Krieg am
Boulevard

Warum am Ende die Dichands und die Fellners gewinnen werden

von Kommentar - Krieg am
Boulevard
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Es herrscht Krieg am Boulevard. Wieder einmal. Der Boulevard ist erfahrungsgemäß nicht nur hungrig, geradezu unersättlich hungrig, sondern er teilt auch nicht gerne, wie wir lernen.

In Österreich ist die Beziehung zwischen Politik und Medien traditionell belastet. Das hat einige gute und noch mehr schlechte Gründe. Geld, zumal (kriterien-)frei vergebenes, zählt zu den schlechten Gründen. Und bedroht das demokratische Gefüge unseres Landes, das gerade in dieser Hinsicht ohnedies zunehmend an Stabilität verliert.

Die Beziehung zwischen Politik und Medien wird in Österreich seit Jahrzehnten wesentlich von den Familien Dichand und Fellner geprägt.

Hans Dichand hatte sich noch bis ins hohe Alter den Luxus einzelner politischer Liebkinder geleistet und sich bei allen anderen politisch Verantwortlichen mit der puren Unterwerfung begnügt. Irgendwann, die Printmedien hatten den Zenit ihrer Bedeutung überschritten, sind aufmerksame Politiker -umgekehrt -draufgekommen, dass sie sich mit Geld nicht nur öffentlich-rechtliche, sondern auch private Medien gefügig machen konnten, kleine mit wenig Geld und große eben mit viel Geld. Wichtig war nur die möglichst kriterienfreie, also willkürliche und nachgehend unkontrollierte Vergabe. Ein "win-win game": Die wirtschaftliche Situation der solcherart bedachten Medien verbesserte sich oft entscheidend und die Politiker waren vor aggressiver medialer Behandlung mehr oder weniger sicher.

Auch unser Haus, die VGN Medien Holding, in der viele der bedeutendsten Magazine Österreichs erscheinen, profitierte und profitiert auch heute noch von diesem Arrangement. Allerdings vergleichsweise bescheiden. Was wir uns intern damit erklären, dass wir weder gefügig sind, noch drohen, dass wir - vielleicht -nicht kampagnenfähig sind, aber -sicher - nicht kampagnenwillig, dass wir uns um jeden Euro bemühen (müssen), aber nicht bereit sind, dafür alles zu tun. Und dass unsere Leserinnen und Leser, unsere Userinnen und User überdurchschnittliche Ansprüche an uns stellen.

Die Stadt Wien hat traditionell ein besonders attraktives Budget für Medienarbeit. Das hat, das haben die meisten entweder gar nie gewusst oder eben schon vergessen, einen guten Grund. Nämlich, dass man vor Jahrzehnten die Medienunternehmen in der Stadt gehalten hat, indem man ihnen die international ohne Vergleich eingehobene Anzeigenabgabe über dieses Budget "refundiert", damit die Kommunalabgabe gesichert und dabei auch noch einen Kommunikationswert für die Stadt und ihre Betriebe lukriert hat. Dieser historisch gute Grund rechtfertigt freilich nicht die spätere Praxis der bis zur Unkenntlichkeit zunehmenden Entkoppelung von dem leicht objektivierbaren Kriterium hin zu metaökonomischen politischen Kalkülen.

Inzwischen konzentriert sich nicht nur das Budget der Stadt Wien und ihrer Betriebe, sondern konzentrieren sich auch die Budgets der Bundesregierung und der von ihr kontrollierten Unternehmen auf den Boulevard, der sich und uns - semantisch entfremdet -nicht mehr auf den Straßen begegnet, sondern vor allem in den U-Bahnen. Und wenig überraschend ist auch genau dort jetzt ein über ein Jahrzehnt mit vielgestaltigen Mitteln und unterschiedlicher Intensität geführter Kampf kurz eskaliert, bei dem auch Institutionen, wie sie ja Wiener Bürgermeister immer waren und wohl noch sind, ungewöhnlich hart attackiert werden. Ausgerechnet der Boulevard beißt die Hand, die ihn ohnedies so überproportional gefüttert hat und füttert.

Wer glaubt, dass es in diesem so ungewöhnlich offen ausgetragenen Kampf nur einen Sieger geben könne, der irrt. Es wird am Ende der kurzen Inszenierung ohne jeden Zweifel vordergründig nur Sieger geben: Der Boulevard ist hungrig; er wird gefüttert werden. Der Boulevard teilt nicht gerne; es wird ein Ausgleich gesucht und gefunden werden. Im Hintergrund tummeln sich die Verlierer dieses Kampfes: Wir werden sicher dabei sein. Sie verehrte Leserin, verehrter Leser übrigens auch.

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