Gegen die Macht
der Floskeln

Von Journalisten wäre mehr Sprachfantasie zu verlangen, Politikerinnen und Politiker sollten Sprachseminare besuchen

von Gerfried Sperl © Bild: News

Jetzt begegnen sich sogar schon Haubenköche "auf Augenhöhe". Das ist die neueste Modefloskel - vor allem in der Politik. Chefs von Kleinparteien wollen wenigstens beim virtuellen Blickkontakt doppelt so großen ebenbürtig sein. Oder umgekehrt wie in Deutschland der knapp 1.70 Meter große Martin Schulz und der 1.96 Meter lange Horst Seehofer.

Die beliebtesten Messzonen sind Koalitionsverhandlungen und durch Promijournalisten aufgefettete Talkshows. Schon 2014 hat Jens Jessen auf "Zeit Online" mit dem übermäßigen Gebrauch von Floskeln abgerechnet. Doch wenn man damals mit heute vergleicht, haben die modischen Wörter erschreckend gut gehalten.

In der Debatte um die Frage, ob der FPÖ-Politiker Landbauer "die rote Linie" bereits überschritten habe oder nicht, hat sich sogar der Bundespräsident "weit aus dem Fenster gelehnt".

Zur selben Zeit wie Jessen hat der 2016 gestorbene italienische Sprachwissenschafter und Romancier Umberto Eco ("Der Name der Rose") den Zeitungsroman "Nullnummer" geschrieben und darin jene Floskeln aufgelistet, die von Chefredaktionen auf den Index gesetzt werden sollten.

"'Gut', fuhr Colonna fort, 'hier ist der Rest meiner unvollständigen Liste: Gegen jemand zu Felde ziehen, das Licht am Ende des Tunnels sehen -oder den Silberstreifen am Horizont.'"

Jedoch, wir bleiben auf der Hut, denn "der Wind weht, wo er will". Der legendäre Burgtheater-Dramaturg und Essayist Friedrich Heer (1916-1983) machte daraus in einer Verteidigung der Intellektuellen den Satz "Der Geist weht, wo er will".

Doch weiter mit Eco. "Das Fernsehen nimmt sich den Löwenanteil, für die Zeitungen bleiben nur die Krümel. Wer ein Ohr für den Markt hat, sendet damit ein starkes Signal." Der Markt als Gott der Medien.

Schließlich zwei ganz populäre Sager, die mittlerweile auch die Provinz erreicht haben: "Das Kind mit dem Bade ausschütten" oder "Das Imperium schlägt zurück", zum Beispiel die Jäger gegen Tierschützer.

Laut Eco haben Entschuldigungen für historische Verfolgungen oder für aktuelle menschenverachtende Übergriffe durch Häufigkeit an Bedeutung verloren. In Österreich erinnern wir uns da freilich an Jörg Haiders Verharmlosungen der Nazizeit, als er -nach scharfer Kritik in die Enge getrieben -meinte: "Na dann entschuldige ich mich halt."

Es wäre an der Zeit, eine Art Gegenöffentlichkeit aufzubauen und die Pflege der Sprache nicht nur Schriftstellern und Kabarettisten zu überlassen. Von Journalisten wäre mehr Sprachfantasie zu verlangen, Politikerinnen und Politiker sollten Sprachseminare besuchen -aber nicht bei Quacksprech-Beratern, sondern bei Dichtern und Philosophen.

Denn dann würde den Gästen im Fernsehen vielleicht öfter was anderes einfallen, als im Falle einer Wahlniederlage "die Situation einer Analyse zu unterziehen".

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sperl.gerfried@news.at

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