casinos-Finanzvorstands bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme.

Kai Jan Krainer, Fraktionsvorsitzender der SPÖ im U-Ausschuss, geht jedenfalls davon aus, dass der Bundeskanzler Bescheid gewusst haben dürfte: "Kurz hat wohl alles gewusst, was in Sachen Postenbesetzungen rund um die Casinos Austria und die staatlichen Unternehmen passiert ist", so Krainer gegenüber News. So habe es offenbar im Oktober 2018 ein Treffen von Kurz mit Josef Pröll und Kurz zu den Casinos gegeben -betreffend eine organisatorische Umstrukturierung und Jobbesetzungen ohne Ausschreibung. Das gehe aus einer Aufzeichnung des Casinos-Aufsichtsratsvorsitzenden Walter Rothensteiner der Staatsanwaltschaft hervor, die am Dienstag im U-Ausschuss für mächtigen Wirbel sorgte. Denn diese habe erst rekonstruiert werden müssen, weil von der Soko Tape (der Kriminalpolizei) Unterlagen von "miserabler Qualität" übermittelt worden seien, so Purkart. Neben Rothensteiners Aufzeichnungen seien auch solche von Novomatic-Inhaber Johann Graf sowie ein Password-Verzeichnis von Johann Gudenus unleserlich gewesen. "Im Original" sei "das aber sehr wohl lesbar" gewesen.

SMS zwischen Strache und Kurz

Unbekannt ist dem U-Ausschuss hingegen der Inhalt zahlreicher SMS bzw. Whatsapp-Nachrichten zwischen Strache und Kurz, die den Ermittlern ebenfalls in die Hände gefallen sind. Die Staatsanwaltschaft hat diese bisher nicht herausgerückt, "um die Ermittlungen nicht zu gefährden", wie es offiziell heißt. "Strache hatte ja offenbar SMS-Durchfall und daher ist davon auszugehen, dass es da viele und wohl auch wichtige Informationen geben dürfte", erklärt Krainer, der angesichts der Übermittlungspannen auch auf das "offenbar angespannte Verhältnis zwischen den Ermittlern hinweist. Nämlich auf das zwischen der dem mächtigen ÖVP-(Noch)-Sektionschef Christian Pilnacek unterstellten Oberstaatsanwaltschaft und der WKStA: "Da stellt sich schon die Frage, können sie es nicht oder machen sie es absichtlich falsch?" Wird da womöglich sabotiert?

Nicht nur Krainer vermutet einen "ÖVP-Filter im Innenministerium unter Verantwortung von Minister Karl Nehammer". Auch Christian Hafenecker, FPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss sagt, dass "den Ermittlungen eine Seite fehlt".

ÖVP-Filter im Innenministerium?

Und er fragte sich, ob "womöglich Kurz-SMS von der Soko herausgefiltert" würden. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz spricht gar von einem "Staat im Staat". Die ÖVP habe die Ermittlungsbehörden unterwandert, steuere diese und übe Einfluss auf die Ermittlungsbehörden aus: "Beweismittel werden unterdrückt und verfälscht." Starker Tobak, der möglicherweise auch davon ablenken soll, dass jüngst eine "Novomatic-Preisliste" aufgetaucht ist, in der steht, dass der Glücksspielkonzern bereit sein soll, für Lizenzen bis zu zehn Millionen Euro zu zahlen -und für die Beeinflussung von Politikern 1,5 Millionen Euro. Mit vermutetem Fokus auf die FPÖ. Hubert Fuchs, Ex-FPÖ-Staatssekretär im Finanzministerium und dort für Glücksspiel zuständig, wehrt sich dagegen, potenzieller Adressant solcher Zahlungen gewesen zu sein. Er sei niemals in irgendwelche Zahlungen involviert gewesen. Ebenso wie Ex-Novomatic-Boss Harald Neumann bei seinem Auftritt im U-Ausschuss strikt zurückwies, dass es einen Deal gegeben habe -ansonsten aber von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch machte und Antworten verweigerte.

Bleibt somit abzuwarten, ob Bundeskanzler Kurz bei seinem Auftritt im U-Ausschuss am 24. Juni ebenfalls schweigsam bleiben oder doch etwas zur Aufklärung der Staatsaffäre beitragen wird.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr. 24+25/20

Kommentare

Anton Aman

Wo sind die SMS vom BK Kurz? Warum wird nach wie vor das Video vorenthalten?

Anton Aman

Zunehmend sind Berichte über das Ibiza-Video, aber auch über eine
mögliche Verknotung mit BK Kurz aufgetaucht!? Es ist äußerst merkwürdig, wie sich Parlamentspräsident und gleichzeitig
Ausschußvorsitzender Sobotka verhält, in dem er das Originalvideo
ablehnt (weil es vielleicht kein Original ist???), weiters, wie er
oppositionelle Politiker, wie Leichtfried, Belakovits, etc. behandelt?

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