Wiener Staatsoper: Das Repertoire glänzt auch im Stream

Piotr Beczała sang in Wien zum ersten Mal Massenets „Werther“ – ein Ereignis

von
THEMEN:
Kritik - Wiener Staatsoper: Das Repertoire glänzt auch im Stream © Bild: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Der Kulturbetrieb ist im Lockdown verstummt, nicht aber an der Wiener Staatsoper. Das Haus spielt und streamt in erstklassiger Besetzung. Einer der Höhepunkte im Repertoire wäre die Aufführungsserie von Jules Massenets „Werther“ mit Piotr Beczała gewesen. Daraus wurde nur eine Vorstellung und die wurde im Live-Stream gezeigt. Journalisten waren zur Aufzeichnung geladen. News war dabei und sah den Stream auf Myfidelio.

Großes Musiktheater bahnt Bertrand de Billy am Pult schon bei der Ouvertüre an. Da ist sofort alles da und bleibt: Dramatik, zarte, schwebende lyrische Passagen. Das Orchester folgt ihm mit Hingabe, de Billy nützt die Qualitäten der Wiener Philharmoniker. Ideale Voraussetzungen für einen Sänger von Weltrang wie Piotr Beczała. Vor mehr als zwei Jahrzehnten sang er die Titelrolle in Massenets Vertonung von Goethes Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“ zum ersten Mal. Die Partie ist über die Jahre zu einer seiner Paraderollen geworden. Das lässt er bereits bei seiner Auftrittsarie „O nature, plein de grace“ hören. Man hört den feinsinnigen Stilisten. Strahlende Höhen, faszinierende Phrasierungen, eine Wärme in der charismatischen Stimme, ein fein schattiertes Spektrum an Klangfarben. Phänomenal das „Pouqoui me reveiller“! Vollkommen kann man diesen Gesang nur nennen. Auch schauspielerisch zeigt er diesen jugendlichen Schwärmer in all seinen Facetten, einen jungen Mann, dessen Leben durch eine Frau aus dem Lot gerät. Da passt alles. Gaëlle Arquez ist eine sehr ordentliche Charlotte. Sie hält sich emotional zurück und führt ihren vollklingenden Mezzosopran sicher. Daniela Fallys Sophie ist immer wieder eine Augen und Ohrenfreude. Clemens Unterreiner hat sich als Albert nicht zum ersten Mal bewährt wie Felix Kammerer als Le Bailli. Aufhorchen lassen die beiden jungen Sänger in den kleinen Rollen, Andrea Giovannini als Schmidt und Michael Rakotoarivony.

Der anschließende Vergleich von Live und Stream auf Myfidelio demonstriert, dass sich Andrei Serbans Inszenierung, die das Geschehen rund um einen überdimensionalen Baum ablaufen lässt, Möbel im Stil der Fünfzigerjahre, inklusive, auch am Bildschirm funktioniert, und die Aufführung zeigt, das Repertoire der Wiener Staatsoper glänzt - auch im Stream.

Kommentare