Die theatralische
Rebellion

In Graz war in den 60er-Jahren überhaupt Verarschung angesagt.

von Gerfried Sperl © Bild: News

In einer der Realität sehr nahen "Profil"-Geschichte nannten Angelika Hager und Sebastian Hofer 25 Jahre danach die kleinen österreichischen Rebellionen rund um 1968 eine "gemütliche Revolution". Das Wort "Revolution" ist maßlos übertrieben, weil nicht einmal die Maifeier der Wiener SPÖ geplatzt ist. Das Wort "gemütlich" wiederum ist stark untertrieben, weil es wilde Debatten gab und die Hörsaal-Ferkelei von Mühl und Co etwas vorher und nachher nie Dagewesenes war. Denn auf den Punkt gebracht bedeutete es: Die Uni ist Scheiße.

Robert Schindel, der heutige Romanschriftsteller, brachte aus Berlin - wo er zur Kommune im Haus von Hans Magnus Enzensberger gestoßen war -die Methode der "Spaziergänger-Demo" mit (fliegender Wechsel vom Passanten zum Protestler und zurück), aber in Wien funktionierte das nicht. Da war, obwohl viele mit Schlips und mit Marcuse-und Adorno-Texten in der Tasche mitmarschierten, die Demo schnell ein Straßentheater.

In Graz war überhaupt Verarschung angesagt. Die 68er rund um Helmut Strobl und Matthias Wabl (dessen jüngerer Bruder Andreas zu einer Galionsfigur der Grünen wurde) inszenierten vor der Universität eine Rektorswahl mit Klopapier-Rollen als rotem Teppich und einer Banane als Zepter. Nach der Wiener Uni-Ferkelei veranstalteten sie "Bußgänge" im Nachthemd auf einem Mur-Boot. Sie waren in Wirklichkeit Unterstützungsdemos für Mühl, Brus und Co. Die Polizei fiel auf den Trick hinein.

Vielleicht war es auch Flexibilität auf Seiten der Exekutive. Denn zum Straßenkampf mit den Studenten ließ man es nicht kommen -sowohl am 1. Mai vor dem Parlament, wo Peter Kreisky, der Sohn des Parteivorsitzenden, einer der Anführer des Protestes war, als auch später im Audimax der Universität, wo sich der streitbare ÖVP-Minister Theodor Piffl -Perčević mit den Studentenführern matchte. Allen voran Silvio Lehmann und Peter Kowalski, der später zum Sektionschef im Wissenschaftsministerium aufsteigen sollte.

Genauso wie in Deutschland (Rudi Dutschke kam immer wieder darauf zurück) begann die studentische Unruhe Anfang der 60er-Jahre sich am Aufblühen der Burschenschaften zu entzünden. Die mit Wichs und Säbel umrahmten akademischen Feiern wurden abgelehnt -in Graz ab 1965 mit diskursiven Interventionen "umfunktioniert". Zum Unterschied von Deutschland aber stellten sich die Politiker den Debatten, in Graz machte es ÖVP-Landeshauptmann Josef Krainer sichtlich Freude, sich auf die Unrast einzulassen.

Dank Hertha Firnberg, der SPÖ-Ministerin, wurde die Anfang der 60er-Jahre bei einem Treffen der deutschen Studentenchefs beschlossene, später von Stephan Schulmeister (dem heutigen Wirtschaftsforscher) in ein Reformprogramm gegossene "Drittelparität" implementiert. Sie wurde unter Schwarz/Blau im Jahre 2000 fast völlig zurückgenommen.

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