Proben für den Ernstfall:
Was am Tag X zu tun ist

Die österreichweite Krisenübung "Helios" läuft noch bis Mittwoch und soll fiktiv auf ein österreichweites Blackout und seine Folgen vorbereiten. Aber wie kann man sich als Einzelner auf den Ernstfall vorbereiten?

von Krisenübung - Proben für den Ernstfall:
Was am Tag X zu tun ist © Bild: iStockPhoto.com

Ein globaler Stromausfall, ein Reaktorunfall oder Zombies, die die Menschheit ausrotten wollen: Es gibt viele Szenarien, warum es wichtig ist, auf eine Ausnahmesituation vorbereitet zu sein. Und sogar der Zivilschutzverband veröffentlicht Listen, welche Lebensmittel eingelagert sein sollten

Sie haben gerade eine Nacht im Wald hinter sich. Nun sitzen sie um den Tisch, trinken Wildkräutertee und diskutieren, wie man Lebensmittel am besten haltbar macht. Es ist Tag drei des "Prepper Level 2"- Seminars. Neun Teilnehmer -alle männlich -erlernen dabei von Kursleiter Martin Mollay wichtige Fähigkeiten, um im Ernstfall zu überleben.

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Prepper lagern Essen ein und erzeugen ihren eigenen Strom. Sie wissen, wie sie zu Trinkwasser kommen, und können sich selbst verteidigen. Sie haben außerdem meist ein sicheres Versteck in einem abgeschiedenen Landstrich und einen Plan, wie sie auch im Notfall, wenn die Straßen überfüllt sind, dorthin gelangen. Sie trainieren ihren Körper. "Prepper zu sein, ist eine psychische und physische Einstellung. Es bedeutet, fit zu sein und sich auf das Wesentliche zu reduzieren", sagt Mollay. Seine Überzeugung: Gut vorbereitet kann man Krisensituationen überleben.

Szenarien, welche Krise derartige Überlebensfähigkeiten notwendig macht, gibt es etliche. Manche davon, wie der Einschlag eines Meteoriten, sind eher unwahrscheinlich. Andere, etwa Umweltoder atomare Katastrophen, werden selbst von Zivilschutzexperten als durchaus realistisch eingeschätzt.

Was wäre, wenn...

Robert Stocker leitet die Abteilung für Krisen-und Katastrophenschutz im Innenministerium (BMI). Er und seine Mitarbeiter treffen sich regelmäßig mit Vertretern von Blaulichtorganisationen, kritischen Infrastrukturen und wichtigen Unternehmen, etwa Energieversorgern. Gemeinsam werden Risikoanalysen durchgeführt und Strategien für den Ernstfall vorbereitet. Für realistische Szenarien in Mitteleuropa hält er: "Naturkatastrophen wie Hochwässer, die schnell Schäden von einer Milliarde Euro und mehr bewirken können, Industrieunfälle mit mehreren Toten, extreme Hitze oder Dürre, die ebenfalls zahlreiche Todesopfer fordern können, sowie großflächige IT-und Stromausfälle. Man soll nicht schwarzmalen, aber mögliche Kaskadeneffekte solcher Ausfälle schon bedenken."

Stocker ist zuversichtlich: "Ein Blackout, also einen längeren Stromausfall in einem Teil Österreichs, könnten wir als Gesamtgesellschaft bewältigen. Doch dazu ist es auch notwendig, die Menschen zu sensibilisieren, damit ein Haushalt zumindest einige Tage, idealerweise eine Woche, funktionsfähig bleibt." Ein Blackout kann die Folge der Überlastung unseres Stromnetzes sein. Oder Hacker könnten die Stromversorgung zum Erliegen bringen. An die Auswirkungen eines solchen Zwischenfalls denkt normalerweise kaum jemand. Der Niederösterreichische Zivilschutzverband hat daher einen 35-seitigen Ratgeber zu diesem Thema erstellt.

Dauert der Stromausfall nicht nur Minuten oder Stunden, sondern gar Tage, steht das öffentliche Leben still und Chaos würde ausbrechen. In den Geschäften würden Kühlregale, Gefrierschränke, Kassen und elektrische Türen nicht mehr funktionieren. Der Lebensmittelvorrat könnte ausgehen, Bargeld nicht mehr behoben werden. Zu Hause wäre es finster, sobald die Sonne untergeht. Fernseher, Computer, Heizungen, Waschmaschinen, Herd -nichts davon könnte verwendet werden.

Jeder solle daher einen Vorrat für mindestens zwei Wochen zu Hause haben, empfiehlt der Zivilschutzverband. Milchpulver, Konservendosen, Nudeln und Reis eignen sich besonders gut, da sie lange haltbar sind. BMI-Experte Stocker rät, nicht nur an die Einlagerung von Lebensmitteln und Trinkwasser zu denken, sondern auch Medikamente, die man dauerhaft oder im Akutfall braucht, und Verbandsmaterial zu Hause zu haben. Für den Fall, dass man seine gewohnte Umgebung verlassen muss, sollten Dokumente und Bargeld in kleinen Scheinen griffbereit sein. Und: Man sollte auch an seine Haustiere denken und Futter bereithalten. "Das ist wichtig für die Tiere, aber auch für die seelische Befindlichkeit der Tierhalter."

Verderbliche Lebensmittel sollte man im Krisenfall rasch und in größeren Mengen verarbeiten -ein Grill ist da von Vorteil. Für den Fall, dass auch das Abwassersystem ausfällt, wäre es nicht schlecht, dicht schließende Säcke daheim zu haben.

Wasser, Essen und Benzin

Martin Mollay und die Teilnehmer seines Kurses sind jedenfalls gerüstet. Sie haben auf ihren Hausdächern Photovoltaikanlagen installiert, besitzen Notstromaggregate und können auch mit Holz heizen. Mollay hat außerdem einen großen Gemüsegarten. Er ist, wie drei weitere Teilnehmer auch, Veganer. Daher muss er sich über die Beschaffung von Fleisch keine Gedanken machen. "Es ist falsch, zu glauben, dass man als Veganer nicht überleben kann und unbedingt Fleisch braucht", sagt Mollay. Hülsenfrüchte, Samen und Gemüse seien viel einfacher zu lagern.

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Wichtiger als Lebensmittel ist allerdings Wasser. Mollay hat immer mehrere spezielle Kanister zu Hause. Zusätzlich sind Filter oder Tabletten zur Wasseraufbereitung empfehlenswert. So kann aus verunreinigtem Wasser Trinkwasser gewonnen werden.

Doch nur Essen und Wasser einzulagern, bringe auch nicht viel, warnt Mollay.

"Wer das macht, wiegt sich in Scheinsicherheit. Aber langfristig funktioniert das nicht. Wichtig ist es, für drei Wochen überlebensfähig zu sein. Danach hat sich die Lage schon komplett verändert und es ist klarer, wie es weitergeht", sagt er.

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Staatliche Lebensmittelreserven gebe es nicht, erklärt BMI-Katastrophenschützer Stocker. Denn: "Die Lagerhäuser der großen Handelsketten sind ja voll mit nicht verderblichen Dingen. Es geht daher nicht um den Vorrat selbst, sondern darum, wie man in diesem Fall eine geordnete Abgabe organisieren kann." Vorräte hält das Innenministerium bei Treibstoffen. Für Rettungsfahrzeuge und andere wichtige Transportmittel steht ebenfalls eine Notfallbetankung bereit. Auch strategisch günstig gelegene Tankstellen sind identifiziert.

Das Innenministerium selbst ist für zwei Wochen Mindestbetrieb ausgerüstet. "Wir wissen, welche Personen wichtig sind und daher im Haus sein müssen und wie sie versorgt werden. Darüber hinaus bedarf es allerdings insbesondere im städtischen Bereich noch weiterer Vorräte, denn es wird bei einer länger andauernden Krise vielleicht auch Leute zu zentralen Punkten wie Behörden oder Krankenhäusern ziehen, die Hilfe brauchen", sagt Stocker.

Er rät auch, geistige oder organisatorische Vorsorge zu treffen, die über das Einlagern von Notfallgütern hinausgeht. "Wie kommunizieren wir, wenn das Telefon nicht funktioniert? Wie sind die Kinder versorgt, wenn ich nicht nach Hause kommen kann? An wen wenden sie sich? Dazu kann man ein paar grundsätzliche Vereinbarungen treffen." Und ganz praktisch: "Habe ich im Büro ein paar persönliche Dinge und ein bisschen Proviant, falls ich einmal nicht nach Hause fahren kann?"

Barfuß durch den Wald

Es ist zwar nicht kalt, aber doch frisch an diesem Wochenende. Trotzdem sind neben Mollay auch einige andere Teilnehmer barfuß unterwegs. Mühelos laufen sie durch den Wald. Wurzeln, kleine am Boden liegende Äste und Fichtennadeln können ihren Fußsohlen nichts anhaben. "Keine Schuhe zu benötigen, hat viele Vorteile", erklärt Mollay, der diese Kurse bereits seit zehn Jahren anbietet. Wer oft barfuß gehe, spüre auch die Kälte nicht und brauche sich keine Gedanken über Schuhe zu machen, die nur hinderlich seien. "Überquert man einen Bach oder regnet es stark, werden die Schuhe nass. Nasse Schuhe reiben, man bekommt wunde Stellen und Fußpilz. Dinge, die man in so einer Ausnahmesituation nicht brauchen kann", sagt Mollay.

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Er und die Kursteilnehmer wissen genau, wie sie sich vom Wald ernähren können. Sie wissen, wie ein Feuer gemacht wird. Sie wissen, wie sie sich in der Wildnis orientieren und wie sie auch ohne Strom überleben können. Angst, belächelt zu werden, haben sie eigentlich nicht. Denn im Falle der Katastrophe seien schließlich sie diejenigen, die überleben werden: Sie sind vorbereitet für Tag X.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News erschienen.