"Kogler sendet Signale der Devotheit aus"

Wie können Kurz und Kogler wirklich miteinander? Der Experte Stefan Verra analysiert das neue Duo.

Sebastian Kurz und Werner Kogler bilden als Kanzler und Vizekanzler die neue Spitze der österreichischen Regierung. Doch wie gut können die beiden Parteichefs miteinander? Kann aus der Vernunftehe doch noch eine Liebesbeziehung werden? Körpersprache-Experte Stefan Verra hat die gemeinsamen Auftritte der beiden für News.at analysiert.

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Körpersprache-Analyse - "Kogler sendet Signale der Devotheit aus"

Österreich hat erstmals in der Geschichte eine Regierung mit Beteiligung der Grünen. Sebastian Kurz und Werner Kogler ist gelungen, woran Alexander Van der Bellen und Wolfgang Schüssel vor 18 Jahren scheiterten. Noch vor der Wahl war das kaum vorstellbar, schimpfte etwa Grünen-Chef Kogler über die vielzitierte „türkise Schnöseltruppe“. Nun regiert seine Partei mit dieser Truppe. Wie sieht dies aus?

"Man erkennt, dass Werner Kogler sehr bemüht ist"

Stefan Verra, Experte für Körpersprache, sieht hier vor allem Bemühungen beim Bundessprecher der Ökopartei: „Man erkennt, dass Werner Kogler sich um körpersprachliche Zuwendung bemüht, wenn er etwas Positives über Sebastian Kurz oder die ÖVP sagt.“ Und zwar würde er sich in diesen seltenen Momenten zu dem ÖVP-Chef drehen und das Gesagte auch sehr respektvoll vortragen. Das mache Kurz im Gegenzug zwar auch, doch dieser mache das sowieso meistens. Bei Kogler falle es jedoch ein bisschen aus der Routine heraus.

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Dennoch will der Experte da nicht zu viel hineininterpretieren, denn ob man sich grundsätzlich möge oder nicht, könne man einfach nicht anhand von Körpersprache niemals eindeutig erkennen, nicht einmal bei Ehepartnern.

Das Alphatier

Was man allerdings erkenne, so Verra, ist, dass Werner Kogler versuche, sich an Kurz‘ staatstragende Körpersprache anzupassen. Angefangen bei dem ungewöhnlichen Anblick Koglers im Anzug, an den man sich erst gewöhnen müsse über die fehlenden frechen Bemerkungen – die Kogler viele Sympathien gebracht haben – bis zu dessen Blicke: „Wenn Kurz und Kogler etwa gemeinsam zum Rednerpult gehen, schaut Kogler immer wieder einmal blitzschnell zu Kurz. Das ist immer ein Signal: Wer ist Alphatier und wer ist der Nachfolger. Das heißt nämlich, der Nachfolger orientiert sich, was das Alphatier tut“, erklärt der Experte, will aber unbedingt hinzufügen, dass das nicht auf politische Inhalte zurückzuführen sei als vielmehr auf das Protokoll. Trotzdem sende Kogler „einige Signale der Devotheit“ aus, eben auch in hilfesuchenden Blicken à la „Was tun wir denn jetzt und mache ich eh alles richtig?“

Das Doppelinterview mit Kurz und Kogler

"Kogler zog seine Kraft daraus, der Freche zu sein"

Aber Kurz bewege sich eben, das müsse man „neidlos sagen“, in dieser staatstragenden, von Diplomatie geprägten Welt „einfach unglaublich elegant und souverän.“ Kogler habe aber bislang seine Kraft daraus gezogen, genau dem körpersprachlich zu widersprechen. „Er war der Freche, der stets wie auf einem Bartresen lehnt und mit den Leuten so spricht, dass man das Gefühl hat, mit dem würde man gerne auf ein Bier gehen.“ Genau darauf habe er aber offensichtlich etwa in dem ersten Doppelinterview mit Armin Wolf und Claudia Reiterer bei der Frage, wer sich im Regierungsprogramm mehr durchgesetzt habe, verzichtet: „Wenn er hier zwar inhaltlich gleich, aber in Kogler-Manier ein bisschen lockerer geantwortet hätte und sich ein bisschen hingelehnt hätte, dann wäre das aus meiner Sicht für ihn besser gewesen“, findet Verra und fügt hinzu: „Als Kontrapunkt zu dieser ‚Perfektion‘ – ohne dies negativ zu meinen.“

»Wenn Kogler körpersprachlich versucht, ein idealer Vizekanzler zu sein, dann wird er einen Schiffbruch sondergleichen erleiden.«

Im Verlust dieser Nonchanlance liege somit laut Verra die große Gefahr für Werner Kogler: „Wenn er körpersprachlich versucht, ein idealer Vizekanzler zu sein, dann wird er einen Schiffbruch sondergleichen erleiden.“

Kurz mit mehr Selbstbewusstsein

Und Kurz? Der sei, so Verra, zwar grundsätzlich wie immer, also sehr aufmerksam und Stabilität vermittelnd, doch auch bei ihm konnte der Experte Veränderungen feststellen: „Er ist ein wenig unbekümmerter“, so der Experte. Kurz achte – vielleicht durch die Hilfe des Erfolgs – weniger darauf, „ob er in jeder Gestik und jeder Mimik alles richtig macht.“ Dies sei an der sogenannten Amplitude messbar, das heißt Kurz mache nun ein bisschen größere Bewegungen mit höherer Frequenz. Und „das tut ihm gut, weil er damit weniger distanziert und nicht ganz so staatstragend wirkt – und selbstbewusster.“ Merken könne man diese zunehmende Entspannung auch an anderer Stelle: „Kurz‘ Stimme ist deutlich tiefer. Das ist ein Signal, dass die Muskelspannung im Körper weniger geworden ist, denn je aufgeregter wir sind, desto höher ist die Stimme.“

Warum Kurz Kogler braucht

Also hat Kogler gegen Kurz keine Chance? „Im Gegenteil“, findet Verra und muss zur Erklärung ein wenig ausholen. Bereits zu türkis-blauen Zeiten habe er analysiert, dass der Erfolg von Kurz auch von Heinz-Christian Straches ergänzender Emotionalität abhänge, also etwas, das Kurz selbst nicht abdecken könne. „Und auch wenn ich dafür von der ÖVP kritisiert wurde, sage ich es wieder“, so Verra: „Kurz allein ist in seiner Wirkung zu eng. Der holt mit seiner Körpersprache zwar seine Sympathisanten ab, allen voran das ältere und ländliche Publikum ab, aber das sind zu wenige, als dass er die absolute Mehrheit bekommen könnte – nicht nur an Wählern, sondern auch an Sympathien.“

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Chance und Gefahr zugleich

Und genau da ist auch Werner Kogler, wie einst Strache, für Kurz besonders wichtig. Denn er kann eben der Kontrapunkt sein, der die Lockerheit bringt und sagt: „Geh, machen wir einfach mal.“ Und auch wenn Kogler nicht so ein enorm selbstbewusstes Auftreten wie sein Regierungspartner oder gar sein Vorgänger im Vizekanzleramt habe, könne sich genau das auch positiv auswirken, „weil er damit harmonisch sein kann und es vielleicht weniger Hickhack gibt“. Allerdings kann es eben auch passieren, dass er damit unter die Räder kommt. „Aber“, so Verra „das wird erst die Zukunft weisen“.

Weitere Info:

Stefan Verra ist einer der gefragtesten Körpersprache-Experten in Europa. Der in München lebende Österreicher beschäftigt sich seit 20 Jahren intensiv mit der menschlichen Körpersprache. Er hält heute weltweit Vorträge, ist Gastdozent an mehreren Universitäten und ist mit seiner humorvollen Körpersprache-Show auf Tournee. Stefan Verra arbeitet auch mit Menschen mit Behinderungen und Menschen mit Autismus zusammen sowie mit Hospizen und in der Kinderkrebshilfe.
In seinem Buch "Leithammel sind auch nur Menschen: Die Körpersprache der Mächtigen" analysiert er die Körpersprache von Politikern wie Donald Trump, Angela Merkel und widmet auch Sebastian Kurz ein ganzes Kapitel.

Das Buch können Sie hier bestellen.*

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Veranstaltungstipp: Am 25.und26. März gastiert Stefan Verra mit seinem Abendprogramm im Rabenhof in Wien - auch hier wird er die Körpersprache aktueller Geschehnisse unter die Lupe nehmen.