Warum ist mein Körper eine Last?

Viele von uns neigen zu Vermeidungsverhalten gegenüber unserer Leiblichkeit und bleiben zum Gesundheitswesen auf Distanz. Andere betreiben „Doctor Shopping“, um sich zu vergewissern, dass sie – hoffentlich – unkaputtbar sind.

von Liebes Leben - Warum ist mein Körper eine Last? © Bild: Nathan Murrell

Für mein Buch „Abbilder Gottes“ habe ich jahrelang auf medizinischen Stationen bioethische Studien gemacht. Auffällig war die zunehmende Tendenz sowohl bei Ärztinnen und Ärzten, aber auch bei Patientinnen und Patienten, den Körper zum Objekt der Behandlung zu machen. Der Leib wird, einem Defekt-Reparatur- Modell zufolge, allzu gern an den Arzt als Gesundheitsingenieur abgetreten, als wäre er ein defektes Fahrzeug, das man der Medizin zur Reparatur überlässt. Von Philosophen wird das als sogenanntes Leib-Seele-Problem seit Menschengedenken diskutiert.

Viele betrachten den Leib dabei nur als nichtiges Anhängsel der Seele. Andere schwören auf ein Weltbild, dem zufolge wir mit unserer Menschenwürde auf ein funktionierendes Gehirn angewiesen sind. Seit einem Beschluss der Harvard-Kommission von 1968 gilt der Hirntod als Tod des Menschen: Sobald das Elektroenzephalogramm zur Messung der Hirnströme eine Nulllinie zeigt und nur noch Rückenmarksreflexe vorhanden sind, hat das Stammhirn, das für Atmung und Stoffwechsel verantwortlich zeichnet, aufgehört zu arbeiten. Dann gilt der noch immer künstlich beatmete Mensch als verstorben, und es handelt sich vielen Bioethikern zufolge – und auch dem Gesetz nach – um ein „Leben aus zweiter Hand“, weil die Beatmungsmaschinen den menschlichen Organismus bloß „biologisch am Leben erhalten“. Und nun?

Diesen Beschlüssen zum Trotz haben wir zeitlebens einen Körper, mit dem wir oft auf Kriegsfuß stehen. Manche von uns haben panische Angst, wenn sie zum Arzt und womöglich zu einem invasiven Eingriff wie einer Magen- oder Darmspiegelung müssen, weil der Körper auf einmal zum Untersuchungsgegenstand und der Medizin überantwortet wird. Peter Fickert, Vorstand der Universitätsklinik für Gastroenterologie in Graz: „Es ist ratsam, zunächst über mögliche Motive für Ängste vor endoskopischen Eingriffen nachzudenken. Oft gründen sich diese auf unzureichende oder falsche Informationen. Eine sorgsame vollständige Aufklärung über die Art und Weise eines geplanten endoskopischen Eingriffes ist für ein gutes Verhältnis zwischen Arzt und Patient unverzichtbar.“

Nach psychologischem Ermessen rät Fickert zu einer ruhigen und möglichst stressfreien Umgebung und dazu, sich im Dialog dem Wissensstand der Patientinnen und Patienten anzupassen. Insbesondere im stationären Bereich ist es für Ärztinnen und Ärzte schwierig, diesen Ansprüchen aufgrund beschränkter räumlicher und zeitlicher Ressourcen zu entsprechen. Aber es ist umso wichtiger! Fragen und Ängste von Patienten dürfen niemals bagatellisiert, sondern müssen immer ernst genommen werden. „Oft verbergen sich traumatische Erfahrungen hinter den Ängsten, die schon aufgrund der modernen Entwicklungen im Bereich der Endoskopie, der Verbesserung der Sedierungstechnik und der Verbesserung der verwendeten Geräte entkräftet werden können, weil sie überholt sind“, so Medizinprofessor Peter Fickert. Für manche endoskopischen Untersuchungen gibt es alternative Untersuchungsmethoden. Was gegen schwelende Ängste hilft? Peter Fickert: „Der offene Dialog, der auch dem medizinischen Laien das Gefühl der Ohnmacht nimmt.“ Was können Sie tun, wenn Ihr Körper zur Belastung wird?

In diesem Fall kann eine Psychotherapie dabei helfen, sich auch im Krankheitsfall oder wenn ein gewisses Alter erreicht worden ist, dennoch – und jetzt erst recht – in Selbstakzeptanz zu üben. Denn auch wenn wir alt werden und körperlich schwächeln, können wir uns im Selbstvertrauen weiterentwickeln und unser Leben lieben.