Kurz versucht
den "Kreisky"

Sebastian Kurz mag Angela Merkel nicht und sie ihn genauso wenig. Der Österreicher brüskiert die Deutsche gerne.

von Gerfried Sperl © Bild: News

Nicht auszumalen, was passieren würde, wenn der kanadische Premier Justin Trudeau nach Washington D. C. reisen würde, um dort den russischen Botschafter zum Lunch zu treffen. Donald Trump würde ihn auf Twitter bombardieren.

Sebastian Kurz reist nach Berlin, um unter anderen dort am kommenden Mittwoch den umstrittenen US-Botschafter Richard Grenell bei einem kleinen Mittagessen kennenzulernen. Keiner will den anderen zuerst eingeladen haben -umso zauberhafter, klingt das doch nach irreversibler magnetischer Anziehung.

Der Republikaner ist nicht irgendwer, nicht eine der üblichen Botschaftsbesetzungen mit Leuten, die sich durch hohe Wahlkampfspenden eine wichtige oder attraktive Botschaft verdienen. Nein, Grenell ist ein erfahrener Diplomat, der bisher längstdienende US-Pressechef bei den Vereinten Nationen.

Durch ein Interview im rechtspopulistischen Internetmedium "Breitbart" hat er jetzt die deutschen Spitzenpolitiker gegen sich aufgebracht -die Opposition bis hin zur Forderung nach einer Ausweisung, die Regierung in Form einer "Irritation" des Außenministers Heiko Maas. Der Grund: Er, Grenell, wolle in Europa die "Konservativen"(gemeint waren jene rechts von Angela Merkel) stärken.

Sebastian Kurz ist darauf angesprungen. Wohl auch, weil ihn Grenell einen "Rockstar" genannt hat, obwohl der österreichische Kanzler dem Rock-Gott Mick Jagger nicht nur bezüglich Altersunterschied, sondern auch in körperlicher Beweglichkeit weit unterlegen ist.

Kurz traut sich was. Das muss man ihm lassen. Aber diese undiplomatische Visite des diplomatisch Hochbegabten ist sicherlich auch einer besonderen Facette des deutsch-österreichischen Verhältnisses geschuldet: Kurz mag Angela Merkel nicht und sie ihn genauso wenig. Der Österreicher brüskiert die Deutsche gerne.

Im Vergleich dazu sind der russische Präsident Wladimir Putin und der österreichische Bundeskanzler geradezu Freunde. Was sich am Mittwoch beim zehnstündigen Besuch des republikanischen Zaren in Wien wieder zeigte. Der geschmeidige Kurz nannte Russland eine Supermacht, über das Gesicht Putins huschte ein Lächeln, das am Abend davor Armin Wolf in einem harten Interview nicht zu erzeugen vermochte -oder gar nicht wollte.

Die Aufwartung der gesamten österreichischen Regierung in Brüssel am vergangenen Mittwoch war als Ouvertüre der österreichischen EU-Präsidentschaft ein weiterer Akzent in der Wiener Europamusik. Da ein Stakkato, dort ein Divertimento, der Kanzler hat das formale Talent Bruno Kreiskys, die Welt auf Österreich zu fokussieren.

Fehlt nur noch ein gesellschaftspolitisch relevantes Reformpaket und ein internationales Projekt wie das nahöstliche des bisher längstdienenden Kanzlers.

Für einen konservativen "Kreisky" fehlt noch vieles.

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