Regierungsverhandlungen
auf der Zielgeraden

Kurz optimistisch, dass es vor Weihnachten zu Einigung kommt. Noch offene Fragen.

ÖVP-Chef Sebastian Kurz informierte heute Bundespräsident Alexander Van der Bellen über den aktuellen Stand der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ. In einem Statement danach hielt er sich kurz und knapp und zeigte sich optimistisch, dass die Regierung noch vor Weihnachten zustande komme.

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Koalition - Regierungsverhandlungen
auf der Zielgeraden

Der voraussichtliche neue Bundeskanzler war für rund 45 Minuten in der Präsidentschaftskanzlei. Als die Tapetentür danach aufging, wurden das Staatsoberhaupt und Kurz zur Freude der Fotografen und Kameraleute von Van der Bellens Hund Kita begleitet. Vom türkisen Parteichef gab es für die schwarze Deutsch-Drahthaar-Mischlings-Dame dann auch gleich ein paar Streicheleinheiten.

Inhaltlich versicherte Kurz dem Bundespräsidenten noch einmal, dass die Ressorts Justiz und Inneres nicht von der gleichen Partei besetzt werden, Van der Bellen legt besonderen Wert auf Gewaltenteilung. Nach derzeitigem Stand übernimmt die FPÖ mit Herbert Kickl das Innenressort, das Justizministerium geht an die ÖVP. Und der ÖVP-Chef betonte, dass auch die pro-europäische Ausrichtung der künftigen Bundesregierung mit den Freiheitlichen "sichergestellt" werde. Die EU-Agenden wandern ja voraussichtlich vom FPÖ-geführten Außenministerium zu Kurz ins Bundeskanzleramt.

Ministerliste noch nicht abgeschlossen

Die Ministerliste und die Kompetenzverteilung unter den einzelnen Ministerien sind neben letzten Details zum Ausbau der direkten Demokratie die noch offenen Themen bei den finalen Verhandlungsrunden am Donnerstagabend und am Freitag. Getagt wird dabei wieder im Palais Epstein. Freitagabend oder Freitagnacht könnten die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen werden, für Samstag haben beide Parteien schon einmal ihre Parteigremien einberufen. Erst danach wollen ÖVP-Chef Kurz und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache Details zum Regierungsprogramm und zum neuen Regierungsteam bekannt geben.

Am Sonntag könnte dann Van der Bellen die von ihm avisierten Gespräche mit den neuen Ministerinnen und Ministern führen, am Montag die neue schwarz-türkis-blaue Bundesregierung unter Kanzler Kurz und Vizekanzler Strache zur Angelobung in die Präsidentschaftskanzlei in der Hofburg schreiten. Kurz zeigte sich am Donnerstag jedenfalls "sehr optimistisch", dass das Ziel, die Koalitionsverhandlungen vor Weihnachten abzuschließen, erreicht wird. "Wir sind in der Zielgerade der Verhandlungen."

Kritik an den Herbstferien

Kritik gab es unterdessen an einzelnen bereits bekannt gewordenen Vorhaben der künftigen ÖVP-FPÖ-Regierung. Lehrer- und Elternvertreter äußerten sich skeptisch zur kolportierten Einführung von einheitlichen Herbstferien an Schulen. In Sachen Glyphosat wiesen Experten darauf hin, dass ein österreichweites Verbot des umstrittenen Pestizids, wie es ÖVP und FPÖ angekündigte hatten, aus EU-rechtlichen Gründen gar nicht möglich sei.

Auch die von den künftigen Regierungspartnern vereinbarte Rücknahme des absoluten Rauchverbots in der Gastronomie stieß weiter auf Kritik. "Das Rauchverbot ist spät genug gekommen. Es jetzt zu kippen, weil es zumindest ein Koalitionsteil so will, ist etwas, das mich schmerzt", meinte der steirische Landeshauptmann und ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer. Die Nichtraucher-Petition der Österreichischen Krebshilfe wurde inzwischen online von mehr als 270.000 Personen unterstützt. Gastronomen und Trafikanten haben indes eine Petition für die Aufhebung des absoluten Rauchverbots gestartet.

Überraschender Zwischenruf

Überraschend zu Wort meldete sich am Donnerstag der frühere ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. In einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin "trend" beurteilte er die Möglichkeiten der künftigen Regierung eher nüchtern. "In der Politik sind keine Wunder möglich. Eine 14-Milliarden-Steuerreform wird aufgrund der Schulden der Republik und des Wirtschaftswachstums nicht erfüllbar sein." Entscheidend für die Performance der neuen Regierung werde aber sein, ob es gelingt Erwartungshaltungen zu brechen, etwa bei der geplanten Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen. Überwinde man hier den Widerstand der Länder, sei das "symbolisch weit bedeutender". Ähnliches gelte beim 12-Stunden-Tag. "Gelingt es, die Sozialpartnerschaft mit ihrer verkrusteten Beharrlichkeit aufzubrechen, wird beim Wähler der Eindruck eines neuen Stils ankommen."

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