"Köstinger-Idee nicht mit EU-Recht vereinbar"

EU-Experte kritisiert Vorstöße im Tourismus: Wenn Grenzen geöffnet werden, dann für alle"

Der Europaexperte Andreas Maurer wirft der EU-Kommission schwere Fehler und den Mitgliedsstaaten mangelnde Loyalität vor. Der Politologe, der einen Jean-Monnet-Lehrstuhl an der Uni Innsbruck innehat, kritisierte aber auch, dass die jüngsten Vorstöße von Tourismusministerin Elisabeth Köstinger und Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP) mit dem EU-Recht unvereinbar seien.

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Grenzöffnung für Deutsche - "Köstinger-Idee nicht mit EU-Recht vereinbar"

Die Kommission habe es verabsäumt, die EU-27 an ihre Pflichten zu erinnern, obwohl dies die Aufgabe der EU-Behörde als "Hüterin der Verträge" wäre. Etliche Länder, auch Österreich, versuchten dies nun für ihre nationalen Interessen auszunutzen, sagte Maurer im Interview mit der "Tiroler Tageszeitung" (Mittwoch-Ausgabe). Gemeint seien nationale Alleingänge bei der Schließung der Binnengrenzen oder dass die EU sogar selbst weitere Ausnahmen von den Regeln vorschlage, wie etwa die Aussetzung von Defizitverfahren. "Wer einem den kleinen Finger hinhält, darf sich nicht wundern, wenn nach der Hand geschnappt wird."

»Wenn Grenzen geschlossen werden, dann für alle EU-Bürger, wenn sie geöffnet werden, dann auch für alle«

"Wenn sich Ministerin Elisabeth Köstinger hinstellt und sagt, wir machen die Grenze für die Deutschen auf, müsste von Brüssel sofort in aller Schärfe reagiert werden", meinte Maurer: "Wenn Grenzen geschlossen werden, dann für alle EU-Bürger, wenn sie geöffnet werden, dann auch für alle." Einzelne herauszufiltern gehe nicht.

Wettbewerbsrecht absolut zentral

Ebenso sei es undenkbar, dass das EU-Beihilfenrecht für die Bewältigung der Coronakrise ausgesetzt werde, wie Blümel das am Montag gefordert habe. "Wer kontrolliert denn dann noch, wer hier wem in die Tasche zu- arbeitet?", fragte Maurer. Das EU-Wettbewerbsrecht sei absolut zentral für das Funktionieren des Binnenmarkts. "Wenn man das der Kommission nimmt, gilt nur noch das Recht des Stärkeren." Genau das drohe sich durchzusetzen, weil Brüssel die Staaten von der Leine gelassen habe.

Aufforderung zur Loyalität

Die Kommission solle endlich Loyalität einfordern, meinte der Experte. Denn es gehe nicht nur um Solidarität, sondern vielmehr darum, loyal zusammenzuarbeiten. Und loyal seien weder das Steuerdumping der Niederlande auf Kosten der anderen, noch der große Handelsüberschuss der Deutschen. Während Deutschland jeden Kredit nachgeworfen bekomme, müsse Italien enorme Zinsen zahlen. Genau diese zwei Länder aber stemmen sich - neben Österreich - gegen gemeinsame Aufbauanleihen, sogenannte Coronabonds als Hilfe für die von der Coronavirus-Pandemie betroffenen Länder in Südeuropa.

Köstinger zu Tourismus-Öffnung: Bitte Geduld

Elisabeth Köstinger äußerte sich heute wieder zu den Tourismus-Plänen, allerdings mit einer Aufforderung zu weiterer Geduld. "Wir werden nächste Woche Konzepte präsentieren, wie wir das stufenweise Hochfahren für Hotellerie und Gastronomie darstellen wollen", sagte die Tourismusministerin. Das stehe "immer unter Bedacht, dass es keine steigenden Infektionszahlen gibt", betonte die Ministerin.

Lockerung der Grenzschliepungen noch nicht konkret

Auch die teilweise Lockerung der Grenzschließungen für einen kontrollierten Reiseverkehr mit Ländern, die ihre Corona-Infektionsraten im Griff haben, war Thema. Sie nimmt aber noch keine konkreten Formen an. Hier wäre für den heimischen Tourismus vor allem eine Abstimmung mit Deutschland essenziell. Den die deutschen Urlauber buchen die meisten Nächtigungen in Österreich.

»Es handelt sich generell um eine Zukunftsdebatte«

"Es handelt sich generell um eine Zukunftsdebatte, wo wir aus österreichischer Sicht immer die Infektionszahlen im Auge behalten", so Köstinger in der heutigen Pressekonferenz. "Das sind durchaus Zukunftsszenarien, die wir uns genau anschauen und überlegen müssen." Es bedürfe dabei der Abstimmung mit europäischen Partnern. "Ich bin ständig mit den Tourismusverantwortlichen in Deutschland, aber natürlich auch in anderen Ländern, in Verbindung."

"Die Reisefreiheit wird uns so lange in einer eingeschränkten Form bevorstehen, bis das Coronavirus ausgerottet ist beziehungsweise bis es einen Impfstoff oder eine entsprechende Behandlung gibt", verdeutlichte Köstinger. Auch dazu will die Regierung nächste Woche Näheres bekanntgeben.