Wie Woody Allen - nur cooler

Die Uraufführung von René Polleschs „Carol Reed“ ist wie großes Kino

Vier Personen suchen ein Bühnenbild. Nein, hier wird keine postmoderne Weiterentwicklung von Luigi Pirandellos „Sechs Personen suchen einen Autor“ betrieben. Der deutsche Dramatiker René Pollesch hat ein fulminantes Konversationsstück für grandiose Schauspieler geschrieben. Birgit Minichmayr und Martin Wuttke brillieren und werden ideal von Tino Hillebrand und Irina Sulava ergänzt.

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Kritik - Wie Woody Allen - nur cooler © Bild: Marcella Ruiz Cruz

Der titelgebende Carol Reed ist der Regisseur der legendären Thrillers „Der dritte Mann“. Mit Polleschs Text hat er nichts zu tun, außer, dass dessen in Wien angesiedeltem, legendärem Werk die Qualität eines Hitchcocks-Films attestiert wurde, von dem im Stück immer wieder die Rede sein wird. Denn Pollesch zeigt großes Kino. Die Bühne ist leer, auf zwei Schienen werden Scheinwerfer gehoben und gesenkt, einer davon fahndet nach irgendetwas. Martin Wuttke tritt im Smoking, gestylt nach James Bond, auf und stellt klar: das Bühnenbild wird gesucht. Im rosa Prinzessinnenkleid erscheint Birgit Minichmayr, parliert aufgeregt mit Wuttke über das Fehlende. Als junges Paar komplettieren Tino Hillebrand und Irina Sulava das Quartett, das einem Film Woody Allens entstammen könnte. Wuttke agiert als cooler Intellektueller und gibt sich immer wieder als Hitchcock-Figur namens MacGuffin aus, eine Art deus ex machina, der dem Fortgang der Handlung dienen soll. Minichmayr hat den Part der leicht hysterisierten Mia Farrow. Nur dieser Theatertermin hätte sie Selbstmord abgehalte, sagt sie. Für eine Szene wechselt man in Raumanzüge. Das wiederum könnte eine mögliche Anspielung auf den Oscar- Film „Gravity“ aus dem Jahr 2013 sein. Im Grunde kann sich jeder denken und vorstellen, was er will. Denn bei Pollesch kann alles sein, aber nichts muss sein. Und das ist das Tolle an Polleschs Theater. Befreiend, cool, für starke Schauspieler.