"Das werden die
Versicherten spüren"

WGKK-Chefin warnt vor Neuerungen und spricht von "absurder" Summe

Die Chefin der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), Ingrid Reischl, hat am Montag vor deutlichen Auswirkungen für Patienten gewarnt, wenn die geplante Neustruktur wie vorgesehen kommt. Sie bezweifelte im Ö1-Morgenjournal, dass es die versprochene "Milliarde" für die Versicherten geben wird. "Das kann sich nicht ausgehen", zeigte sie sich überzeugt. Reischl sprach von einer "absurden" Summe.

von Krankenhaus Wartezimmer © Bild: iStockphoto

Sie könne dies auch leicht vorrechnen, versicherte sie: "Wir geben im Jahr 90 Mio. Euro für die Verwaltung aus. Wenn ich jetzt alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kündigen würde, dann würde ich 90 Millionen sparen, aber es wird ja weiterhin Mitarbeiter brauchen, vor allem, wenn es um so eine riesige Fusion geht." Es werde den Patienten eine Milliarde versprochen, gleichzeitig seien im Gesetzesentwurf mehr Belastungen für die neue Krankenversicherung enthalten. Theoretisch müsse man somit fast zwei Milliarden Euro einsparen.

Im Video: Kassenreform: Woher kommt die "Patienten-Milliarde"?

Weniger Mittel zur Verfügung

Sie nannte dazu ein Beispiel: "Die Privatspitäler bekommen von der Krankenversicherung eine Pauschalzahlung. Diese Pauschalzahlung wird exorbitant erhöht. Die Privatspitäler sollen noch einmal 14,7 Mio. Euro jährlich bekommen zu den normalen Erhöhungen." Somit stünden der neuen Österreichischen Krankenversicherung weniger Mittel zur Verfügung. Gleichzeitig müsse diese die Unfallbehandlung übernehmen und damit die Beitragssenkung, die den Arbeitgebern versprochen worden sei.

Geld wird fehlen

Das Geld, das dem System entzogen wird, werde fehlen: "Das werden die Versicherten spüren." Wenn man Posten nicht nachbesetzt, werde man das merken, warnte Reischl. Wenn man etwa in den Außenstellen weniger Menschen hat, dann werde es dort zu längeren Wartezeiten kommen. Zuletzt habe man auch in den Wahlarzt-Bereich investiert, damit die Menschen nicht so lange auf ihre Wahlarzt-Rechnungen warten müssten: "Wenn ich hier nicht mehr nachbesetzen kann, werden die Menschen länger auf ihr Geld warten."

Länger dauern bis Kinderbetruungsgeld kommt

Auch in anderen Abteilungen drohen laut Reischl Auswirkungen: Es werde etwa länger dauern, bis das Kinderbetreuungsgeld kommt. Auch auf das Krankengeld würden die Menschen länger warten müssen, prophezeite sie.

Die WGKK-Obfrau gab zu bedenken, dass man schon vor über einem Jahr angeboten habe, die Aufgaben über die gesamte Sozialversicherung zu bündeln. Man sei davon ausgegangen, dass man 100 Mio. Euro sparen könne: "Das wäre möglich. Das ist ein langsamer Prozess." Reischl wies zudem darauf hin, dass die Leistungen zuletzt harmonisiert worden seien. Wenn nun aber die Beiträge in den jeweiligen Landesorganisationen blieben, sei dies nicht mehr möglich.

Gudenus: "Unwahre Panikmache"

Der geschäftsführende FPÖ-Klubobmann im Parlament, Johann Gudenus, konstatierte anlässlich der Kritik "unwahre Panikmache": "Mit der WGKK-Obfrau spricht eine abgehobene Funktionärselite, die das Sozial- und Gesundheitssystem in den vergangenen Jahren in die falsche Richtung geführt hat. Die Folge waren Verschlechterungen für die Patientinnen und Patienten sowie immens lange Wartezeiten." Die Regierung beende nun die Herrschaft einer "abgehobenen Funktionärskaste", kündigte Gudenus in einer Aussendung an - wobei er mehr Mittel für den medizinischen Bereich versprach.

Weitere Gesetze in Begutachtung

Im Zuge der geplanten Sozialversicherungsreform sind zwei weitere Ministerialentwürfe in Begutachtung gegangen. Es geht dabei um die Zusammenführung der Prüfungsorganisationen von Finanzverwaltung und Sozialversicherung sowie um die Überführung der Versicherung der Notare in eine eigenständige berufsständische Versorgungseinrichtung. Für beide Gesetze läuft die Begutachtung bis 19. Oktober.

Darabos ortet mutwillige Systemzerstörung

Auf Ablehnung stößt die geplante Kassenzusammenlegung im Burgenland. "Ein gut funktionierendes System wird mutwillig zerstört", kritisierte Gesundheits- und Soziallandesrat Norbert Darabos (SPÖ). Mit den sozialdemokratischen Gesundheitslandesräten sei seitens der Bundesregierung nicht geredet worden.

»Die Maßnahmen der Regierung bedeuten eine klare Schwächung der Arbeitnehmer und gehen zulasten der Versicherten«

"Die sogenannte Sozialversicherungsreform bringt vor allem einen Gewinner: Die Wirtschaft. Im Gegenzug bedeuten die Maßnahmen der Regierung eine klare Schwächung der Arbeitnehmer und gehen zulasten der Versicherten", kritisierte er: "Wie die Regierung Kurz eine Milliarde Euro sparen will, ohne bei den Leistungen der Patienten zu kürzen, ist schleierhaft. Zu erwarten sind auch neue Selbstbehalte und eine Privatisierung unseres solidarischen Gesundheitssystems."

Darabos kritisiert "Mentalität des Drüberfahrens"

Grundsätzlich wäre eine Vereinheitlichung der Leistungen der Bundesländer zu begrüßen, so Darabos weiter: "Allerdings ist bei dieser Regierung zu befürchten, dass es zu einer Nivellierung nach unten kommt." Für deren Vorgehensweise zeigte er kein Verständnis. "Eine Einigung mit den Ländern zu verkünden, ohne mit den sozialdemokratischen Gesundheitslandesräten ein Wort geredet zu haben, ist ganz schlechter Stil. Diese Mentalität des Drüberfahrens hat in der Politik nichts verloren", meinte Darabos.

NÖGKK-Generaldirektor befürchtet Verschlechterungen

Der Entwurf der Bundesregierung zur Sozialversicherungsreform bedeute für die NÖGKK den "Verlust der Budget-, Personal- und Vertragshoheit", sagte Generaldirektor Jan Pazourek. Bei den Landesstellen würden kaum relevante Kompetenzen bleiben. "Für Versicherte drohen eine Reihe von Verschlechterungen", warnte Pazourek.

»Für Versicherte drohen eine Reihe von Verschlechterungen«

"Wir sind vom Entwurf sehr enttäuscht", sagte der Generaldirektor. Er zeigte sich "geschockt" über das Ausmaß, mit dem das Aufgabenportfolio der Landesstellen "ausgeräumt" werden solle. "Sinnvolle Zentralisierung findet nicht statt", meinte Pazourek. Der Dachverband werde geschwächt. "Es droht ein Auseinanderklaffen von drei unterschiedlichen Krankenversicherungssystemen", warnte er. Zur Ankündigung der Bundesregierung "gleiche Leistung für gleiche Beiträge" meinte der Generaldirektor: "Das Gegenteil ist der Fall."

Pazourek kritisierte, dass beispielsweise der Ärztegesamtvertrag inklusive Stellenplan zentralisiert werden soll. "Die Landesstellen haben keine eigene Rechtspersönlichkeit" und seien "komplett weisungsgebunden". Weiters erklärte er: "Nur 0,8 Prozent der Beiträge sollen an die Landesstellen zurückfließen. Das ist lächerlich."

Pazourek: Niederösterreich wäre "Verlierer"

Der NÖGKK-Generaldirektor befürchtet auch Verschlechterungen für Versicherte. Niederösterreich wäre ein "Verlierer", würde die ärztliche Versorgung auf ein Durchschnittsniveau gebracht: Im Waldviertel würde jede vierte Arztstelle wegfallen, neben schlechterer Versorgung hätten Patienten auch weitere Anfahrtswege.

Weiters drohe ein "Wertschöpfungsabfluss aus Niederösterreich", so Pazourek. Viele Verträge mit regionalen Partnern würden wegfallen, die niederösterreichische Wirtschaft leiden.

"Wir werden uns in der Begutachtungsphase einbringen", kündigte Pazourek an. Man wolle Änderungen vorschlagen und gehe davon aus, dass der Entwurf "grundlegend überarbeitet wird". Der Wunsch der NÖGKK sei, mehr Kompetenzen auf die regionale Ebene zu legen, betonte der Generaldirektor.

Tirols LR Tilg "vorsichtig optimistisch"

Das Land Tirol hat die Strukturreform der Sozialversicherungen einer ersten Prüfung unterzogen - und offensichtlich für gut befunden. Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) zeigte sich "vorsichtig optimistisch", wie er gegenüber der APA meinte. "Wesentliche Positionen" seien aber noch nicht umgesetzt, so Tilg.

Die Beitragseinnahmen der Tiroler Arbeitnehmer und Arbeitgeber würden in Tirol bleiben, das sei ein "wesentlicher Verhandlungserfolg der ÖVP-Länder", nannte Tilg einen Grund für seinen Optimismus. Als Beispiele für noch nicht umgesetzte Positionen nannte der Landesrat die Vorgangsweise bei der operativen Bestellung des Landesstellenleiters oder die Aufteilung der finanziellen Mittel aus dem Innovationsfonds auf die jeweiligen Landestellen der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK).

"Für uns ist entscheidend, dass wesentliche Positionen des Landes Berücksichtigung finden, damit die Zusammenarbeit zwischen Tirol und der Landesgeschäftsstelle der ÖGK auch künftig und wie in der Vergangenheit vertrauensvoll und zukunftsorientiert im Sinne der Tiroler erfolgen kann", meinte Tilg. Dabei gehe es etwa um die Landes-Zielsteuerungskommission, die Umsetzung der Gesundheitsreform sowie die regionale Gesundheitsplanung. Die Prüfung des Gesetzesentwurfs durch Fachexperten des Landes sei jedenfalls noch im Gange, so der ÖVP-Gesundheitslandesrat.

Kärntner GKK befürchtet massive finanzielle Einbußen

Für die Kärntner Gebietskrankenkasse könnte die Reform der Sozialversicherungen massive finanzielle Einbußen mit sich bringen. GKK-Direktor Johann Lintner erklärte, dass vor allem der Wegfall der Ausgleichszahlungen für das südlichste Bundesland ohne Kompensation sehr schmerzhaft wäre.

Es sei geplant, dass die Beitragseinnahmen im jeweiligen Bundesland bleiben, diese würden aber nur etwa 70 Prozent des Budgets ausmachen. "Wir haben den zweithöchsten Anteil aller Bundesländer an Pensionisten und den höchsten Anteil an Ausgleichszulagenbeziehern." Diese strukturellen Unterschiede, welche die Kasse nicht ändern könne, seien bisher durch den Ausgleichsfonds abgefedert worden. Derzeit gebe es einen "Topf" für Strukturmaßnahmen, aus dem Kärnten 84 Millionen Euro erhalte. Nach den Plänen der Regierung müsste man künftig ein Viertel bis 30 Prozent des Budgets mit der Österreichischen Gesundheitskasse ÖGK verhandeln, und das womöglich jedes Jahr aufs Neue. Lintner: "Das könnte natürlich Auswirkungen auf die Versicherten haben." Auch jene Pauschalabgeltung, die bisher von der AUVA an die Kassen gezahlt worden sei, solle gestrichen werden.

Zweifel an Verfassungsmäßigkeit des Gesetzesentwurfs

Der Kärntner GKK-Direktor bezweifelt zudem sowohl die angekündigten Einsparvolumina als auch die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzesentwurfs. "Die Milliarde sehen wir nicht. Die gesamten Verwaltungs- und Verrechnungskosten der Gebietskrankenkassen betragen 285 Millionen." Allein durch die Nicht-Nachbesetzung von Posten werde es die Milliarde Einsparungen sicher nicht geben. Auch müsse man schon fragen, warum etwa die anderen Versicherungsträger, etwa Beamten-, Bauern- oder Selbstständigen-Versicherungen, die deutlich höhere Verwaltungskosten hätten, von den Sparmaßnahmen verschont würden.

Man lasse prüfen, ob die Neuregelungen in Bezug auf die Selbstverwaltung nicht verfassungswidrig seien. Es gebe Experten, die überzeugt davon seien, dass die geplanten Änderungen nicht der Verfassung entsprechen würden. Ein Beschluss in diese Richtung sei aber noch nicht gefasst worden. "Außerdem dauert das sehr lange, bis dahin ist womöglich schon sehr viel Porzellan zerschlagen worden", meinte Lintner. Mit gravierenden Änderungen im Begutachtungszeitraum rechnet er jedenfalls nicht.

Kommentare

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In Zukunft gibt es eben keine kranken, arbeitslosen oder alten Menschen mehr in Österreich, und alle arbeiten von früh bis spät je nachdem, wie sich die Regierung die Zeitumstellungen ausverhandelt... im Sommer gibts in Zukunft einfach mehr Stunden am Tag, weil es ist ja länger hell, und über whats app weiss der Finanz/Krankenkassen-Godzilla ob wir gerade arbeiten, blau machen oder schwanger sind.

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Als neue Leibeigene helfen wir dem österreichischen King Kong schon mal Geld zu sparen, um den anderen Kings in Europa kräftig Finanziell unter die Arme zu greifen um bei den nächsten EU -Wahlen noch mehr Steine aufs Brett zu schieben.

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