A: "Warst du auch im Kino in den letzten Tagen?"
B: "Ja, ich hab den Oppenheimer-Film gesehen, ein toller Film."
A: "Den mein ich doch nicht, ich spreche von den neuen Kurz-Filmen."
B: "Kurzfilme? Ich war noch nie im Kino wegen eines Kurzfilms."
A: "Solltest du dir ansehen, ich habe beide gesehen."
B: "Die werden hintereinander gezeigt?"
A: "Natürlich nicht!"
B: "Wozu dann wegen eines Kurzfilms ins Kino gehen?"
A: "Die werden nicht hintereinander gezeigt, die sprechen beide ein völlig unterschiedliches Publikum an."
B: "Verstehe ich nicht, weigern sich die einen, den anderen Kurzfilm zu sehen, und umgekehrt?"
A: "Ja, so ungefähr, beide Filme haben widersprüchliche Absichten."
B: "Na und, deshalb könnten sich doch Zuseher beide ansehen."
A: "Theoretisch schon, aber sie werden es nicht."
B: "Du hast beide gesehen?"
A: "Ja, ich war blöd genug."
B: "Was unterscheidet die beiden Kurzfilme, dass sich die einen weigern, das zu sehen, was die anderen sich anschauen?"
Botschaft
A: "Die Botschaft natürlich."
B: "Was für eine Botschaft?"
A: "Einmal kommen die zu Wort, die verteidigen, loben und bewundern, im anderen begründen andere, warum sie diese Person ablehnen, oder sagen wir mal, sich in einer kritischen Distanz sehen."
B: "Also ein Kurzfilm mit einer positiven, und einer mit einer negativen Botschaft."
A: "So ungefähr."
B: "Zum selben Problem?"
A: "Zur selben Person, zum selben Problem, mit einer politischen Position."
B: "Wer geht in den positiven Film, wer in den kritischen, wenn sie getrennt und nicht hintereinander gezeigt werden?"
A: "Das Publikum teilt sich nach der Meinung über die Person."
B: "Warum gehen sie nicht in den mit der entgegengesetzten Meinung?"
A: "Wie meinst du das?"
B: "Wenn ich eine bestimmte Meinung habe, wozu muss ich dann in einem Publikum sitzen mit gleicher Meinung und gemeinsam mit ihnen den Film sehen?"
A: "Menschen fühlen sich wohl unter Gleichgesinnten, es schaukelt sich hoch wie beim Singen und Schunkeln."
B: "Sprichst du vom Film oder vom Publikum?"
Publikum
A: "Das ist nicht voneinander zu trennen."
B: "Auch der Inhalt des Kurzfilms vermittelt die Meinung des Publikums? Auf der Leinwand und im Publikum wiederholt sich eine und dieselbe Meinung?"
A: "Bei den Kurz-Filmen freut es beide Publika, das zu sehen, was ihren Ansichten entspricht."
B: "Wurden die Schauspieler nach diesem Kriterium ausgewählt?"
A: "Schauspieler? Das sind keine Schauspieler, das sind reale Personen."
B: "Interessant, die spielen sich selbst mit ihren tatsächlichen Meinungen?"
A: "Um das geht es doch in den beiden Filmen, um reale Personen mit unterschiedlichen Ansichten über eine reale Person."
B: "Da musste der Regisseur aber lange suchen, um zwei Gruppen zu bilden, wo jede Gruppe eine uniforme, aber dennoch gegenteilige Meinung zur anderen Gruppe vereint."
A: "Blödsinn! Es waren natürlich zwei Regisseure mit gegensätzlichen Ansichten, so sind dann zwei völlig verschiedene Kurz-Filme entstanden."
Regisseur
B: "Einfacher wäre es mit einem Regisseur und Schauspielerinnen und Schauspielern, die sind Profis und könnten sowohl die einen als auch die anderen spielen, und sicher viel überzeugender."
A: "Du redest von einem Spielfilm, hier geht es zum zwei Dokumentationen, das soll doch authentisch wirken, ein einzelner Regisseur hätte die beide Kurz-Filme nie machen können, es geht um die Glaubwürdigkeit der beiden Regisseure, zwei unterschiedliche Wirklichkeiten zu zeigen."
B: "Ist doch lächerlich, schau dir den Barbie-Film an, perfektes Handwerk, die Regisseurin hätte beide Kurzfilme machen können, und beide wären überzeugend."
A: "Das kannst du doch nicht vergleichen, bei den Kurz-Filmen geht es um ein politisches Statement, um Parteipolitik, die beiden Regisseure kommen aus zwei politischen Lagern."
B: "Also sind die beiden Kurzfilme im Grunde genommen Propagandafilme, keine Dokumentationen?"
A: "Könnte man so sagen, stell dir Regisseur, Produzent, Mitwirkende und Zuseher vor wie den Fanklub eines Fußballvereins, sie unterstützen bedingungslos ihre Mannschaft, so haben sie sich auch benommen im Kino bei den Vorführungen."
B: "Aber es spielt doch nur ein Team in jedem Film, und sie laufen auf ein leeres Tor zu, schießen ein Tor nach dem anderen, und alle jubeln?"
A: "So ungefähr."
B: "Und in einem anderen Stadion laufen die anderen und auch sie schießen Tore ohne Gegner, und wieder jubeln alle?"
A: "Stimmt."
Positionen
B: "Das langweilt die Zuseher nicht? Ich hätte sie, symbolisch gesprochen, gegeneinander spielen lassen, in einem einzigen Film, das wäre eine interessante Dokumentation, oder die Filme doch hintereinander gezeigt und das Publikum diskutieren lassen."
A: "Da gibt es nichts Gemeinsames, die einen wollen den anderen Film nicht sehen, und ebenso die anderen nicht den einen, das sind klar getrennte Positionen, jeder fühlt sich wohl in seinem Fanklub, die Gesprächspartner wurden nach politischen Positionen ausgesucht.
B: "Ein Produzent mit einer vorgefassten Meinung beauftragt einen Regisseur mit vergleichbaren Absichten, der befragt reale Menschen mit ähnlichen Ansichten, schneidet einen Film zusammen und zeigt es einem Publikum, das inhaltlich genau diese Erwartungen hat, und es reagiert begeistert?"
A: "Ja, genau."
B: "Das ergibt zwei Kurzfilme über eine Person die einander gesellschaftlich ergänzen wie die Vorder-und Rückseite einer Münze."
A: "So könnte man es beschreiben."
B: "So gehören doch beide zusammen."
A: "Beide ergeben ein Ganzes, den Ist-Zustand des Landes."
B: "Klingt ziemlich verzweifelt."
A: "Ist es auch."
B: "Und warum schaust du dir das an?"
A: "Ich hoffte, österreichische Innenpolitik besser zu verstehen."
B: "Und? Verstehst du sie jetzt besser?"
A: "Nein, aber ich weiß jetzt, wie man schlechte Filme finanziert."
B: "Ha, das ist gut, und wie?"
Botschaft
A: "Mit einer Absicht, einer Botschaft."
B: "Das bringt Geld?"
A: "Ja, bei denen, die diese Botschaft verbreiten wollen."
B: "Aber sie verbreiten sie nicht."
A: "Wieso nicht?"
B: "Es sehen ja, wie du erklärst, beide Kurzfilme nur die beiden Fanklubs mit vorgefassten Meinungen, es erreicht die anderen nicht."
A: "Stimmt auch wieder."
B: "Hätte man Pro und Kontra entsprechend mit einer interessanten Interpretation gemischt, hätte eine intelligente Dokumentation entstehen können statt zwei propagandistische Kurzfilme."
A: "Du verstehst Österreich nicht, keiner hat hier die Absicht, ein intelligentes Projekt vorzustellen, es geht um eine politisch motivierte Abrechnung und Rechtfertigung."
B: "Es wäre dennoch eine Chance gewesen." A: "Die interessiert hier niemanden."
Oscar
B: "Was soll's, wie gesagt, mich interessieren ohnehin keine Kurzfilme, höchstens die zur Oscar-Verleihung eingereicht werden."
A: "Oscar? Na, die beiden werden sicher nicht eingereicht."
B: "Das weiß man nie, einreichen ist eine Sache der Kommission eines Landes."
A: "Keine Kommission reicht einen der beiden ein!"
B: "Warum bist du dir so sicher?"
A: "Weil ich sie gesehen habe, beide Kurz-Filme sind auf einem Niveau, wie wenn Redaktionen von Schülerzeitungen zwei Filme über den Direktor machen."
B: "Unterschätze das nicht, Kurzfilme, das ist eine eigene Spezies."
A: "Na, Spezies ist übertrieben, es gibt ja nur zwei Kurz-Filme."
B: "Was soll der Blödsinn, es werden Hunderte eingereicht für den Oscar."
A: "Kurz-Filme gibt es nur zwei, und die sind chancenlos."
B: "Was redest du ständig von den beiden, als ob es die einzigen wären."
A: "Es sind auch die einzigen, bis jetzt zumindest."
B: "Wir verstehen offensichtlich nichts von Kurzfilmen, in den beiden Fanklubs wären wir jedenfalls verloren."
A: "Ich wollt nur deine Meinung dazu hören, aber langsam fürchte ich, dass wir seit einer halben Stunde an einander vorbeireden."
B: "Glaubst du? Aber es war interessant, mit dir über Kurzfilme zu diskutieren."
A: "Ich wollte doch mit dir über die beiden Kurz-Filme sprechen!"
B: "Fangen wir jetzt wieder von vorne an?"