Ausgeraucht

Über die Premiere von Yasmina Rezas Stück "Bella Figura" im Akademietheater

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Leben - Ausgeraucht

Gesellschaftssatiren wie "Kunst" und "Dreimal Leben" ist es geschuldet, dass Werke der Französin Yasmina Reza als Ereignisse der Gegenwartsdramatik bejubelt werden. Katastrophen des alltäglichen Lebens mit Prisen von Humor zu Dramentexten zu formen, ist das bewährte Muster, nach dem Reza ihre Stücke fertigt. Bei ihr wird Leben gespielt, wie manche von uns in Kindertagen mit dem Spielzeug-Kaufmannsladen "Einkaufen" oder mit einer kleinen Tafel "Schule" gespielt haben. Je nach Gemütsverfassung wurde der Alltag der Erwachsenen oder der eigene abgebildet, manchmal durfte auch Dramatisches passieren.

Ähnliche Befindlichkeiten stellen sich bei Rezas Stücken ein. Bescheidet man sich damit, gespieltes Leben auch einmal abseits der "Lindenstraße" zu sehen, wird man von "Bella Figura" unterhalten werden.

Langweilige Beziehungshöllen

Die Geschichte beginnt banal: Boris, verheiratet, Vater von zwei Kindern, steht vor dem Bankrott seiner Firma. Andrea ist Alleinerziehende Mutter einer neunjährigen Tochter, Apothekenangestellte, medikamentensüchtig und raucht Kette. Seit vier Jahren trifft sich das Paar. Hier im gelben Cabrio, das auf Stephane Laimes Kitschbühne prangt. Man diskutiert die Verhältnisse, den Fortgang des Abends. Essen gehen oder doch gleich ins Hotel? Bald ist klar, hier quälen einander zwei. Soweit so banal. Der Rest wirkt hanebüchen: damit sich eine Handlung in Gang setzen kann, muss schon etwas passieren. Hier geschieht Folgendes. Boris hat ausgerechnet ein Restaurant für ein gemeinsames Abendessen mit seiner Geliebten gewählt hat, das seine Frau empfohlen hat. Dass er ausgerechnet dort die künftige Schwiegermutter von Francoise, der besten Freundin seiner Frau im Rückwärtsgang mit seinem Cabrio umstößt, ist doch etwas zu viel, auch wenn die Frau unverletzt bleibt. inzwischen erst eine halbe Stunde vergangen ist, glaubt man kaum. Eine weitere soll noch folgen,sagt das Programmheft. Die aber fühlt sich wie drei an. Francoise und Eric wollen den Geburtstag seiner Mutter feiern. Boris und Andrea bleiben,

Weshalb der Abend gemeinsam verbracht wird, kann das Stück nicht erklären. Man lernt zwei Paare in Beziehungshöllen kennen, das wirkt peinlich und nicht minder banal.

Erstickt im Glitterkitsch

Dietmar Giesing lässt das Stück laufen, zu interpretieren gibt es da fast nichts. Auf sein Ensemble kann er sich sowieso verlassenen. Wie joachim Meyerhoff (Boris) und Caroline Peter (Andrea) ihre Beziehungshölle ausspielen, ist grandios. Kirsten Dene,, Sylvie Rohrer und Roland Koch komplettieren auf gleicher Höhe. Ein Ärgernis ist Stephane Laimes Bühne. Als wäre das gelbe Cabrio nicht schon genug, werden auch Bars hin und hergeschoben, Landschaften mit Sonnenuntergang projiziert und Glittervorhänge aufgezogen. Warum? Wenn am Ende Andrea verzweifelt nach einer Zigrette sucht, hofft man, dass die ausgeraucht sind, damit endlich Schluss ist.

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