Marketing
statt Politik

Das Problem an Kurz' Marketing- Methode ist, dass diese Regierung bisher im Vergleich zur Vorgänger-Koalition keinen Deut mehr weitergebracht hat.

von Gerfried Sperl © Bild: News

Die türkis-blaue Regierung hat noch keinen Weg gefunden, den Wahlkampf-Modus hinter sich zu lassen. Regieren ist für Kurz und Co. vor allem politisches Marketing. Die EU sei "mehrmals falsch abgebogen", erklärte der Bundeskanzler bei der Münchner Sicherheitskonferenz -ein schwerer Vorwurf, den er nicht näher erläutert hat. Gerade deshalb kann er Begründung sein für einen "Öxit"(einen Austritt) oder bloß für Korrekturen und kleinere Reformen.

Diese Politik der Überschriften und Behauptungen ist typisch für die türkis-blaue Koalition -gesteigert durch rhetorische Formulierungen, die auch einen journalistischen Kommentar zieren könnten. Dazu ein zweites Beispiel aus der Münchner Kurz-Rede: "Man muss darauf achten, das alte Motto -in Vielfalt geeint -nicht in ein neues - in Gleichheit getrennt -zu verwandeln."

Wer immer für den Bundeskanzler diese Sätze schreibt, sie haben einerseits sprachliche Kraft, andererseits sind sie nichtssagend genug, um sich nicht daran halten zu müssen. Besonders in Wien sind solche Passagen beliebt und oft genug der Grund für Preise in Werbung und Publizistik.

In einem deutlichen Kontrast dazu steht das zahlenmäßig einfache Vokabular von Kurz, wenn er spontan in eine Diskussion verwickelt wird oder in einer deutschen Talkshow auftritt. Da hat er dann etwas Bestimmtes "immer schon gesagt", eine Fehlentwicklung "immer schon kritisiert" und bei einem positiven Ereignis "von Anfang an mitgewirkt". Nachweise werden nicht mitgeliefert.

Beim Auftreten von Konflikten schweigt Kurz zunächst -zum Rauchverbot bald zwei Wochen. Wenn er nicht mehr anders kann, spielt er den Schiedsrichter.

Kleiden wir es in eine Parabel. Ein Minister hat einen silbernen Löffel eingesteckt. Der Vorfall gelangt an die Öffentlichkeit, die Medien diskutieren, ob das zufällig oder absichtlich geschehen ist. Nach Tagen des Schweigens des Kanzlers sagt der Minister, er gebe den Löffel natürlich zurück, weil er ihn nicht absichtlich habe mitgehen lassen. Daraufhin tritt der Regierungschef auf und wäscht den Minister weiß: "Er hat alles zu hundert Prozent klargestellt." Wer jetzt noch Kritik übt, betreibe Hexenjagd.

Zurück in die Wirklichkeit. Das Kurz-Marketing funktioniert. Er bekennt sich "begeistert" zu Europa, stichelt aber ständig. Er distanziert sich vom Antisemitismus der Burschenschaften, sieht darin aber kein Problem der FPÖ. Er schweigt zu Straches Serbien-Bemerkungen, sieht aber den Zusammenhalt in der Regierung nicht gefährdet. Das breite Publikum ist zufrieden, nur die Journalisten nörgeln.

Das Problem an Kurz' Marketing- Methode ist bloß, dass diese Regierung bisher im Vergleich zur Vorgänger-Koalition keinen Deut mehr weitergebracht hat. Sie ist mit der Löschung historischer Brände und aktueller Brandnester ausgelastet.

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sperl.gerfried@news.at

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