Die Burschenherrlichkeit

Rund 4.000 Burschenschafter gibt es in Österreich, 0,04 Prozent der Gesamtbevölkerung. Im Nationalrat aber stellen sie 14 Abgeordnete.

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"O, alte Burschenherrlichkeit, wohin bist du entschwunden? Nie kehrst du wieder, goldne Zeit." Das Studentenlied aus dem Jahr 1825 wurde auch ein beliebtes Lied der Alten Herren, deren Heimweh es illustrierte. Im Jahr 2000 sagte mir ein freiheitlicher Politiker, dass man mit Hilfe von Schwarz-Blau an die "goldne Zeit" anknüpfen wolle -im Sinne einer Ausweitung dieses "herrlichen"(herrischen?) Gefühls auf die Universitäten insgesamt. Mit der Wiederauflage der Rechts-Koalition ist die "Burschenherrlichkeit" erneut ein Stück Realität. Nicht nur auf den Unis, sondern in der Politik überhaupt.

Rund 4.000 Burschenschafter gibt es in Österreich, 0,04 Prozent der Gesamtbevölkerung. Im Nationalrat aber stellen sie 14 Abgeordnete, in der Regierung sitzen zwei als Minister. Nicht gezählt die FPÖ-Mitarbeiter, zusammen mit den katholischen CVern eine Mehrheit von Korporierten im Regierungsapparat.

Im SPÖ/FPÖ-Kabinett Sinowatz/Steger von 1983 bis 1986 kam es erstmals seit 1945 wieder zu Terraingewinnen. Steger selbst, der im ORF-Stiftungsrat vertreten ist, gehörte einer "Sängerschaft" an und verfolgte einen weniger nationalistischen Kurs als die Burschenschaften. Auf dem Innsbrucker Parteitag wurde er von Jörg Haider an der FPÖ-Spitze vertrieben.

An den Universitäten hielt sich die "Burschenherrlichkeit" lange. Symbol dafür waren die in voller Wichs und mit Säbel (auch die CVer) bei akademischen Feiern präsenten Korporierten. Sie standen ganz vorne in der Aula, hinter dem Rektor und den Dekanen in den Talaren. 1968 verlangte in Graz die Studentenfraktion "Aktion" ein Ende dieses Zeremoniells. Erst 1985 erfolgte die Einlösung. Der aus der "Aktion" kommende Rektor Christian Brünner wies die Korporierten an, den Platz unter dem Bildnis von Kaiser Franz Joseph zu räumen und neben dem Publikum an den Fenstern Aufstellung zu nehmen. Anderswo wie an der Montanuni Leoben blieb der Burschenzauber erhalten.

Brünner, von 1987 bis 1989 auch Vorsitzender der Rektorenkonferenz und später Wissenschaftssprecher der ÖVP, misst Heinrich Neisser (einem liberalen CVer) und Erhard Busek (aus der Katholischen Hochschuljugend) das Verdienst zu, die schwarze Sympathie fürs Nationale im Hintergrund gehalten zu haben. In der SPÖ war es Franz Vranitzky, der Rot-Blau strikt ablehnte.

Mit der Machtübernahme von Wolfgang Schüssel und dem Beginn von ÖVP/FPÖ ortet Brünner die Wende auf allen Ebenen: Vor allem der rechts gestrickte CVer Andreas Khol forcierte die rechte Öffnung. Die Burschenschaften konnten sich wieder voll entfalten.

Da liberale Kräfte in der ÖVP kaum noch zu eruieren sind, die SPÖ kein Konzept hat, diese Entwicklung zu stoppen, die Grünen in ihre Existenzkämpfe verwickelt sind, ist kein Ende dieser verqueren "Herrlichkeit" in Sicht.

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