Künstler zurück an die Macht!

Eine Personal-, Diversity- und IT-Expertin als Rektorin der Linzer Kunst-Uni. Es wird Zeit, dass sich die Künstler die Hoheit über die Ausbildung zurückholen. Aber wie?

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Einen Fachmann hätte es schon gegeben: Martin Fritz hat Jahrzehnte lang Kunstprojekte kuratiert, ehe er Rektor der einschlägig renommierten Merz-Akademie in Stuttgart wurde. In gleicher Funktion an die Linzer Kunst-Uni zu wechseln, blieb ihm freilich verwehrt, ungeachtet seines Vordringens auf den Dreiervorschlag. Weil die Politik wissen ließ, dass sie für die Nachfolge des Langzeit-Rektors Kannonier "lieber eine Frau" sähe, tritt also im Herbst die Juristin Brigitte Hütter an, derzeit "Vizerektorin für Personal, Diversity und IT" an der Kepler-Universität. Aha. Dabei dachte ich, an der Kunst-Uni werde Kunst gelehrt. Es sollen sich auch mehr oder weniger maßgebliche Künstler beworben haben, aber die überstanden nicht einmal das Vorauswahlverfahren. Und immerhin hat Frau Hütter interimistisch das Salzburger Mozarteum geleitet, als der dortige Rektor im #Metoo-Strudel versank und das Institut im Existenzchaos auf der Weltrangliste um fast 50 Plätze abstürzte.

Rektorin Hütter ist also immer noch überqualifiziert gegen die Dritte auf dem Dreiervorschlag: Sonja Hammerschmid war das, vormals Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität und als SP-Bildungsministerin u. a. für die Marginalisisierung des Musik- und Literaturunterrichts weiter verantwortlich. Als Erfinderin der Zwangsbemusterung Zehnjähriger mit Tablets hat sie zudem die mittelfristige Abschaffung des Buchs und die Multiplikation der nationalen Analphabetenrate auf den Weg befördert. Dass sie für Linz auch nur in Erwägung gezogen werden konnte, entspricht der gängigen Verhöhnungspraxis im Umgang mit Kunst.

Die Linzer Vorgänge stehen exemplarisch für das allgemeine Dilemma, seit zu Zeiten der Bildungsministerin Gehrer die Universitäten ausgegliedert wurden. Während die wissenschaftlichen Unis weiterhin von qualifizierten akademischen Lehrern geführt werden, weiß man an den Kunsthochschulen nicht mehr, wen man eigentlich sucht: einen Künstler, wie früher obligat, jedenfalls nicht. Eher einen Verwalter, der die früher unter staatlicher Obhut gedeihenden Institute durch die permanente Finanznot pilotiert (indem er zum Beispiel die staatlichen Zuschüsse mittels steigender Mieten an die Republik rücküberweist).

Das bedeutet nicht, dass die regierenden außerkünstlerischen Rektoren grundsätzlich schlechte Arbeit leisten. An der Wiener Kunstakademie erwirbt sich Eva Blimlinger gerade temporäre Unsterblichkeit durch die Installierung der Unisex-Toilette (unter ihren Vorgängern finden sich der Architekt Gustav Peichl und der feuerköpfige Kunsttheoretiker Boris Groys). An der "Angewandten" verrichtet der Jurist und Ministerialbeamte Gerald Bast unauffällige, aber erfolgreiche Arbeit. Ob die ihm vorangegangenen Branchenriesen, etwa Alfred Roller, Johannes Spalt, Oswald Oberhuber oder Wilhelm Holzbauer, nicht näher an der Materie waren, wäre dennoch zu untersuchen.

Noch komplizierter ist die Situation an den Ausbildungsstätten für Musik und Schauspiel. Große Sänger und Solisten sind quasi von Berufs wegen Nichtsesshafte. Dass eine erstklassige Schauspielerin wie Tamara Metelka (am Reinhardt-Seminar) für die neue Aufgabe den Beruf ein Stück zurückfährt, ist die Ausnahme. Was also tun? Dass man einen bestvernetzten Informierten wie den früheren Wiener Kulturstadtrat Mailath-Pokorny ans Konservatorium beruft – geschenkt. Weniger überzeugt der Blick auf die Musik-Uni. Dort amtierte einst Erwin Ortner, der Gründer des Schönberg-Chors: ein Glücksfall, denn ein Chordirektor muss nicht ständig reisen, selbst wenn seine Formation in der Weltliga logiert. Aber Amtsinhaberin Ulrike Sych, deren Triumphe als Sopranistin wie Rektorin maximal verhalten durch die Kunstwelt hallen? Künstler allein genügt also auch wieder nicht.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: sichrovsky.heinz@news.at