Der Umsturz
bei den Lehrern

Es braucht in der neuen Lehrergeneration nicht nur lehrplanfromme Frauen und Männer, sondern viel mehr noch kritische Vermittler und Themensetzer

von Gerfried Sperl © Bild: News

In der Lehrerschaft und im Bildungsministerium wusste man es schon lange. Die neue OECD-Studie "Bildung auf einen Blick" hat es bestätigt. Rund die Hälfte aller Lehrerinnen und Lehrer gehen in den nächsten fünf Jahren in Pension und werden durch eine neue Generation ersetzt. Das ist ein Umsturz. Nicht dass alle Neo-Pensionisten die Veränderungen in der Pädagogik und in der Wissensvermittlung abgelehnt hätten - viele von ihnen sind mit der Zeit gegangen und haben von veralteten Lehrmethoden Abschied genommen. Der Unterschied am Beispiel von Internet und Social Media: Die Älteren haben umgelernt oder sind umgeschult worden. Jene Jungen, die in den kommenden Jahren an ihre Stelle treten, sind mit dem Bildschirm bereits aufgewachsen. Für sie sind Tafel und Kreide der Archäologie näher als dem Powerpoint.

Ein anderer Aspekt: Der Frontalunterricht und die Bankreihen, fast ursächlich verbunden mit dem Konzept des Gymnasiums, haben ihre Macht verloren. Nicht nur in den Volksschulen arbeiten die Kinder zunehmend in Teamformationen, werden die seit Maria Theresia gültigen 45-oder 50-minütigen Einheiten der Kadettenschulen aufgebrochen.

Ein Punkt, mit dem wir bereits im Reich der Ideologien sind: Während konservative Eltern ihre Kinder kirchlichen Internaten oder teuren Ganztagsschulen in der Schweiz überlassen haben, bekämpften sie gleichzeitig die flächendeckende öffentliche Ganztagsschule. Warum? Weil da Religion und Disziplin zu kurz gekommen wären und weil man unausgesprochen - statt religiöser Unterweisung sozialistische Indoktrinierung fürchtete.

All das, ganz abgesehen von Gehaltsfragen, wird bei den neuen jungen Lehrerinnen und Lehrern nicht mehr die alles überlagernde Rolle spielen. Die nachfolgende Generation von Pädagogen ist nicht nur moderner ausgebildet, sondern politisch flexibler, die Lehrergewerkschaft wird von Jahr zu Jahr weniger Macht haben.

Erstaunlich ist, dass diese Fragen im Wahlkampf nahezu keine Rolle spielen. Derzeit stehen immerhin 4.500 Lehrer auf Wartelisten für einen Job. Die Lage ist nicht hoffnungslos, sie werden einen kriegen. Aber jede Duftnote des Populismus ist vielen Spitzenpolitikern wichtiger als die Frage, wie, wo und von wem die nächste Generation unterrichtet wird. Wir brauchen beispielsweise mehr Naturwissenschaftler, dürfen aber Philosophie und Literatur nicht vernachlässigen. Denn über die Social Media wird die Sprachfantasie reduziert, über Algorithmen (Themensetzung nach Publikumsinteresse) wird dem Journalismus die Qualität genommen.

Deshalb benötigen wir in der neuen Lehrergeneration nicht nur lehrplanfromme Frauen und Männer, sondern viel mehr noch kritische Vermittler und Themensetzer, die der Globalisierung des Mittelmaßes entgegensteuern.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: sperl.gerfried@news.at

Kommentare