Die Angelobung
der ÖVP-FPÖ-Regierung

Akt wird von Kritik und Protest begleitet. Eine Zusammenfassung der Tagesereignisse

Es ist offiziell: Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat die neue türkis-blaue Regierung angelobt. Mit dem 31-jährigen Sebastian Kurz hat Österreich den jüngsten Bundeskanzler aller Zeiten und die dritte ÖVP-FPÖ-Koalition. National und international musste die Regierung gleich am ersten Tag viel Kritik einstecken.

von

+++ Kurz und Strache gelassen zu Vorbehalten +++

Betont gelassen reagierten Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache Montag im "ZiB"-Interview auf Kritik an der neuen Regierung durch den UN-Hochkommissar für Menschenrechte sowie mögliche Konsequenzen Israels auf die blaue Regierungsbeteiligung.

"Unsere Aufgabe wird es nicht nur sein, im Inland gute Arbeit zu leisten, sondern auch im Ausland zu überzeugen" - und Bedenken "zu zerstreuen und auszuräumen". Aber dafür habe die Regierung fünf Jahre Zeit, sagte Kurz, angesprochen auf die Aussage von Hochkommissar Said Raad al-Hussein, der Antritt von Schwarz-Blau sei eine "gefährliche Entwicklung im politischen Leben Europas".

Zur Ankündigung Isreals, dass es aber vorerst keinen direkten Kontakt zu den FPÖ-Minister geben und der künftige Umgang geprüft wird, hat Kurz bereits mit der Botschafterin telefoniert. Er habe "vollen Respekt" für diese Entscheidung, zeigte sich aber "optimistisch, dass wir diese Bedenken ausräumen können".

Gemeinsam trat man auch der Kritik an der Bestellung von Herbert Kickl (FPÖ) zum Innenminister entgegen. Strache bestritt, dass das "Ariel"-Zitat von Kickl stammt. Kurz plädierte dafür, Minister und die Regierung insgesamt an ihrer Arbeit zu messen. "Jeder hat seine Geschichte, aber jeder hat auch seine Chance verdient", sagte Kurz - und betonte, dass er den Vorschlag der FPÖ zur Besetzung der Ressorts respektiert habe und ebenso der Bundespräsident.

Strache verwies darauf, dass die Reaktionen im Jahr 2000 wesentlich schärfer gewesen seien - damals sei der israelische Botschafter abgezogen und der Kontakt zur Regierung generell eingestellt worden. Das sei jetzt nicht der Fall, es werde weiterhin Kontakt zu den FPÖ-geführten Ministerien auf Verwaltungsebene geben. Und der FPÖ-Chef versicherte, dass man einen "ehrlichen nachhaltigen freundschaftlichen Kontakt" wolle - und seine Partei im Kampf gegen den Antisemitismus "einer der wesentlichen Vertreter" in Österreich und in Europa sei.

+++ Israel will direkten Kontakt zu Kurz +++

Der israelische Premierminister und Außenminister Benjamin Netanyahu strebt einen direkten Kontakt zu Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an. Netanyahu habe, und werde auch in Zukunft, direkte Kontakte mit dem gewählten österreichischen Bundeskanzler haben, hieß es am Montagabend in einer Aussendung der israelischen Botschaft in Wien.

Parallel dazu habe der Premierminister den Generalsekretär des israelischen Außenministeriums angewiesen, eine professionelle Bewertung über die Art und Weise der Kontakte gegenüber der neuen Regierung vorzunehmen.

Momentan werde Israel berufliche Kontakte zu den Beamten in den Ministerien, in denen ein FPÖ-Minister an der Spitze steht, haben, hieß es weiter. Zudem wolle die israelische Regierung ihre Verpflichtung für den Kampf gegen Antisemitismus und zu einer Erinnerungskultur für die Shoa betonen.

+++ Außenministerin Kneissl betont Unabhängigkeit +++

Die neue Außenministerin Karin Kneissl hat ihre Unabhängigkeit in ihrem neuen Amt betont. Mit ihrer Nominierung als Unabhängige habe FPÖ Chef Heinz Christian Strache eine "sehr schöne Praxis aufgegriffen" wie sie auch unter SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky Tradition war, sagte Kneissl am Montag in ihrem ersten Interview als designierte Außenministerin.

"Ich werde auf Inhalte setzen", betonte Kneissl gegenüber dem Fernsehsender Servus TV. Im Bereich der Integration will Kneissl die Anstrengungen der vergangenen Jahre weiterführen: "Es geht darum klare Rechte und klare Pflichten einzufordern. Um in Österreich integriert zu sein, braucht es Spracherwerb, es geht darum, Steuern zahlen zu können, sich einzubringen und an die Gesetze zu halten".

+++ UN-Hochkommissar: Regierung "Gefahr für Europa" +++

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte hat Österreichs neuen Bundeskanzler Sebastian Kurz und dessen Rechtskoalition als Gefahr für Europa kritisiert. Der Antritt der Regierung aus ÖVP und FPÖ sei eine "gefährliche Entwicklung im politischen Leben Europas", sagte Hochkommissar Said Raad al-Hussein am Montag der Nachrichtenagentur AFP in Genf.

Al-Hussein kritisierte insbesondere, dass Kurz in der Migrationspolitik Positionen von Kräften am rechten Rand übernommen habe. Kurz' Haltung in der Migrationspolitik sei von "absolutem Opportunismus" geprägt, kritisierte der hochrangige UN-Vertreter. Kurz habe sich im Wahlkampf in der Frage der Immigration und der Rechte von Migranten "scharf nach rechts bewegt, um sich Stimmen aus der Lager der Freiheitlichen zu sichern und so das Kanzleramt zu gewinnen", sagte Al-Hussein zu AFP. "Ich bin sehr besorgt."

Er fürchte, dass sich andere Politiker in Europa daran ein schlechtes Beispiel nähmen. Der Menschenrechtskommissar warnte eindringlich vor der Strategie, "durch die Verbreitung von Angst und durch Beschuldigungen bestimmter Bevölkerungsgruppen in politische Ämter gelangen" zu wollen, sagte der Jordanier. "Wir müssen sehr darauf Acht geben, ob es hier einen Nachahmungseffekt für andere Politiker in Europa gibt."

Mit Blick auf die neue Regierung in Wien warnte Al-Hussein vor einem europaweiten Aufstieg des "ethno-nationalistischen, chauvinistischen Nationalismus". "Die extreme Rechte sollte sehr gründlich darüber nachdenken, wohin sie ihre Länder und den Kontinent in Allgemeinen führt."

+++ Orbán gratuliert Kurz zur Angelobung +++

Der ungarische rechtskonservative Premier Viktor Orban hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in einem Schreiben zu dessen Angelobung gratuliert, wie die ungarische Nachrichtenagentur MTI am Montag berichtete. Es sei erfreulich, dass Österreich erneut von einer Regierung gelenkt werden kann, "die sich auf christlichen und konservativen Werten konstituiert", schrieb Orban.

"Ich blicke mit großen Erwartungen auf die vor uns liegende gemeinsame Arbeit, mit der wir zur Stärkung der ungarisch-österreichischen Beziehungen, zur Entwicklung der Mitteleuropa-Region und zur Wiederherstellung der Sicherheit unseres Kontinents beitragen können", betonte der Premier in seinem Glückwunschschreiben an Kurz.

+++ Neuer Finanzminister Löger lobt Vorgänger Schelling +++

Dank und Lob für den bisherigen Ressortchef Hans Jörg Schelling (ÖVP) gab es Montagnachmittag bei der Schlüsselübergabe im Finanzministerium. Der neue Minister Hartwig Löger (ÖVP) dankte seinem Vorgänger für seine Verdienste in den vergangenen drei Jahren - von Steuerreform über HETA-Lösung bis zur Einführung eines einheitlichen Buchhaltungssystems für Bund und Länder.

Er übernehme von Schelling ein sehr gut aufgestelltes Haus, "die Belegschaft und das Haus sind perfekt organisiert" lobte Löger. Für seine Amtszeit sieht er das große Ziel, "beim System und nicht beim Menschen zu sparen". Es gelte, "jede Ineffizienz aufzuspüren und zu beseitigen". Mit Löger übernahm auch FPÖ-Staatssekretär Hubert Fuchs die Schlüssel des Finanzministeriums.

+++ Androsch skeptisch gegenüber Regierung +++

Als "vage, inhalts- und substanzlos" bezeichnete der Industrielle und Chef des Rats für Forschung und Technologieentwicklung (RFT), Hannes Androsch, die Pläne der neuen Regierung in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Forschung. Einen weit positiveren Eindruck vom schwarz-blauen Programm hat der Chef des Wissenschaftsrats, Antonio Loprieno.

Androsch ortet in Österreich viel "Wissenschafts- und Bildungsarmut, aus der für viele Lebens- und Altersarmut resultiert", so der Initiator des Bildungsvolksbegehrens, der gegenüber der APA erneut für eine Einführung des zweiten verpflichtenden Vorschuljahres und einen Ausbau der Ganztagsschulen plädierte. Weiters gelte auch: "Unsere Universitäten sind heillos unterfinanziert."

Im Regierungsprogramm sieht Androsch keine tragfähigen Ansätze zur Behebung dieser Probleme, "weil die Finanzierung völlig ungeklärt ist". Noch dazu lasse das Programm die Verankerung des oftmals geforderten und auch seitens der Politik in Aussicht gestellten Zieles vermissen, zukünftig zwei Prozent des BIP für den Hochschulbereich aufzuwenden. Trotz der Tatsache, dass Österreich in punkto Forschungsquote (derzeit 3,14 Prozent) "gut aufgestellt" sei, bemängelte der RFT-Chef die mangelhafte Dotierung der Grundlagenforschung, "die wiederum hauptsächlich auf die Unterdotierung der Universitäten" zurückzuführen sei.

+++ Kickl sieht "große Herausforderung" +++

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hat am Montagnachmittag das Amt von seinem Vorgänger Wolfgang Sobotka (ÖVP) übernommen, der am Mittwoch zum Nationalratspräsidenten gewählt wird. Der neue Ressortchef sprach vor 100 Führungskräften von einer "großen Herausforderung", auch für ihn persönlich. Als Ziele nannte er die Senkung der Kriminalitätsrate sowie den Kampf gegen illegale Migration.

Auch Personelles hatte Kickl gleich zu bieten. Denn das Innenministerium erhält mit Peter Goldgruber einen Generalsekretär. Der erfahrene Polizeijurist und bisherige Chef der Strategieabteilung der Wiener Polizei ist damit Vorgesetzter aller Sektionschefs und aller nachgeordneten Ämter und Behörden.

Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) wird für die Bereiche Gedenkstätte Mauthausen, Bundesamt für Korruptionsbekämpfung sowie den Zivildienst zuständig sein. Sie fühle sich in ihrer Funktion den Werten der Europäischen Menschenrechtskonvention verpflichtet und werde ihre Expertise in diesem Bereich einbringen, sagte die Staatssekretärin, die zuletzt am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte tätig war.

+++ Analysten fehlen Zeitpläne +++

Die Analysten von Raiffeisen Research haben sich das schwarz-blaue Regierungsprogramm genauer angeschaut. "Es ist prinzipiell so angelegt, dass es die Schwerpunkte der Arbeitsbereiche definiert und nicht die Vorhaben konkretisiert. Da auch in vielen Bereichen die zeitliche Dimension der Umsetzung fehlt, kann man von vielen guten Absichten sprechen, nicht aber von Zielen", heißt es am Anfang.

Entscheidend werde die Umsetzungsstärke der neuen Regierung werden. "Insgesamt trägt das neue Regierungsprogramm eine wirtschafts- und standortfreundliche Handschrift marktwirtschaftlicher Prägung. Es finden sich viele Überschriften, die jedoch erst mit Inhalten gefüllt werden müssen. Im Endeffekt kommt es auf die Umsetzung der Vorhaben/Absichten an", schreiben die Analysten.

Die anvisierte Abschaffung der kalten Progression und die Senkung der Steuer- und Abgabenquote auf 40 Prozent - beides aufkommensneutral finanziert - scheint, so die Fachleute, noch in weiter Zukunft zu liegen. Dies, obwohl sich unter der strukturellen Steuerreform "so wichtige und richtige Punkte wie Modernisierung der Steuerbilanz, Vereinfachung der Steuererklärung für Kleinunternehmer, degressive Abschreibung und KöSt-Senkung insbesondere für nicht-entnommene Gewinne oder eine Tarifentlastung" finden. "Zeitliche Vorgaben fehlen jedoch."

+++ Kritik aus vielen Ecken an der Regierung +++

Kritik aus unterschiedlichen Ecken prasselte am Montag auf die neu angelobte schwarz-blaue Regierung ein. Die Kritikpunkte reichten dabei von den Menschenrechten über die Frauen-bis zur Umweltpolitik.

So hielt Amnesty International der Koalition vor, sich zwar explizit zu den Menschenrechten zu bekennen, gleichzeitig würden aber einige Maßnahmen im Regierungsprogramm bedeuten, dass die Rechte und Freiheiten von Menschen in Österreich "massiv beschnitten" würden. Einige der geplanten Maßnahmen würden den sozialen Zusammenhalt gefährden, meinte der Generalsekretär von AI-Österreich, Heinz Patzelt.

SPÖ-Frauenvorsitzenden Gabriele Heinisch-Hosek kündigte an, dass man "laut und deutlich" gegen Verschlechterungen für Frauen auftreten werde. "Frauenpolitik wird von Schwarz-Blau als konservative Familienpolitik begriffen, was auch die Integration der Frauenagenden ins Familienministerium mehr als deutlich zeigt", so Heinisch-Hosek. Auch die Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings, Sonja Ablinger, sieht Schwarz-Blau in der Frauenpolitik auf einem "Retro-Kurs".

Die SOS-Kinderdörfer befürchten Kinderrechtsverletzungen. Geschäftsführer Christian Moser kritisierte, dass Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarmut fehlen. "Wer Mindestsicherung und Arbeitslosengeldbezug kürzt, nimmt Kinderarmut in Kauf." Die SPÖ-Kinderfreunde orteten ein "Angsthasen-Programm": Dieses sei über "weite Teile nebulös und eine Ansammlung von Allgemeinplätzen", so Bundesvorsitzender Christian Oxonitsch.

+++ Deutsche Kanzlerin Merkel reagiert abwartend +++

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat abwartend auf die neue rechtskonservative Regierung in Österreich reagiert. Merkel sagte am Montag in Berlin, sie werde verfolgen, wie die "europapolitische Positionierung" Österreichs sein werde.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der neue Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hätten bereits darauf hingewiesen, es sei die Absicht Österreichs, ein aktiver Partner in Europa zu sein. "Ich wünsche mir eine gute Zusammenarbeit mit unserem Nachbarland Österreich", sagte Merkel nach Beratungen der CDU-Spitzengremien.

Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz hat indes mit Besorgnis auf die neue Regierung in Österreich reagiert. "Die Regierungsbildung in Wien ist keine rein innenpolitische Angelegenheit", sagte er am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "In etlichen EU-Staaten erleben wir derzeit einen Rechtsruck", meinte Schulz, bis vergangenes Jahr Präsident des Europäischen Parlaments.

+++ EU-Parlamentarier schließt Sanktionen nicht aus +++

Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Gianni Pittella, hat am Montag vor den Folgen einer schwarzblauen Regierung in Wien gewarnt und Sanktionen gegen Österreich nicht ausgeschlossen. "Wir sind wegen der Bildung einer rechtsextremen Regierung in Österreich zutiefst besorgt", so Pittella in einer Presseaussendung.

Die sozialdemokratische Fraktion im EU-Parlament werde "jeden einzelnen Schritt" der österreichischen Regierung beobachten, die "unsere Werte und europäische Prinzipien" gefährden könnten. Auch Sanktionen oder Vertragsverletzungsverfahren seien nicht auszuschließen, sollten die "EU-Schlüsselwerte" bedroht werden.

"Die Bildung der neuen Regierung in Wien könnte sehr gefährliche Folgen haben. Es ist ein Sprung ins Ungewisse, das uns in die dunkelsten Phasen unserer Geschichte zurückversetzen könnte", meinte Pittella.

Der französische EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici hatte unterdessen am Sonntag laut AFP im Kurzbotschaftendienst Twitter mit Blick auf europäische Werte zur "Wachsamkeit der Demokraten" aufgerufen. Zwar sei die Lage "wahrscheinlich anders" als im Jahr 2000, als die ÖVP mit der FPÖ unter ihrem damaligen Vorsitzenden Jörg Haider schon einmal eine Koalition gebildet hatte. "Extreme Rechte an der Macht" seien aber "niemals harmlos".

IKG-Präsident: FPÖ-Regierungsbeteiligung "besorgniserregend"

Die Regierungsbeteiligung der FPÖ ist für den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, "besorgniserregend". Darüber könnten auch die Bekenntnisse zu Menschenrechten und Europa nicht hinwegtäuschen, sagte Deutsch am Montag in einer Aussendung. Man dürfe die "Gefahren nationalistischer Politik nicht unterschätzen".

Die ÖVP und die parlamentarische Opposition sowie die Zivilgesellschaft seien aufgerufen, besonders wachsam und kritisch zu bleiben, meinte Deutsch. "Es kann niemals Normalität werden, dass eine rechtspopulistische bis rechtsextreme Partei, deren Vertreter immer wieder Schwierigkeiten hatten, sich vom Nationalsozialismus zu distanzieren und Stimmung gegen Menschen anderer Kulturen und Religionen gemacht haben, in Regierungsverantwortung gelangt." Für besonders bedenklich hält Deutsch, dass gerade diese Partei nun die politische Verantwortung sowohl für Polizei und damit die Geheimdienste sowie für das Bundesheer trägt.

+++ May und Vucic gratulieren Kurz +++

Die britische Ministerpräsidentin Theresa May war am Montag die erste im Reigen den Gratulanten. Sie rief den frisch gebackenen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach der Angelobung der schwarz-blauen Bundesregierung an. Laut einem Sprecher freute sich die konservative Politikerin auf die weitere Zusammenarbeit und "die Vertiefung der guten bilateralen Beziehungen".

Weiters besprachen May und Kurz die künftige Zusammenarbeit in der Europäischen Union, insbesondere während des kommenden EU-Vorsitzes Österreichs im zweiten Halbjahr 2018. Diese wird im Zeichen des "Brexit" stehen, der am Montag natürlich auch Thema des Telefonats war.

Auch Serbiens Präsident Aleksandar Vucic richtete Gratulationen an Kurz und bedankte sich gleichzeitig für die Unterstützung Wiens auf dem Weg Serbiens in Richtung EU. Er sei sicher, dass das Vertrauen der Bürger Österreichs Kurz "einen starken Willen verleihen werde, sie auf dem fest verankerten Weg des Erfolges und des Fortschritts zu führen", stellte Vucic in seinem Schreiben fest.

+++ Südtiroler Parteien über Doppelpass erfreut +++

Auf einer parteiübergreifenden Pressekonferenz in Bozen haben sich am Montag Vertreter der Süd-Tiroler Freiheit, der Freiheitlichen, der SVP-Altmandatare und des Südtiroler Heimatbundes erfreut über die Verankerung der Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler im Koalitionsvertrag gezeigt. Die Umsetzung soll laut FPÖ-Südtirol-Sprecher Werner Neubauer "bald angegangen werden".

Das Gedenkjahr 2018 wäre dafür ein würdiger Anlass, meinte Neubauer, der aber gleichzeitig einräumte, dass er auch verstehen könne, wenn sich die Vorbereitungen etwas länger hinziehen würden. Arbeitsgruppen sollen offene Fragen klären. Eine davon soll auch in Südtirol angesiedelt sein. Für diese könnte sich Neubauer Altlandeshauptmann Luis Durnwalder (SVP) als Vorsitzenden vorstellen.

Neubauer unterstrich, dass auf Initiative der FPÖ Südtirol auf die Agenda der Koalitionsverhandlungen gesetzt wurde. Neben der doppelten Staatsbürgerschaft wurden auch eine Zugverbindung Wien-Bozen, eine Wiederbelebung des Kulturaustausches und eine "menschenwürdige Lösung" für die ehemaligen Südtirol-Aktivisten ins Programm aufgenommen.

+++ Kern übergab an Kurz +++

In äußerst knapper Form ist am Montag zu Mittag die Amtsübergabe im Bundeskanzleramt von Christian Kern (SPÖ) an seinen Nachfolger als Kanzler, Sebastian Kurz (ÖVP) erfolgt. Die gesamte Zeremonie dauerte gerade einmal 50 Sekunden. Kern wünschte Kurz "viel Erfolg", dann gingen beide schon wieder ab.

Ursprünglich hätte der Handschlag auf der Stiege des Kanzleramts stattfinden sollen. Wegen des großen Medienandrangs wurde dies jedoch kurzfristig in den Kongresssaal, wo üblicherweise die Briefings nach dem Ministerrat stattfinden, verlegt. Mit den Flaggen der Bundesländer und der Republik Österreich im Rücken stellten sich die beiden auf ein Podium und schüttelten einander die Hände. "Österreich sei in sehr gutem Zustand", sagte Kern, es liege in der neuen Regierung darauf aufzubauen und das Land in ruhige Gewässer zu führen.

Für einen Oppositionspolitiker sei dies wohl eine ungewöhnlich Aussage, so Kern, der ab sofort nur noch als Klubobmann der SPÖ im Nationalrat fungiert: "Ich fände es gut, wenn diese Regierung auch Erfolg hat."

+++ Steuerberater begrüßen Steuerreformpläne +++

Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder (KWT) hat die Pläne der neuen Regierung zur Vereinfachung des Steuersystems und der Finanzverwaltung sowie die geplante Senkung der Abgabenquote begrüßt. Positiv bewerten die Steuerberater vor allem die Änderungen bei der Einhebung der lohnabhängigen Abgaben und die Entrümpelung des Einkommenssteuergesetzes - beides langjährige Forderungen der KWT.

"Wir freuen uns, dass viele unserer Forderungen ins Regierungsprogramm Eingang gefunden haben. Die Steuerstrukturreform macht Hoffnung", meinte Klaus Hübner, Präsident der KWT, in einer Aussendung.

+++ Das sind die neuen Minister +++

Die neue Regierung wurde angelobt: Insgesamt 14 Minister - plus 2 Staatssekretäre - der ÖVP-FPÖ-Koalition haben die Gelöbnisformel bejaht.

ÖVP-Regierungsteam:
Bundeskanzler: Sebastian Kurz
Kanzleramtsminister für EU, Medien, Kunst und Kultur: Gernot Blümel
Finanzen: Hartwig Löger
Wirtschaft: Margarete Schramböck
Bildung, Universitäten, Kindergärten: Heinz Faßmann
Frauen und Familie: Juliane Bogner-Strauß
Justiz und Staatsreform: Josef Moser
Landwirtschaft und Umwelt: Elisabeth Köstinger
Staatssekretärin im Innenministerium: Karoline Edtstadler

FPÖ-Regierungsteam:
Vizekanzler und Minister für Beamte, Sport: Heinz-Christian Strache
Inneres: Herbert Kickl
Verteidigung: Mario Kunasek
Infrastruktur und Verkehr: Norbert Hofer
Soziales und Gesundheit: Beate Hartinger
Äußeres: Karin Kneissl
Staatssekretär im Finanzministerium: Hubert Fuchs

+++ 5.500 protestierten am Heldenplatz +++

Rund 5.500 Personen haben am Montag am Wiener Heldenplatz gegen die Angelobung der schwarz-blauen Koalition demonstriert. Zu gröberen Zwischenfällen kam es dabei laut Polizeisprecher Patrick Maierhofer nicht. Gegen 12.00 Uhr setzte bereits eine Abstrombewegung ein.

© AFP or licensors

Laut Polizei wurden ein paar Böller geworfen, was aber bald unterbunden wurde. "Nach vermehrtem Bewurf mit pyrotechnischen Gegenständen erfolgt vor Ort die Aufforderung, dies einzustellen", twitterte die Polizei Wien. Kurzfristig versuchten die Demonstranten zudem, am Heldenplatz ein Feuer zu entzünden, das von den Beamten der Spezialeinheit Wega aber umgehend wieder gelöscht wurde.

+++ Glückwünsche an Kurz +++

Sebastian Kurz mit Freundin
© News/Valerie Krb Sebastian Kurz nach der Angelobung mit seiner Freundin Susanne Thier

In den sozialen Netzwerken trudeln nach der Angeblobung die ersten Glückwünsche aus der Politik für den frisch gebackenen Bundeskanzler Sebastian Kurz ein:

+++ Van der Bellen zur neuen Regierung +++

+++ Karas: Kurz-Besuch in Brüssel "wichtiges Signal" +++

Der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament Othmar Karas sieht die FPÖ-Mitgliedschaft in der rechtspopulistischen ENF-Fraktion als weiterhin problematisch an. Für die neue Regierung sei dies sowie der EU-Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr 2018 besonders wesentlich. Daher sei die Brüsselreise von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Tag nach seiner Angelobung "ein wichtiges Signal".

Die SPÖ-Delegationsleiterin im Europaparlament Evelyn Regner bezeichnete die schwarz-blaue Regierung als "beunruhigend". Dies nicht nur für Österreich, sondern auch für Europa. Die neue Koalition stehe für eine neoliberale Retro-Politik, die auf die Schwächeren in der Gesellschaft vergesse. Dies bedeute eine Gefährdung der sozialen Sicherheit. Es zeige sich auch, dass die FPÖ als vermeintliche Partei des kleinen Mannes ihre Wähler weiter an der Nase herumführe. Es gebe eine "knallharte Umverteilung von unten nach oben".

+++ Neue Regierung bereitet Tiroler Grünen "Bauchschmerzen" +++

Die neue schwarz-blaue Regierung breitet den Tiroler Grünen "Bauchschmerzen". "Die Bundesregierung lässt die Tiroler mit ihren Sorgen im Stich", sagte Tirols Grüne LHStv. Ingrid Felipe am Montag bei einer Pressekonferenz und kritisierte das Regierungsübereinkommen vor allem hinsichtlich der Umweltthemen. Gleichzeitig bezeichnete sie die Koalition als "eisblau" in "Farbe, Haltung und Inhalt".

+++ Vilimsky: FPÖ bleibt in ENF +++

Die FPÖ bleibt in der rechtspopulistischen Fraktion ENF (Europa der Nationen und Freiheit) im Europaparlament. Der freiheitliche Delegationsleiter im EU-Parlament Harald Vilimsky machte allerdings auch klar, dass kein Bündnis auf Lebenszeit Bestand habe. Nach den Europawahlen 2019 könnte eine "positive EU-kritische Gruppierung" entstehen, sagte Vilimsky Montag im Gespräch mit der APA.

Jedenfalls sei die Mitgliedschaft der FPÖ in der ENF bei den Koalitionsverhandlungen "kein Thema" gewesen. Es sei vereinbart, dass die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen nicht Thema der Regierungsgespräche seien. "Ich rege mich auch nicht auf, dass neben (Othmar) Karas die Frau Mussolini sitzt".

+++ Steuerzahlerbund sieht gute Zielrichtung +++

Der Bund der Steuerzahler (VÖS) sieht im Regierungsprogramm grundsätzlich eine positive Zielsetzung in Richtung Steuersenkungen. "Die Frage ist aber, ob die Umsetzung in absehbarer Zeit gelingt und die am Weg wartenden Probleme in den Griff bekommen werden können", sagte VÖS-Präsident Oliver Ginthör im Gespräch mit der APA.

Man unterstütze die Absicht, die Abgabenquote von derzeit 43 in Richtung 40 Prozent zu senken. Im Regierungsprogramm gebe es viele Ankündigungen, "man muss sehen, ob das so kommt". Das große Fragezeichen sei die Gegenfinanzierung von 14 Mrd. Euro. "Das wird nicht sehr schnell gegen, denn es bedarf echter Einschnitte in heiklen Bereichen. Es wird sich zeigen, ob die Regierung das durchstehen kann." In der Regierung sitzen zwar einige Experten, die aber "politisch nicht gerade erfahren sind".

+++ Liste Pilz: Regierungsprogramm "Schande für Österreich" +++

Die Liste Pilz hat am Montag das Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ scharf kritisiert. Es sei eine "Schande für Österreich", sagte Mandatar Bruno Rossmann. Klubobmann Peter Kolba sieht die Liste Pilz als "kleines gallisches Dorf", das der Regierung entgegentreten werde, der Medientermin fand nämlich in der Wiener Innenstadt, im Presseclub Concordia innerhalb der Sperrzone für die Angelobung statt.

Die Kurz-Spender werde das Koalitionsabkommen sehr freuen, Arme würden aber unter Generalverdacht gestellt, kritisiert Kolba. Die Mittelschicht müsse auf die Steuerreform bis 2020 warten. Dass die gesamte bewaffnete Staatsmacht der FPÖ überlassen werde, sei ein Geschenk der ÖVP, im Gegenzug unterstütze nun die FPÖ die "großen Leute der ÖVP". Außerdem habe die FPÖ dem Handelsabkommen CETA zugestimmt, obwohl sie im Wahlkampf noch dagegen aufgetreten sei.

+++ Keine saure Miene +++

Keine saure Miene wie dereinst von Staatsoberhaupt Thomas Klestil bei der Angelobung von Schwarz-Blau I hat es von Bundespräsident Van der Bellen bei der Ernennung der schwarz-blauen Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz gegeben. Die Zeremonie lief feierlich, aber insgesamt auch ziemlich gelöst ab.

So lobte das Staatsoberhaupt, die neue Regierungsspitze in den Gesprächen der vergangenen Wochen kooperativ und lösungsorientiert kennengelernt zu haben. Man habe gemeinsam intensiv daran gearbeitet, tragfähige Lösungen zu finden. Dies sei gelungen, das schätze er sehr "und so muss eine Bundesregierung auch arbeiten".
Freilich zeigt der Bundespräsident auch Verständnis für jene, die der Regierung skeptisch oder ablehnend gegenüber stehen: "Es ist in einer Demokratie eben so, dass unterschiedliche Meinungen existieren."

+++ Neue Regierung ist angelobt +++

Österreich hat eine neue Bundesregierung. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat Montagvormittag das aus ÖVP- und FPÖ-Repräsentanten bestehende Kabinett angelobt. Damit wird das Land ab sofort politisch von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) geführt.

Die Regierung besteht aus 14 Ministern. Dazu kommen noch zwei Staatssekretär. Sie bejahten allesamt die Gelöbnisformel, mit der sie versicherten, Bundesverfassung und alle Gesetze der Republik Österreich getreulich zu beobachten und die mit Ihrem Amt verbundenen Pflichten nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen. Einzelne Minister wie Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) oder Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) fügten an die Formel noch den Zusatz "so wahr mir Gott helfe" an.

Ungewöhnliches

Ungewöhnlich an der Angelobung war zweierlei. Erstens verzichtet Van der Bellen darauf, die Titel der Regierungsmitglieder vorzulesen ("Das ist mir zu umständlich") und zweitens begnügte er sich nicht damit, einfach die Gelöbnisformel abzunehmen sondern wechselte mit jedem Minister und Staatssekretär auch noch einige persönliche Worte.

+++ Die alte Regierung ist ihres Amtes enthoben +++

Und Sebastian Kurz ist angelobt.

+++ Es geht los +++

Bundespräsident Van der Bellen hat die Angelobung eröffnet. Er lobt das Miteinander, das die beiden Parteien bei den Verhandlungen. Es sei ihm auch bewusst, dass der neuen Regierung viel Skepsis entgegenschlägt. Das sei in einer Demokratie eben so. Van der Bellen hofft auch auf weiteren respektvollen Umgang miteinander und den Respekt gegenüber Schwächeren und Andersdenkende. Er wünscht sich ganz besonders Respekt vor den Kindern und Jugendlichen, vor ihren Fähigkeiten. Denn diese Generation sei die Zukunft und die Verantwortung. Auch die Leistung der bisherigen Leistungen der Bundesregierungen sollen anerkannt werden: "Bewahren wir das Gute und verbessern wir das Schlechte", so der Präsident.

+++ Demos bei der Angelobung +++

© Video: News.at/Valerie Krb

+++ Sobotka begrüßte die Polizei - und wurde ausgebuht +++

+++ Die Angelobung jetzt hier live +++

+++ Händchenhaltend zur Angelobung +++

Vorbei an einem guten Dutzend Polizei-Kleinbussen hat sich das neue schwarz-blaue Kabinett am Montagvormittag vom Außenministerium am Wiener Minoritenplatz zu Fuß zur Angelobung in die Präsidentschaftskanzlei am Ballhausplatz begeben. Begleitet wurden die neuen Köpfe von Journalisten und Kamerateams. Die künftigen Regierungsmitglieder hatten (Ehe-)Partner mit dabei. Es wurden Händchen gehalten, es wurde gelächelt. Aus der Ferne waren die Demonstranten am Heldenplatz zu hören.
Der designierte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) war in Begleitung seiner Freundin Susanne Thier an der Spitze der Gruppe. Für einen Moment stellte er sich den Fragen der Journalisten. Die Demonstrationen gegen die Regierung kommentierte er gelassen: "Es ist legitim, dass man in Österreich seine Meinung äußert." Er habe viele Länder bereist, wo das nicht möglich sei und es dieses Recht auf freie Meinungsäußerung nicht gebe. So wie es legitim sei, dass er von vielen am 15. Oktober das Vertrauen geschenkt bekommen habe, so sei es genau so legitim, dass Menschen etwas dagegen hätten.
Wortkarger zeigte sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Er war mit Ehefrau Philippa da. Trotz des Drängens der Reporter wollte er nichts sagen und meinte nur, er gebe im Moment keine Interviews.
Unter den Beobachtern in der Sperrzone waren nicht nur Journalisten: Auch einige Gegner der Regierung hatten sich unter die Menschen geschummelt und hielten Zettel mit der Aufschrift "No Pasaran" in Händen, blieben aber ansonsten unauffällig. Als Zaungäste hatten sich auch Mitarbeiter des scheidenden SPÖ-Bundeskanzlers Christian Kern eingefunden, die auf das Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz geklettert waren und von dort das Geschehen beobachteten.

+++ Demonstration auf 3.500 Teilnehmer angewachsen +++

Die Teilnehmerzahl an den Demonstrationen gegen die Angelobung der schwarz-blauen Koalition ist am Montagvormittag laut Polizei auf 3.500 Personen angewachsen. Der Zustrom insbesondere zum Heldenplatz war allerdings noch groß. Zwischenfälle gab es laut Sprecher Partrick Maierhofer - bis auf ein paar geworfene Böller - vorerst nicht.

+++ Verfassungsdienst wandert ins Justizministerium +++

Die Koalition übersiedelt den Verfassungsdienst der Republik vom Bundeskanzleramt ins Justizministerium, bestätigte ein Sprecher am Montag gegenüber der APA einen Bericht der "Kleinen Zeitung". Ziel der Änderung sei es, dass alle rechtlichen Angelegenheiten in einem Ressort gebündelt werden, hieß es.

Der neue Justizminister Josef Moser (ÖVP) soll damit die Möglichkeit bekommen, unter Einbindung des Verfassungsdienstes Deregulierungsschritte einzuleiten und Reformmaßnahmen in der föderalen Grundstruktur der Republik anzudenken, schreibt die "Kleine Zeitung" dazu.

+++ Frostiges Warten am Ballhausplatz +++

Ausnehmend ruhig ist es Montagfrüh in der Sperrzone rund um Kanzleramt und Präsidentschaftskanzlei am Ballhausplatz zugegangen. Journalisten warteten auf das Eintreffen der neuen ÖVP-FPÖ-Regierung, die um 11.00 Uhr angelobt werden soll. Die Stimmung war ob der niedrigen Temperaturen eher frostig.

Rund um, aber auch innerhalb der Sperrzone brachten sich wegen der angekündigten Proteste Polizisten in Schutzausrüstung in Stellung. Am Ballhausplatz selbst warteten dutzende Journalisten, Fotografen und Kameraleute auf Einlass in die Hofburg. Die morgendliche Idylle bei kaltem aber immerhin sonnigem Winterwetter störte lediglich der Polizeihubschrauber, der permanent über der Sperrzone kreiste. Zu hören waren außerdem dumpfes Dröhnen der Trommeln und Pfiffe der Demonstranten, die sich am Heldenplatz der Sperrzone näherten.

+++ Mehr als 2.000 in Wien auf der Straße +++

Mehr als zweitausend Menschen sind Montagfrüh auf die Straße gegangen, um gegen die Neuauflage der schwarz-blauen Koalition zu demonstrieren. Angemeldet waren neun Demonstrationen, unter anderem von der "Offensive gegen Rechts" und der "Radikalen Linken". Die Polizei hatte mit einem ausgedehnten Platzverbot rund um die Hofburg reagiert, wo um 11.00 Uhr die neue Regierung angelobt werden sollte.

Friedlicher Protest

Eine der größten Demonstrationen gegen die Regierungsbildung hatte gegen 8.00 Uhr vor der Universität Wien begonnen. Mehrere 100 Demonstranten - laut Polizei waren es etwa 500 - waren auf Einladung der Organisation "Offensive gegen Rechts" gekommen. Aber auch andere linke Initiativen, wie etwa die Antifaschistische Aktion, beteiligten sich. Der Protest verlief in den ersten Stunden durchgehend friedlich. Um 9.20 Uhr bewegte sich der Zug in Begleitung etlicher Polizisten in Richtung Heldenplatz.

Die Demonstranten skandierten Parolen wie etwa "Nazis raus" und "Wir wollen keine Nazi-Schweine". Auf Transparenten war etwa zu lesen: "Tod dem Faschismus!", "Türkis ist auch nur helles Blau" und "Raus aus meinem Kurzzeitgedächtnis".

Am Karlsplatz hatten sich Demonstranten der "Radikalen Linken" und der "Antifa" versammelt. Etwa 400 bis 500 Manifestanten setzten sich kurz vor 9.30 Uhr in Bewegung. Vorbei an der Wienzeile ging es über den Getreidemarkt ebenfalls in Richtung Heldenplatz. Auffallend war, dass sich viele mit pinken Regencaps kostümiert hatten. Im Block hinter mehreren Transparenten hatten sich einige Teilnehmer zumindest teilweise vermummt. Den Hinweis der Polizei, die sich ansonsten zunächst sehr im Hintergrund hielt, dass Vermummungen laut geltendem Gesetz nicht erlaubt seien, nahmen sie nicht wirklich ernst.

1.500 Beamte im Einsatz

Auf dem Weg über den Getreidemarkt zum Ring in Richtung Heldenplatz wurden Parolen wie "Alerta! Alerta! Antifascista!" skandiert. Dazu kamen pyrotechnische Gegenstände, die für bunten Rauch sorgten. Die Polizei war mit etwa 1.500 Beamten im Einsatz. Die Gesamtzahl der Demonstranten wurde auf 2.250 geschätzt, die meisten gab es laut Polizeisprecher Patrick Maierhofer bei der Demo von der Universität mit 500, dem Zug des VSSTÖ mit 600 und dem der "Radikalen Linken" mit 700.

© Video: APA

+++ Verkehrsprobleme in Wien wegen Protesten +++

Wegen mehrerer Demonstrationen ist es in Wien gegen 9.00 Uhr zu den ersten größeren Verkehrsbehinderungen gekommen. Schwerpunkte der Staus waren der Franz-Josefs-Kai und die sogenannte Zweierlinie, hieß es beim ÖAMTC. "Es beginnt schön langsam, wird sich aber noch ausbauen", sagte Gilles Dittrich vom Autofahrerclub auf APA-Anfrage.

Am Franz-Josefs-Kai reichte der Stau bis zum Ring zurück, auf der Zweierlinie vom 9. Bezirk bis zum Karlsplatz. Außerdem gab es Verzögerungen auf der Unteren Donaustraße stadtauswärts bei der Aspernbrücke sowie bei weiteren Brückenverbindungen über den Donaukanal. Auch die Vordere Zollamtsstraße und die Verbindung Am Heumarkt bis zum Karlsplatz waren laut ÖAMTC zunächst betroffen, ebenso wie die Erdbergstraße wegen eines Demozugs auf der Landstraßer Hauptstraße. Rund um den Bahnhof Wien-Mitte baute sich ein weiterer Stauschwerpunkt auf.

Die Verkehrsbehinderungen hatten später eingesetzt als erwartet. Die Ringsperre war verzögert in Kraft getreten, erläuterte Dittrich. Es sei außerdem zu hoffen, dass viele Autofahrer die Ankündigungen im Vorfeld berücksichtigt haben. So war auch der Gürtel noch relativ frei, wo als Ausweichroute ebenfalls Probleme erwartet wurden. Bis wann mit Verzögerungen und Staus zu rechnen ist, war laut Dittrich schwer zu sagen. Der ÖAMTC rechnete aber damit, dass die Probleme gegen Mittag wieder vorbei sein könnten.

Rund um die Einführung der neuen Bundesregierung waren eine Reihe von Demonstrationen und Protesten angekündigt. Die Polizei hat deshalb für das Regierungsviertel in Wien ein Platzverbot und weiträumige Sperren rund um Kanzleramt, Ballhausplatz und Hofburg verhängt. Wegen der Demonstrationszüge sind darüber hinaus zahlreiche Straßen nicht passierbar. Die gemeinsame Abschlusskundgebung findet am Heldenplatz statt.

+++ Widerstand laut Kurz legitim +++

Widerstand gegen die neue Regierung ist laut Kurz legitim. "Wir werden immer mit allen in einen Dialog treten. Wir sind gleichzeitig eine Regierung, die Entscheidungen trifft. Dass diese da und dort auch zu Widerstand führen, ist normal. Gott sei Dank leben wir in einem Land, in dem man demonstrieren darf."

+++ Die Reaktionen aus dem Ausland +++

So reagiert die ausländische Presse auf die heutige Angelobung der neuen ÖVP-FPÖ-Regierung.

Minister stellten sich gestern beim Präsidenten vor

Im Stundentakt trafen die Ministerinnen und Minister in spe am Sonntag am Amtssitz des Bundespräsidenten ein: Juliane Bogner-Strauß (ÖVP), Karoline Edtstadler (ÖVP), Gernot Blümel (ÖVP), Karin Kneissl (FPÖ) und ganz am Schluss Herbert Kickl (FPÖ). Die übrigen Ministeranwärter hatte Van der Bellen bereits Freitag und Samstag in Augenschein genommen. Die Regierungsspitze mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) wurde ebenso wie der künftige Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ), den Van der Bellen ohnehin aus dem Bundespräsidentschaftswahlkampf kennt, sowie die künftige Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), die zuletzt Nationalratspräsident war, nicht mehr zu einem Extragespräch eingeladen.

"Insgesamt waren es gute, ernsthafte und intensive Gespräche. Die Angelobung findet morgen planmäßig statt", hieß es danach aus der Präsidentschaftskanzlei. Van der Bellen habe sich ein Bild von den neuen Regierungsmitgliedern gemacht, die er persönlich noch nicht kannte. Themen waren demnach die jeweiligen Herausforderungen in den Ressorts, sowie wichtige Projekte und Vorhaben der künftigen Ministerinnen und Minister. "Naturgemäß wurden bei den vertraulichen Gesprächen auch einzelne heikle Punkte angesprochen."

Kurz und Strache mit Interview-Marathon

Kurz und Strache legten am Sonntag unterdessen im Palais Epstein einen Doppelinterview-Marathon mit zahlreichen Zeitungen hin. Heute werden sie mit ihrem Regierungsteam dann zur Angelobung über den Ballhausplatz schreiten - und nicht unterirdisch, wie der neue Kanzler und sein Vize in mehreren Interviews sagten. "Wir werden sicher nicht unterirdisch, sondern mit erhobenem Haupt auf der Straße Richtung Hofburg gehen", so Strache.

Erste Querschüsse in der FPÖ

Kritik gab es bereits im Vorfeld viel - vor allem an den Inhalten des Regierungsprogramms von ÖVP und FPÖ. Zu ersten internen Querschüssen kam es bei den Freiheitlichen. Der oberösterreichische FPÖ-Landeschef Manfred Haimbuchner kritisierte die Pläne im Sozialversicherungsbereich. Österreich bestehe aus neun Ländern und nicht nur einer Hauptstadt, meinte Haimbuchner im "Kurier". "Es darf unter dem Deckmantel der Entbürokratisierung und der Zusammenlegung zu keiner Zentralisierung in Wien kommen." Leistungsstarke Länder wie Oberösterreich dürften bei der geplanten Reform der Krankenkassen nicht benachteiligt werden. "Wenn das passiert, gibt es Probleme. Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen", sagte Haimbuchner. Oberösterreich könnte damit bei den Blauen punkto interner Kritik das neue Kärnten werden.

"Viel Ruach und wenig Leuchtturm"

Der bisherige SPÖ-Regierungskoordinator Thomas Drozda ortete im Gespräch mit der APA im Regierungsprogramm insgesamt "viel Rauch und wenig Leuchtturm" und Nebenabsprachen. "Die Wahrheit muss in irgendwelchen Sidelettern stehen", meinte Drozda.

"Rechtsnationale Regierung mit rechtsnationalem Programm"

Der ÖGB sieht im Regierungsprogramm die Wünsche der Industriellenvereinigung erfüllt. Generell enthalte der Pakt vieles, das nachteilig für die Arbeitnehmer ist und die Mitbestimmung im Betrieb schwächt, kritisierte ÖGB-Präsident Erich Foglar gegenüber der APA. Mit Sorge erfülle ihn, dass alle Sicherheitsagenden in der Verantwortung der FPÖ liegen. "Nach der ersten Durchsicht kann man generell sagen, dass eine rechtsnationale Regierung ein rechtsnationales Regierungsprogramm macht", so Foglar.

Opposition übt Kritik an Kultur- und Medienplänen

Die Oppositionsparteien übten Kritik an den Kultur- und Medienplänen von ÖVP und FPÖ. Die Universitätenkonferenz (uniko) hält etwa die Einschränkung der Rechte der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) sowie die Konstruktion des Studiengebührenmodells für problematisch. "Schockiert" zeigte sich die von linken Fraktionen geführte ÖH. Die Studentenvertreter kündigten für die Angelobung der Bundesregierung "breite Protestmaßnahmen" gegen die Einführung von Studiengebühren und die Einschränkung der ÖH-Rechte an.

Leitl lobt

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl (ÖVP) lobte hingegen erfreuliche wirtschaftspolitische Signale. Wesentliche strukturelle Reformen seien in Aussicht gestellt. Zudem freute sich Leitl über die Beibehaltung der Kammer-Pflichtmitgliedschaft.

Mindestsicherung für Asylberechtigte wird gekürzt

FPÖ-Chef Strache wies am Sonntag via Facebook auf einen "ganz wichtigen Punkt" des Regierungsprogramms hin, nämlich die geplante Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte: "Es wird künftig nicht mehr vorkommen, dass Migranten, die hier keinen einzigen Tag gearbeitet und nichts in das System eingezahlt haben, tausende Euro an Sozialhilfen erhalten. Hier haben wir Freiheitliche ein zentrales Wahlversprechen eingehalten."

Die heutige Angelobung durch Van der Bellen erfolgt nach der Verlesung der Gelöbnisformel mit den Worten "Ich gelobe". Bekräftigt wird das Gelöbnis mit Handschlag und Unterschrift.

Kommentare

Roland Mösl

Strache wäre nach der Raucherkampange Rücktrittsreif. Wenn man derart vehement die FPÖ zur RPÖ - Raucher Partei Österreich macht, sollte man vorher wenigstens schauen, ob es dafür überhaupt Rückhalt in der Bevölkerung gibt. Die Petitionen auf OpenPetiton.EU zeigen aber sehr eindeutig: kein Rückhalt in der Bevölkerung.

Seite 1 von 1