Ich kämpfe gegen den Krebs

Kurt Kuch: "Wenn ich mich fallen lasse, hat der Krebs in der Sekunde gewonnen"

von Kurt Kuchs Kampf gegen den Krebs © Bild: Ian Ehm/NEWS

Vor seinen Artikeln zittern alle, die etwas zu verbergen haben. NEWS-Aufdecker Kurt Kuch hat den Telekom-Skandal ans Licht gebracht. Wegen Vorwürfen, die er aufgedeckt hat, steht derzeit gerade Ex-Spitzenpolitiker Peter Westenthaler vor Gericht. Und nachdem Kurt Kuch im Vorjahr die geheimen Briefkastenfirmen von Star-Banker Herbert Stepic öffentlich gemacht hatte, musste dieser als Chef der Raiffeisen Bank International den Hut nehmen. Doch seit dem 2. April 2014 ist für den Vollblutjournalisten alles anders. Da erhielt er die Diagnose: Lungenkrebs. Nun erzählt Kurt Kuch, wie er mit positivem Denken die Krankheit meistert und warum er als ehemaliger Kettenraucher sich für die Anti-Raucher-Initiative „Don‘t Smoke“ stark macht.

NEWS: Was war dein erster Gedanke, als du die Diagnose Lungenkrebs erhalten hast?
Kurt Kuch: Dass ich die Hochzeit meiner heute 12-jährigen Tochter nicht erleben würde. Da ist alles vorbeigezogen: ihre Matura, ihr erster Freund – dass ich bei allem nicht dabei sein würde, nur weil ich Trottel geglaubt habe, ich muss rauchen. Ich hätte mich in dieser Sekunde selbst umbringen können vor lauter unendlicher Blödheit.

NEWS: Wie hast du die Nachricht erhalten?
Kurt Kuch: Es war der erste Mittwoch im April. Gesagt hat es mir eine Oberärztin in einem kleinen Krankenhaus, in das ich mit dem Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall gegangen bin. Die haben eine CT (Computertomographie, Anm.) und eine MR (Magnetresonanztomographie, Anm.) gemacht, und am Mittwoch kam der Befund. Meine Eltern waren gerade zu Besuch, und mir ist es wirklich ganz, ganz dreckig gegangen. Die Oberärztin ist hereingekommen und hat gesagt: „Herr Kuch, die Diagnose ist da. Ich würde das gerne unter vier Augen besprechen.“ Ich habe geantwortet, dass es kein Problem ist, wenn meine Eltern das hören. Und dann hat die Ärztin gesagt: „So einen großen Tumor habe ich in meinem ganzen Leben noch nie gesehen.“

NEWS: Hast du gleich realisiert, wie ernst es ist?
Kurt Kuch: Ich habe gefragt, was das für ein Tumor ist, und die Ärztin hat gesagt: ein Lungentumor. Ich habe weiter gefragt, was ich für Chancen habe. Da war die Antwort: "Das kann man so nicht sagen." Die Ärztin hat dann begonnen, Dinge in Fachbegriffen zu erklären, ich habe aber nur noch Bahnhof verstanden. Heute weiß ich: Ich war faktisch schon im Endstadium.

NEWS: Wann wäre es zu spät gewesen?
Kurt Kuch: Zwei, drei Wochen wäre es noch gut gegangen, dann wäre ich tot gewesen.

NEWS: Wann ist dir klar geworden, wie gefährlich dieser Tumor ist?
Kurt Kuch: Meine Schwester, die Ärztin ist, wollte mich vorsichtig heranführen. Irgendwann hat sie einmal gemeint: "Du hast dir einen wirklich extrem aggressiven Tumor ausgesucht." Als ich dann das erste Mal so richtig alleine war, habe ich im Internet zu suchen begonnen. Und das war ein Jahrhundertfehler. Das, was man da liest, zieht einem den Boden unter den Füßen weg. Ich kann nur jeden davor warnen, in so einer Situation zu googeln. Das ohne professionelle Begleitung zu machen, ist eine der größten Schnapsideen. Einerseits steht viel Blödsinn auf den diversen Internetseiten. Und andererseits hat mich das mental richtig hinuntergerissen.

NEWS: Was hast du dann gemacht?
Kurt Kuch: Ich hatte schon vorher - direkt nach der Diagnose -psychologische Unterstützung in Anspruch genommen. Für mich war nun klar, dass ich das viel intensiver machen muss. Und das hat mir dann wirklich geholfen.

NEWS: Wie hat dich der Psychologe wieder aufgebaut?
Kurt Kuch: Der Psychologe hilft dir, dich an Situationen zu erinnern, in denen du ganz unten warst. Die gibt es ja mehrfach im Leben. Aber vor allem hilft er dir, dich zu erinnern, wie du dich aus diesen Situationen wieder herausgearbeitet hast. Dann bekommst du die Gewissheit und das Selbstvertrauen: Auch wenn es mir jetzt im Moment den Boden unter den Füßen wegzieht -ich habe die Fähigkeit, mich da wieder heraus zu holen. Und diese Fähigkeit rufe ich jetzt ab. Damit gibt es kein Problem mehr. Und das nächste, worauf du kommst, ist, dass dir keine Diagnose der Welt den Boden unter den Füßen wegziehen kann. Das ist eine reine Kopfgeschichte.

NEWS: Jeder, der deine Krankengeschichte mitverfolgt, bewundert dich dafür, dass du praktisch vom ersten Moment an positiv auf die Zukunft eingestellt warst. Du gehst mit großem Kampfgeist und Optimismus in die Situation hinein. Wie schaffst du das?
Kurt Kuch: Was wäre der Umkehrschluss? Wenn ich mich fallen und gehen lasse, dann bin ich mir ganz sicher, dass der Krebs in der Sekunde gewonnen hat. Dann ist es vorbei. Nach der Diagnose habe ich schon zwei Tage gebraucht, bis ich mich gefangen habe. Man darf nicht vergessen, dass ich auch Verantwortung habe: Ich habe eine Frau und eine zwölfjährige Tochter. Da kann man nicht einfach sagen: Na ja, ist jetzt halt blöd gelaufen. Und außerdem glaube ich, dass ich grundsätzlich ein positiver Mensch bin - und Weltmeister im Verdrängen, im Ausblenden.

NEWS: Es hat jedenfalls sehr rasch einen großen Erfolg in der Therapie gegeben.
Kurt Kuch: Bei der zweiten oder dritten Chemotherapie ist ein Lungenröntgen gemacht worden. Und auf einmal war der Tumor, der zuvor einen Durchmesser von elf Zentimetern hatte, weg. Die Ärzte waren ganz euphorisch. Der Tumor war offenbar sehr instabil und hat super auf die Chemotherapie reagiert. Das hat mir einen richtigen Schub gegeben. Und einen zweiten Schub hat mir die Entscheidung gegeben, die Erkrankung öffentlich zu machen.

NEWS: Du erzählst und zeigst tausenden Menschen auf Facebook oder Twitter, wie es dir geht.
Kurt Kuch: Ich habe mit (dem früheren Grünen Nationalratsabgeordneten, Anm.) Karl Öllinger darüber gesprochen, der selbst krebskrank ist und das öffentlich gemacht hat. Und ich habe auch mit dem Psychologen sehr viel darüber gesprochen. Für mich war der entscheidende Punkt, wie meine Tochter mit der Krankheit umgeht.

NEWS: Wie hast du deiner Tochter die Situation erklärt?
Kurt Kuch: Der Psychologe hat gesagt: auf gar keinen Fall versuchen, die Krankheit zu verheimlichen. Kinder bekommen ohnehin alles mit. Man sollte die Situation nicht in den dunkelsten Farben ausmalen, sondern einfach sagen, was Sache ist. Kinder können damit umgehen.

NEWS: Wie hast du es ihr gesagt?
Kurt Kuch: Ganz einfach: "Ich habe Lungenkrebs." So schaut das aus. Und dass das ernst ist. Dass man daran auch sterben kann, aber dass ich daran nicht sterben werde. Und dann habe ich ihr versucht zu erklären, was ein Tumor ist, was Metastasen sind - ganz normal. Und dann kamen jeden Tag Fragen - eigentliche völlig nebenbei und zwischendurch: "Wo ist eigentlich dein Tumor?" Oder: "Wie groß ist das?" Und dann haben wir wieder über ganz andere Dinge gesprochen. Da habe ich gesehen, dass sie damit umgehen kann. Und dann konnte ich damit auch an die Öffentlichkeit gehen.

NEWS: Wie kann man in so einer Situation positiv bleiben?
Kurt Kuch: Du musst versuchen, dich mental gut einzustellen und an positive und lustige Sachen zu denken. Wenn du längere Zeit zum Nachdenken hast, dann musst du daran denken, wie du dir wirklich große Siege erarbeitet hast. Wie du dich von ganz unten wieder hinauf gebracht hast. Und was du unbedingt brauchst, sind Ziele, die in einem überschaubaren Rahmen sind.

NEWS: Welche Ziele zum Beispiel?
Kurt Kuch: Für mich war am Beginn der Therapie im April klar: Ich habe jetzt vier bis sechs Chemos. Und wenn das vorbei ist, dann halte ich ein Versprechen ein, das ich meiner Tochter gegeben habe. Ich hatte ihr versprochen, dass sie sich - wenn sie im Zeugnis lauter Einser hat - eine europäische Hauptstadt aussuchen darf, in die wir fliegen. Da sie im Halbjahr lauter Einser hatte, wären wir zu Ostern nach London geflogen. Das mussten wir aber wegen meiner Krankheit stornieren. Für mich war klar: Das erste, was ich tue, wenn ich da aus dem Spital herauskomme, ist: Ich fliege mit meiner Tochter nach London. Das war das große Ziel. Und das haben wir auch genau so gemacht.

NEWS: Du bist von Natur aus ein positiver Mensch. Was können Menschen machen, die nicht so gestrickt sind?
Kurt Kuch: Das kann man ganz sicher lernen - schon alleine, in dem du dir die Alternative vorstellst: depressiv werden und sterben. Und es ist noch etwas: Ich empfinde Krebs als Krieg. Ich lasse den Tumor nicht Teil von mir werden. Ich will ihn besiegen. Manche Krebspatienten haben die umgekehrte Strategie und sagen: "Das ist mein Krebs." Ich pfeif drauf. Ich habe nichts damit zu tun. Krebs ist Krieg. Im Krieg liegst du im Schützengraben. Und was schon der Fall ist - auch wenn du mit anderen sprichst, mit denen du im Krankenhaus im Zimmer liegst: Im Schützengraben gibt es nicht viele Atheisten. Man klammert sich dann schon an etwas - die einen an Gott, die anderen an irgendeine höhere Ordnung, wo man sagt: Bitte hilf mir.

NEWS: Glaubst du an Gott?
Kurt Kuch: Ja.

NEWS: Erst seit der Erkrankung?
Kurt Kuch: Nein, schon vorher. Ich bin evangelisch und bin auch bewusst nie aus der Kirche ausgetreten. Ich habe das ein, zwei Mal überlegt - zum Beispiel, als der Kärntner Superintendent (den früheren Landeshauptmann, Anm.) Jörg Haider nach dessen Tod quasi seliggesprochen hat. Da habe ich lange überlegt, ob ich nicht austrete. Und meine Entscheidung war dann sehr bewusst, dabei zu bleiben.

NEWS: Betest du?
Kurt Kuch: Selten - aber in solchen Situationen, wenn es dann wirklich eng wird. Das Stoßgebet, das gibt es. Auch wenn ich sonst mit der Institution Kirche nicht allzu viel anfangen kann.

NEWS: Lebst du nach der Krebsdiagnose jetzt bewusster?
Kurt Kuch: Die Beziehung zu meiner Frau ist viel enger geworden - natürlich auch, weil ich viel mehr zu Hause bin. Zu meiner Tochter detto. Intensiver lebe ich eigentlich nicht - aber ganz sicher bewusster. Und: Es ist eine gewisse Nicht-Bereitschaft zur Zeitverschwendung da.

NEWS: Wie wichtig ist in deiner Situation ein positives Umfeld?
Kurt Kuch: Entscheidend. Meine Frau ist die ganze Zeit für mich da. Das rechne ich ihr extrem hoch an. Auch meine Eltern kümmern sich um mich. Und ich habe ein sehr dichtes Netz an Freunden. Jeden Tag kommt jemand zu Besuch. Da entsteht eine ganz andere Stimmung. Und natürlich kommen auch Informanten. Es kommen Anwälte, es kommen Beamte, es kommen Leute aus der Justiz -und die erzählen mir viel mehr, als sie mir vorher in meinem aktiven Berufsleben erzählt haben. Weil ich ihnen ja auch zusichere, dass ich meinen Krankenstand nicht abbreche, um gleich einen Artikel darüber zu schreiben.

NEWS: Du bist immer ein Vollblutjournalist gewesen und hast mehr als hundert Prozent für den Job gegeben. Wenn man dann so jäh aus dem Berufsleben gerissen wird - hat man Entzugserscheinungen oder erkennt man dann, dass man falsch gelebt hat?
Kurt Kuch: Da gibt es so Phasen: Am Anfang war ich total froh, dass das gedanklich so weit weg war. Da waren mein Job und die ganze Medienbranche etwas Surreales für mich. Jetzt bin ich der Junkie, der den ganzen Tag auf Twitter, auf Facebook und auf den Nachrichten-Internetseiten hängt, damit ich ja nichts versäume.

NEWS: Nagt es an dir, wenn andere eine tolle Story haben? Oder sagst du dir einfach: Ich spiele lieber mit meiner Tochter?
Kurt Kuch: Manchmal nagt es schon. Aber so richtig nahe, wie wenn ich mitten im Job stehen würde, geht es mir nicht. Was ich mir überlege: Wenn alles gut geht und ich im März oder April wieder arbeiten kann - mit welcher Story werde ich groß einsteigen? Meiner Meinung nach kann das nur eine mit internationaler Bedeutung sein. Und da habe ich schon die eine oder andere Idee.

NEWS: Du ziehst dich - wenn alles positiv ausgegangen ist - also nicht auf das Parkbankerl zurück?
Kurt Kuch: Nein, sicher nicht. Das werde ich machen, wenn ich 67 bin. Vorher will ich aber noch etwas bewegen.

NEWS: Früher bestand dein Tag aus 14 bis 16 Stunden Arbeit, drei Packerl Zigaretten, zehn Tassen Kaffee und zwei Riesenpizzen um halb elf am Abend.
Kurt Kuch: Dann bin ich mit einem Ziegelstein im Bauch schlafengegangen und habe das am nächsten Tag wiederholt. Und hin und wieder habe ich mir noch mit Informanten die Nächte um die Ohren gesoffen.

NEWS: Was sagst du heute dazu?
Kurt Kuch: Ich bedauere das nicht. Aber ich bin jetzt 42 und körperlich - vom Krebs einmal abgesehen - auf dem Niveau eines 60-Jährigen. Es ist nicht mehr notwendig, dass ich mit jedem Informanten bis drei Uhr in der Früh Mächtigkeitstrinken veranstalte. Und das Rauchen ist sowieso der größte Blödsinn überhaupt.

NEWS: Du hast 25 Jahre geraucht
Kurt Kuch: Länger. Ich habe mit 13 angefangen. In der Handelsakademie habe ich ungefähr eine Schachtel am Tag geraucht. Ich habe gewusst, ich brauche ungefähr 50 Schilling am Tag: Das ist ein Liter Benzin für die Vespa, ein Packerl Tschick und ein kleiner Brauner im Kaffeehaus. Und auf diese Summe bin ich immer mit Schülerjobs gekommen. Wie ich dann studieren gegangen bin, sind es zwei Schachteln Zigaretten geworden. Und seit ich 30 bin, waren es dann drei Schachteln.

NEWS: Hast du eine Ahnung, wie viel da über die Jahre zusammengekommen ist?
Kurt Kuch: Als ich heuer - wenige Wochen vor der Krebsdiagnose - aufgehört habe zu rauchen, habe ich mir ausgerechnet, dass es ungefähr 457.000 Zigaretten gewesen sind. Damals habe ich eine Gesundenuntersuchung gemacht, die ergeben hat, dass ich - rein rechnerisch - 56 Jahre lang geraucht habe. Und ich glaube, das reicht.

NEWS: Auch heute beginnen sehr viele Jugendliche früh zu rauchen.
Kurt Kuch: Ich glaube, dass es noch schlimmer ist als damals - mit den ganzen Shishas (Wasserpfeifen, Anm.) und so. Weil das beim Inhalieren nicht so weh tut. Und weil es leicht verfügbar ist und wie ein Spielzeug ausschaut. Ich erinnere mich genau: Ich bin in der 3. Klasse Unterstufe am Wandertag zuerst beim Biertrinken und dann beim Rauchen erwischt worden. Dann musste ich zum Direktor. Der wollte die Unterschrift beider Elternteile, dass ihr Sohn beim Rauchen erwischt wurde. Ich habe die Unterschriften gefälscht und habe mich einfach nicht mehr erwischen lassen. Aber im Prinzip habe ich das damals als cool empfunden. In Wahrheit war Rauchen die dümmste Entscheidung meines Lebens.

NEWS: Du engagierst dich für die Anti-Raucher-Kampagne "Don't smoke". Wann siehst du deinen Einsatz als Erfolg?
Kurt Kuch: Wenn ein einziger deshalb aufgehört hat zu rauchen. Als Raucher blendest du die wahren Risiken komplett aus. Da sagst du dir: Na ja, wenn es blöd läuft, bekommst du COPD (eine "Raucherlunge", Anm.). Dann hast du halt irgendwann einmal vielleicht ein Sauerstoffflascherl in der Hand. Auch, dass du Lungenkrebs bekommst, kann dir passieren: Dann, so denkst du dir, schneiden sie dir halt ein Stück heraus, und die Welt ist wieder in Ordnung. Aber dass du gleich den superaggressiven Tumor erwischt, davon gehst du nicht aus. Alle sechs Wochen sterben 1.000 Menschen an den Folgen den Rauchens, jeder achte davon ist Passivraucher. Das sind richtig viele. Verkehrstote gibt es pro Jahr nicht einmal 500.

NEWS: Wann ist dir klar geworden, dass Rauchen eine Sucht ist und kein Genuss?
Kurt Kuch: Kognitiv war mir das immer klar. Das habe ich aber einfach so zur Kenntnis genommen und dem keine weitere Bedeutung beigemessen. Wie dumm das war, wird einem erst klar, wenn man an der Chemo hängt: Wenn du dort stundenlang liegst, deine Blase übergeht, das Flascherl zu weit weg ist und du nicht in der Lage bist, dass du es auf die Toilette schaffst; du dann nach der Krankenschwester läutest und ein bisschen über 40 bist und in Wahrheit ein Pflegefall - dann fragst du dich schon, ob das die Gaudi wert war.

NEWS: Bist du der jüngste Patient auf der Krebsstation?
Kurt Kuch: Nein. Ich bin leider nicht der jüngste. Und ich habe auch schon gesehen, dass Patienten weiterrauchen. Die sagen, es ist eh schon egal.

NEWS: Wie hoch ist der Raucheranteil auf der Onkologie?
Kurt Kuch: Bis auf einen waren alle, mit denen ich dort bisher das Zweibettzimmer geteilt habe, früher Raucher. Das waren sieben Leute. Nicht nur Lungenkrebs-Patienten, auch Speiseröhrenkrebs, Luftröhrenkrebs und Darmkrebs. Was ganz wichtig ist: Ich hatte immer Angst zu scheitern. Das war eigentlich der Grund, warum ich nicht versucht habe, früher mit dem Rauchen aufzuhören. Weil ich mir sicher war, dass ich das nicht schaffe. Aber wie es dann soweit war, war es ganz einfach. Der körperliche Entzug hat vielleicht drei Tage lang gedauert. Das war's. Ich kann jedem Raucher nur sagen: Aufhören ist viel einfacher, als man glaubt. Es ist eine reine Kopfgeschichte. Und wer drei Tage schafft, hat 98 Prozent geschafft.

NEWS: Was antwortest du jemandem, der die häufig verwendete Ausrede bringt, dass der frühere britische Premierminister Churchill auch geraucht hat und trotzdem 90 Jahre alt geworden ist?
Kurt Kuch: Mein Großvater ist auch 88 geworden und hat mit 13 zu rauchen begonngen. Er hat allerdings mit 65 aufgehört. Ich habe mir immer gedacht, ich hätte seine Konstitution, und es würde bei mir auch kein Problem sein. Irrtum. Falsch gedacht.

NEWS: Wie viele Personen aus deinem engeren Bekannten- und Freundeskreis haben zu rauchen aufgehört, nachdem sie von deiner Krankheit erfahren haben?
Kurt Kuch: Sehr viele. Ich schätze, zehn bis zwölf Leute. Dazu kommen zahlreiche Facebook-Bekanntschaften.

NEWS: Österreich gilt im internationalen Vergleich als eines der Länder, wo am wenigsten gegen das Rauchen getan wird. Was forderst du von der Politik?
Kurt Kuch: Es ist so typisch österreichisch. Es ist das klassische Herumgeeiere, die Gesetze sind nicht Fisch, nicht Fleisch. Was fordere ich? Das eine ist einmal Nichtraucherschutz: Wie kommen Schutzbefohlene, also Kinder, dazu, dass sie Zigarettenrauch ausgesetzt sind? Wenn ich am Sonntag ins Wirtshaus gehe, dann wird dort geraucht. Das Zweite sind die Arbeitnehmer in der Gastronomie. Es stimmt nicht, dass diese so einfach kündigen und in ein Nichtraucher-Lokal wechseln können. Dafür gibt es viel zu wenige Jobs, das ist lebensfremd. Der entscheidende Punkt ist: Gelegenheit macht Diebe. Wenn ich überall rauchen kann, dann werde ich überall rauchen. Und das weiß ich als ehemaliger Raucher am besten. Ich habe überall geraucht. Auch dort, wo es verboten, aber sanktionslos war. Umgekehrt habe ich auf Auslandsreisen sehr wohl kennengelernt, was strenge Rauchergesetze und Nichtraucherschutz bedeuten. Warum funktioniert es in jeder Bananenrepublik - nur in Österreich nicht?

NEWS: Findest du, dass Zigaretten bei uns zu billig sind?
Kurt Kuch: Ja sicher. Und jetzt werden sie noch billiger. Sie sind nicht nur zu billig, sondern auch zu einfach zu bekommen.

NEWS: Was erwartest du dir von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser?
Kurt Kuch: Wichtig wäre eine Anhebung des Schutzalters. Normalerweise dürfte es vor 18 keine Zigarette geben. Und jetzt zu einem ganz wichtigen Missverständnis: Auch ich habe Nichraucherlokale gemieden, weil ich gesagt habe, ich lasse mir doch von denen meine bürgerlichen Freiheiten nicht einschränken. Da bitte ich jeden Raucher, der schon einmal so wie ich im Winter mitten in der Nacht im Schlafrock zum Zigarettenautomaten gelaufen ist, darüber nachzudenken, wo da die bürgerliche Freiheit ist. Das ist reine Selbstversklavung. Und wenn man sagt: Okay, man ist bereit, diesen Preis zu zahlen und dafür allenfalls auch sehr viel früher zu sterben, nicht zu erleben, wie seine Kinder groß werden, seine Enkelkinder niemals zu sehen - ja, dann kann man ihm eh nicht helfen.

NEWS: Nicht nur in Lokalen, auch in Büros wird geraucht.
Kurt Kuch: Ich habe es immer okay gefunden. Aber jetzt würde ich einfach -wenn es sein muss - jeden einzelnen bei der Hand nehmen und sagen: Besuch mich, wenn die Chemo läuft! Ich führe dich durch die Onkologie. Ich zeige dir, wie die Leute sterben. Dann denke noch einmal darüber nach!

NEWS: Du hast einmal gesagt: Statistisch gesehen habe ich zwei Prozent Überlebenswahrscheinlichkeit, aber in Wahrheit sind es 50 Prozent. Wie hast du das gemeint?
Kurt Kuch: Ich habe mit einem Arzt, der ein Freund von mir ist, darüber gesprochen. Der hat gesagt: Vergiss die zwei Prozent, es sind immer 50. Entweder du schaffst es - oder du schaffst es nicht. Es ist immer Fifty-Fifty. Das war am Ende meines ersten Behandlungszyklus. Und das halte ich für einen super Zugang.

NEWS: Seit kurzem ist der Krebs zurück, und du befindest dich wieder in Therapie. Welches Ziel hast du dir diesmal gesteckt?
Kurt Kuch: Diesmal habe ich ein längerfristiges Ziel. Ein Freund hat Karten für das Fußball-Champions-League-Finale im Juni in Berlin gekauft und gesagt: "Da gehen wir zu zweit hin." Und ich weiß ganz genau: Ich werde beim Champions-League-Finale sein.

Kommentare

Die Art und Weise, wie Herr Kuch seine Dignose erfahren hat, spricht nicht unbedingt für das große Feingefühl der Oberärztin.
Mir ist es nicht verständlich, wie manche Ärzte ihren Job mit Null Feingefühl ausüben können.
Ich wünsche Herrn Kuch viel Kraft und dass er schnell wieder ganz gesund wird.

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