König Felipe: Spaniens neue Hoffnung

Nach dem jüngsten Skandal warf König Felipe seinen Vater Juan Carlos I. aus dem Palast. Es ist der finale Akt eines jahrzehntelangen Dramas. Der Sohn genießt ihn auf Mallorca -und lässt Bilder sprechen.

von Finaler Akt - König Felipe: Spaniens neue Hoffnung © Bild: Getty Images/Pool

Als die Spanier die Nachricht erhielten, war er längst über alle Berge. Ihr ehemaliger König, Juan Carlos I., hatte vor rund zwei Wochen still und heimlich des Nächtens den Madrider Zarzuela-Palast verlassen. Erstes Ziel der Flucht war Sanxenxo, ein kleines Küstendorf im nordspanischen Galicien, wo er die meiste Zeit des Jahres verbringt. Von dort ging es weiter in die Vereinigten Arabischen Emirate, wie der Palast nach zahlreichen Spekulationen endlich Anfang dieser Woche bestätigte. Paparazzi wollen den Ex-Monarchen im Luxushotel Emirates Palace in Abu Dhabi gesehen haben.

Es war kein freiwilliger Abschied. "Felipe hatte das Verhalten und die ewigen Skandale seines Vaters einfach satt", versichert die spanische Königshausexpertin Pilar Eyre im Gespräch mit News, dass es der Sohn war, der den 82-Jährigen aus dem Land geworfen hat. Dass ein Leben im Exil ein Albtraum für den Vater ist, ist König Felipe wohl bewusst. Schon als Kind und Jugendlicher hatte der Vater unter der Franco-Diktatur mit seiner Familie im Exil in Portugal gewohnt. Dorthin könnte er zu einem späteren Zeitpunkt zurückkehren. Es ist nah an Spanien. Hier hat er Familie, viele Freunde, gute Beziehungen.

Ein Skandal zu viel

Macht, Tatkraft und eine sichere Hand für eine stabile Zukunft demonstriert indes König Felipe. Mit der Familie trat er den jährlichen Sommerurlaub auf Mallorca an, im Marivent-Palast vor den Toren der Inselhauptstadt Palma. Volksnah, freundlich und mit Masken gut geschützt. Vom Vater kein Wort. "Die Wüstenzug-Affäre hatte das Fass zum Überlaufen gebracht", sagt Eyre. "Durch sie wurde der Vater zur Bedrohung für die Zukunft der Krone und damit zur Bedrohung der ganzen Familie, speziell von Kronprinzessin Leonor."

Die in Katalonien regierenden Separatisten forderten die Abdankung Felipes. Spaniens linkspopulistischer Vize-Regierungschef Pablo Iglesias sprach sich anlässlich des "beschämenden Verhaltens" des Ex-Monarchen für ein Debatte über den Fortbestand der parlamentarischen Monarchie in Spanien aus. Alles Folgen der "Wüstenzug"-Affäre, die selbst in der Reihe Juan Carlos' zahlreicher Skandale eine neuer Dimension eröffnet.

Korruption, Schmiergeld, Affären

Für die Vermittlung eines spanischen Schnellbahnprojektes in Saudi-Arabien soll er 2008 rund 100 Millionen US-Dollar Schmiergeld vom saudischen Königshaus erhalten haben. Über Briefkasten-Firmen in Panama hatte er das Geld später angeblich auf Schweizer Konten deponiert, vorbei am spanischen Fiskus. Einen Großteil, 65 Millionen Euro, hatte er auf einem Konto seiner damaligen Geliebten Corinna zu Sayn-Wittgenstein versteckt. Das hatte Corinna 2015 in einem heimlich aufgenommenen Gespräch bestätigt. Auch von Geldkoffern im Diplomatengepäck war dabei die Rede. Die spanische Staatsanwaltschaft und die Schweiz ermitteln gegen beide.

»Der Vater wurde zur Bedrohung für die ganze Familie, speziell von Kronprinzessin Leonor«

Eine Anklage schätzt der spanische Rechtsprofessor Xavier Abrós dennoch als schwierig ein. "2008, zum Zeitpunkt der Schmiergeldzahlung, genoss Juan Carlos als König noch absolute Immunität. Und Steuerhinterziehungsvergehen verjähren in Spanien nach fünf Jahren. Ihn anzuklagen, wird nicht leicht", so Abrós.

König Felipe tut indes alles, um Spaniens Monarchie und mit ihr seine eigene Zukunft zu retten. Nach Bekanntwerden der Ermittlungen verzichtete er im März offiziell auf sein Erbe, welches aus nicht transparenten Quellen stamme. Zudem strich er dem Vater das jährliche Gehalt von 200.000 Euro - was Juan Carlos kaum stören dürfte, besitzt er nach Schätzungen doch ein Privatvermögen von über einer Milliarde Euro.

Gestörte Beziehung

Das Ausleuchten der dysfunktionalen Vater-Sohn-Beziehung schmerzt da schon mehr. "Felipes Maßnahmen dürften ihm moralisch wehtun. Sie zeigen zudem, wie kaputt ihre Beziehung ist", sagt Pilar Eyre. Es sollen harte Worte zwischen Vater und Sohn gefallen sein, bevor Felipe die Entscheidung traf, Juan Carlos aus dem Palast zu schmeißen. Das Königshaus formulierte dies diplomatischer. Er wolle Spanien verlassen, um dem Sohn die "Ausübung seines Amtes zu erleichtern", so Juan Carlos in einem öffentlichen Schreiben an König Felipe. Er wolle die Monarchie vor weiterem Schaden bewahren, der durch "vergangene Ereignisse in meinem Privatleben" entstehen könnte, hieß es weiter.

Doch selbst die königliche PR-Maschine kann den sich seit Jahrzehnten vertiefenden Bruch nicht kaschieren. Bereits seit Jahren beschränke sich der Kontakt zwischen den beiden aufs Nötigste, beschreibt die Palast-Insiderin. Für Pilar Eyre fing alles 2001 mit dem Dessous-Model Eva Sannum an. Felipe war schwer verliebt, wollte die attraktive Norwegerin sogar heiraten. König Juan Carlos soll Felipe damals gezwungen haben, die Beziehung sofort zu beenden. Ein Unterwäschemodel auf dem spanischen Thron war undenkbar für den Monarch.

Witze über Letizia

Der junge Kronprinz soll damals bereits gegen den Vater aufbegehrt haben: "Du bist der Letzte, der mir in Sachen Frauen Lektionen erteilen sollte!" Felipe, der immer schon eine innige Beziehung zu Mutter Sofía hatte, litt wie die Königin unter den Juan Carlos Seitensprüngen und Affären. Dennoch trennte er sich von Eva Sannum. "Felipe wurde von klein an dazu erzogen, im Dienste der Krone zu stehen", erklärt Pilar Eyre. Als Juan Carlos auch die Beziehung mit der TV-Journalistin Letizia Ortiz verhindern wollte, war Felipe bereits stark genug sich durchzusetzen.

© JP Yim/Getty Images of Opera Italiana Is In The Air Corinna Sayn-Wittgenstein nennt sich bloß "gute Freundin"

Er drohte, für diese Liebe auf den Thron verzichten zu wollen, deshalb stimmte Juan Carlos 2004 der Hochzeit zu. "Das Verhältnis zwischen Juan Carlos und Letizia ist seitdem gestört. Lange ignorierte er sie, machte sich mit seinen Freunden sogar über sie lustig. Das bekam Felipe natürlich mit", erklärt Palastexpertin Paloma Barrientos.

»Die Krone muss ehrliches und transparentes Verhalten an den Tag legen«

Das Elefanten-und Schürzenjägerleben des Vaters war Felipe weiter ein Dorn im Auge. Er sah, wie der Vater nicht nur das Ansehen der Mutter beschmutzte, sondern auch die Krone, auf die er sich sein Leben lang vorbereitete.

2014 dankte Juan Carlos als Folge des letzten großen Skandals endlich ab. Mitten in der schweren Finanzkrise, die Millionen Spanier in Arbeitslosigkeit und Armut trieb, hatte er eine Luxus-Safari gemacht - in Begleitung seiner "herzlichen Freundin", wie sie sich nennt, Corinna zu Sayn-Wittgenstein. Königin Sofía lebt seitdem getrennt von ihrem Mann. Felipe bestieg den Thron in klarer Distanz zum Vater: Er kürzte das Gehalt der Königsfamilie, verbot allen Mitgliedern, Geschenke anzunehmen. "Die Krone", erklärte er, "muss die Würde der Institution gewährleisten und ein ehrliches und transparentes Verhalten an den Tag legen."

Ein klarer Seitenhieb Richtung Vater. Aber auch an Schwester Cristina und Schwager Iñaki Urdangarin, denen er den Herzogstitel von Palma entzog, nachdem letzterer des Finanzbetrugs überführt worden war.

Es kann nur einen geben

Nach und nach versuchte König Felipe, dem Vater öffentliche Vertretungsaufgaben des Königshauses zu entziehen. Kein leichtes Unterfangen, denn Juan Carlos liebt den öffentlichen Auftritt. Palast-Insider sprechen sogar von einer Rivalität und Eifersucht Felipes, soll Juan Carlos trotz seines Images als Schürzenjäger immer volksnäher und beliebter gewesen sein als der angepasst und brav wirkende Sohn. Der Schatten des Vaters war lang. Und zwei Könige waren einer zu viel.

Als Felipe seinen Vater 2017 zum 40. Jubiläum der Demokratie nicht zur Feier ins Parlament einladen wollte, wollte auch Juan Carlos nichts mehr von seinem Sohn wissen. Er war stinksauer, war er doch der König, der 1976 den Übergang von der Diktatur zur Demokratie überhaupt ermöglicht hatte und 1982 einen Staatstreich rechter Militärs verhindert hatte.

2019 verzichtet Juan Carlos darauf, offizielle Anlässe zu besuchen. Doch seine Skandale verfolgen ihn und seinen Sohn bis heute. Mit dem Exil vergrößert Felipe nun die Distanz zum Vater. Die "Wüstenzug"-Affäre zwang Felipe endgültig, alle Brücken zum Vater abzubrechen. Für sich, für seine Tochter, für die Zukunft der Krone.

Der Beitrag erschien ursprünglich im News 34/2020.