Knalleffekt bei den ÖBB: Vorstandsdirektor wird wegen umstrittener Aufträge gefeuert

Zimmermann "grobe Pflichtverletzung" vorgeworfen SPÖ fordert auch Ablöse von ÖBB-Chef Martin Huber

Nach eine Affäre um nicht autorisierte Aufträge haben die ÖBB den Vorstandsdirektor ÖBB-Infrastruktur Bau AG, Alfred Zimmermann fristos gekündigt. "Grobe Pflichtverletzungen haben einen Vertrauensentzug notwendig gemacht", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende der Gesellschaft, ÖBB-Holding-Chef Martin Huber nach der Sitzung. Die Entscheidung sei einstimmig gefallen. Der Manager wird die Abberufung juristisch bekämpfen. Auch für andere in die Affäre verwickelte Personen gibt es dienstrechtliche Konseqenzen. Huber selbst denkt nicht an Rücktritt.

Speziell wirft die interne Revision der Bahn Zimmermann die Umgehung des Aufsichtsrats bei den gestoppten Baugeschäften als Generalunternehmer im Iran und für die Anschaffung eines Waggon-Scannern aus China vor. In Verbindung mit den Iran-Geschäften lautet der Vorwurf darüber hinaus auf Verletzung der Aufsichtspflicht, zwei Absichtserklärungen zum Bau von Schnellbahnen im Raum Therean soll Zimmermann aber auch selbst unterschrieben haben. An die Gesundheitsberatungsfirma Sanconsult, an der eine frühere Bahn-Managerin beteiligt ist, sollen - unter Umgehen der Konzernregeln - außerdem "nicht gerechtfertigte Geldflüsse" ergangen sein. Insgesamt acht Mitarbeiter der Firma Sanconsult zu "betriebswirtschaftlich nicht nachvollziehbaren Verträgen" von der ÖBB Infrastruktur Betrieb AG bezahlt worden.

Zimmermann wird sein Vorstandsgehalt gemäß dem Aktiengesetz noch bis Juni 2007 ausbezahlt bekommen. Seine Agenden übernimmt vorläufig Vorstandskollege Gilbert Trattner. Eine Neubesetzung sei aber geplant und werde in jedem Fall ausgeschrieben werden, sagte Huber.

Ein Großteil der Geschäfte war über die ÖBB-Beratungstochter ARCC abgewickelt worden. Deren früherer Chef, Alexius Vogel, dessen seinerzeitige Bestellung Huber "völlig unverständlich" bezeichnete, ist seit vergangener Woche vom Dienst suspendiert. Gegen ihn, ebenso wie gegen Zimmermann, werden die ÖBB jetzt ein Disziplinarverfahren einleiten. Dabei muss dann eine Kommission entscheiden, ob die beiden formal entlassen werden oder Ansprüche aus den Eisenbahn-Dienstverträgen bestehen bleiben.

Konsequenzen wird es womöglich auch für Alfred Lutschinger, derzeit Prokurist in der ÖBB Infrastruktur Betrieb AG, geben, der den Kaufvertrag zum Ankauf des Scan-Gerätes mit unterschrieben hat. Ihm droht womöglich die Aberkennung der Prokura.

"Gewaltiger Imageschaden"
Dem ÖBB-Konzern sei durch die Vorgänge ein "gewaltiger Imageschaden im In- und Ausland" entstanden, sagte Huber. Alle Auslandsprojekte seien gestoppt worden. Nach derzeitigem Wissensstand gebes es elf Projekte, nicht nur im Iran, sondern u.a. auch in Jordanien. Die Gesamtkosten des Scanners, für den es weder eine Machbarkeitsstudie noch eine Betriebsbewilligung gebe, würden über fünf Mio. Euro betragen, so Huber. Der Konzern prüfe, ob ein Ausstieg aus den Verträgen mit China möglich sei - wenn nicht, bleibe ein Schaden von 3,5 Mio. Euro, so Huber. Der Ausstieg aus den Iran-Geschäften sei mit großer Wahrscheinlichkeit ohne Schaden möglich.

Zimmermann kündigte an, Kündigung und Suspendierung arbeitsrechtlich zu bekämpfen. "Ich werde mit allen mir zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln dagegen vorgehen", ließ er in einer ersten Reaktion ausrichten. Seine Abberufung durch den Aufsichtsrat, die ihm ohne Anhörung nach der sechstündigen Aufsichtsratssitzung mitgeteilt worden sei, sei "nicht berechtigt". Er habe "alle meine Obliegenheiten stets bestens zum Wohle des Unternehmens ausgeübt". Alle im persönlichen Gespräch am Wochenende mit Aufsichtsrat Rudolf Fischer und den ÖBB-Holding-Vorständen Martin Huber und Erich Söllinger geäußerten Anschuldigungen habe er widerlegt, betonte Zimmermann.

Nach der Abberufung Zimmermanns hat die SPÖ weitere personelle Konsequenzen in der ÖBB verlangt und erklärt, Zimmermanns Ablöse könne nur ein "erster kleiner Schritt" sein. Auch Huber müsse abgelöst werden. Die ÖBB befinde sich in "einer der schwersten Krisen, die sie jemals zu gewärtigen hatten", erklärte SP-Abgeordneter Hannes Jarolim. Huber wies die Kritik zurück. "Wir haben uns vorgenommen das Unternehmen zu restrukturieren und hier passt eine lockere Einstellung im Umgang mit Geld nicht dazu", so der ÖBB-Chef.

Um weit größere Löcher in den ÖBB-Kassen geht es unterdessen im Bahnbau. Der Aufsichtsrat der ÖBB Infrastruktur Bau hat noch einmal die Forderung nach mehr Geld für den Bahnausbau bekräftigt. Konkret fehlen 300 Mio. Euro pro Jahr. Wenn die Mittel nicht erhöht würden, müssten "nahmhafte Projekte" verschoben, gestoppt oder aus den jetzigen Planungen bis 2012 hinausgeschoben werden, sagte Huber. Eine Verschiebung der 4 Mrd. Euro teuren Koralmbahn, der die ÖBB betriebswirtschaftlich ein "Nicht genügend" ausgestellt haben, schloss Huber aber neuerlich aus. Darüber gebe es Verträge. "Ich werde Verträge sicher nicht brechen", so der Holding-Vorstand.

(apa/red)